62| Grab

7.1K 372 31
                                    

Talking to the Moon ~ Bruno Mars

Lucy

"Wo sind wir hier?", fragte ich, während ich vom Rücken des riesigen Wolfes rutschte. Ich wusste nicht warum ich überhaupt eingewilligt hatte, mitten in der Nacht auf Cassians Wolf, durch den halben Wald zu sprinten. Sein Wolf war wunderschön, im selben Moment aber auch furchterregend. Und so wie vieles andere auch, kam er mir nicht bekannt vor.

Cassian verwandelte sich zurück, bevor er mit einem geheimnisvollen Lächeln auf mich zu trat, meine Hand nahm und mich mit sich zog.
Ein wenig perplex, stolperte ich ihm hinter her. Ich musste aufpassen, das ich nicht über die Wurzeln stolperte, da Cassian ein ziemliches Tempo vorlegte.

Plötzlich blieb er stehen und ich taumelte in seinen Rücken. Als ich an ihm vorbei spähte, holte ich verblüfft Luft.

Vor mir, auf einer kleinen Anhöhe mitten im Wald, erstreckten sich die Gemäuer einer Ruine. Der Stein war mit Efeu überzogen und die Mauern waren teilweise eingefallen. Es sah aus, als käme es geradewegs aus einem Märchenbuch.

Staunend schob ich mich an dem Alpha vorbei und ging auf die Überreste zu. Umso näher ich kam, umso höher erstreckten sich die Mauern gen Himmel. Ich drehte mich im Kreis und wenn ich die Augen ein wenig schloss, konnte ich die Ausmaße erahnen, die dieses Gebäude einst hatte. Es war bestimmt mal wundervoll und prunkvoll gewesen.
Doch genauso wie wir, war es vergänglich.

Auch die prächtigsten Schönheiten  wurden vom voranschreiten der Zeit nicht verschont.

"Was ist das für ein Ort?"
Ich spürte wie er hinter mich trat.
"Das war unser Ort.", hauchte er und zog mich weiter.

"Du warst nur einmal hier.", er legte den Kopf in den Nacken und lächelte, als würde er sich noch genau an diesen Tag erinnern können.

Dann wurde sein Gesicht ernst, fast schon kalt. Verwirrt blickte ich zu ihm hoch. Sein Stimmungswandel kam plötzlich. Als hätte etwas setmliches Glück aus seinem Körper gepresst.

Ich folgte seinem Blick und erkannte am Rande der Ruinen einen Stein, der nicht zu den Überresten zu gehören schien. Nein, dieser hier sah neuer aus, geschliffen und sauber.

Fast schon wie...
Ein Grab.

Mit einem unheimlichen Gefühl in der Magengegend, ließ ich Cassians Hand los und steuerte auf den grauen Stein zu, der am Rande der Anhöhe stand. Das Bild was mich bot, war wunderschön aber auch verstörend.

Hinter dem Stein erstreckte sich der Wald. Der Himmel kündigte bereits die ersten Sonnenstrahlen an und alles schien so friedlich.
Zu friedlich für die Stätte eines Toten.

Warum brachte Cassian mich hier her? Das machte keinen Sinn, außer...

Meine Beine bleiben wie angewurzelt stehen, als ich nach genug war die Gravur zu erkennen.

Lucy Pandoria

Es war mein Grab.
Meine Knie wurden weich und aufeinmal nahm ich kaum noch etwas war.

Meine Gefühle brannten in mir wie ein Waldbrannt und doch war ich taub. Wie sollte man sich schon fühlen, wenn man an seinem eigenen Grab stand?

Es fühlte sich nicht real an.

"Wir haben nie eine Leiche gefunden.", begann Cassian und legte mir seine Hand in den Rücken.
"Ich hatte immer die Hoffnung, das du nicht wirklich Tod warst, doch irgendwann konnte ich es nicht mehr leugnen. Alles-", ich hörte wie seine Stimme kurz dünn würde.
"Alles deutete darauf hin, das du Tod warst."

Ich antwortete nicht, sondern sah nur weiter auf den Stein. Ich wusste bereits als sie mir meine Lebensgeschichte erzählt haben, das sie um mich getrauert hatten. Doch die Ausmaße wurden mir erst jetzt deutlich.

"Ich wollte das du wenigstens einen Grabstein bekommst. Ich wollte dir wenigstens eine Grabstätte ermöglichen, wenn ich bereits bei allem anderen versagt hatte. "
Ich senkte den Kopf und kämpfte mit den Tränen.

"Ich dachte .... Du hast diesen Ort hier gemocht. Du hast mir erzählt, er wirkt als wäre die Zeit stehen geblieben. Irgendwie habe ich gehofft, das ich dich hiermit für immer festhalten könnte. Doch das war nur eine kleine Hoffnung, den Schmerz...", er beendete den Satz nicht.

Zittrig holte ich Luft.
Ich ging auf den Stein zu und ließ mich vor dem Grabstein in das Gras sinken. Vorsichtig Strich ich über meinen Namen. Meinen richtigen Namen. Mein Blick fiel auf die Wörter darunter.

Luna
Freundin
Niemals vergessen

Ich hatte vergessen. Ich hatte die Menschen vergessen, deren Freundin ich gewesen war. Ich hatte das Rudel vergessen, dessen Luna ich sein sollte . Ich hatte die Familie vergessen, deren Nachnamen ich trug.

All die Jahre, dachte ich das ich die jenige gewesen war, die im Stich gelassen wurde. Dabei war ich es, die die Menschen zurück gelassen hatte, die einst alles für mich waren.

Mir kam ein Gedanke. Ich sah zu Cassian auf und merkte wie er mich anssah. "Pandoria? Hieß das wir waren-"
"Nein.", unterbrach er mich und ein trauriger Ausdruck huschte über sein Gesicht. "Dazu kam es nicht."
Nickend drehte ich mich wieder um.

Ich wusste nicht wie viel Zeit verstrichen war, als ich das nächste mal Sprach. "Warum hast du mich hergebracht?"
Ich hörte wie er hörbar Luft holte.

"Ich wollte dir Zeigen, das du kein Schatten warst. Du warst das Gegenteil. Du hast uns allen so viel geholfen und du hast es nie gewusst. Ich wollte das du das hier siehst und verstehst das egal was jetzt kommt, du nicht alleine bist. Ich weiß es ist ziemlich viel. Du hast von einen Tag auf den anderen ein neues Leben auf den Schultern. Und auch wenn ich weiß das du stark bist ... das wäre für niemanden leicht."

Er legte seine Hand auf meine Schulter und ein warmer Schauer durchflutete mich. "Ich werde dich nicht mehr gehen lassen. Ich habe dich zweimal zu spät gefunden. Ich kann das nicht gut machen, doch ich werde es versuchen. Ich weiß du bist nicht mehr die, die du mal warst, doch das ist mir egal. Du warst alles für mich und du bist es auch jetzt noch.
Ich wollte einfach nur ... das du das weißt."

Gerührt sah ich ihn an. "Danke."
Mehr sagte ich nicht. Mehr konnte ich nicht sagen.

Er setzte sich neben mich in das Gras.
Müde lehnte ich meinen Kopf auf seine Schulter und wir sahen auf den Brocken Vergangheit vor uns.
"Cassian?", hauchte ich nach einer Weile. Die aufgehende Sonne färbte langsam den Himmel in ein schönes lila. "Hm?", erwiderte er leise.

"Was ist die Aufgabe einer Luna?"

Shattered Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt