5| Therapie

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Collide ~ Rachel Platten

Jade

"Jade. Wie wär's wenn du uns was erzählst?", fragte meine Therapeutin und am liebsten hätte ich geschrien. Ich hatte so gehofft das ich mich einfach klein machen konnte und die Stunde absaß. Doch das war's dann wohl. Sofort lag die Aufmerksamkeit auf mir. Meine Nägel bohrten sich in meine Hände.

Ich warf Ms. Lorington einen verächtlichen Blick zu, denn sie aber geflissentlich ignorierte. Sie wusste genau, wie sehr ich es hasste vor Menschen zu reden. Ich richtete mich ein Stück auf, bevor ich in die Runde blickte ohne jemanden direkt anzusehen. Ich hatte keine Ahnung wie ich mich in einem Raum voller Freaks dennoch wie ein Ausgestoßener fühlen konnte.

Ich atmete tief durch. Was war schon dabei.
"Ich bin Jade."
"Hi, Jade.", kam es geschlossen von der Gruppe zurück und ich zuckte kaum merklich zurück. Das ganze Gruppentherapie ding war für mich immer noch ein bisschen unbehaglich.

Zudem stank der Raum, in dem die wöchentlichen Gruppensitzungen waren, nach altem Teppich und Käse.

Ein wenig versteift, versuchte ich mich zu beruhigen. Ich hatte keine Ahnung wo ich Anfangen sollte. Also begann ich einfach irgendwo.
"Also wie vielleicht ein paar von euch schon wissen, leide ich seit knapp 2 Jahren an einer retrograden Amnesie."

Nervös knete ich meine Hände. Ich hatte das ganze mittletweile so oft von verschiedenen Ärzten gehört, dass es sich mir regelrecht ins Gehirn gebrannt hatte. Was irgend wie ironisch war.
"Bei einem Unfall wurde mein episodisches Langzeitgedächtnis beschädigt, aber nicht mein semantisches. Im Endeffekt heißt das, das ich mich an alltägliche Sachen erinnern kann, wie an zum Beispiel den Geschmack von Erdbeeren, aber nicht an mich oder mein Leben vor dem Unfall. Das heißt, das ich eigentlich keine Ahnung habe wer ich bin.", ich lachte doch es klang hohl.

Miss Lorington seufzte, "Jade, wenn ich deine Krankengescheichte hören wollen würde, hätte ich in deine Akte geschaut. Erzähl uns was über deinen Alltag? Hast du schon was über deine Familie herausgefunden?"

Ich spannte mich an. Ich hatte ihr in einer privaten Stunde anvertraut das es mich wahnsinnig macht, das ich keine Ahnung habe wer meine Familie ist. Sie meinte darauf, ich solle Nachforschungen anstellen. Ich sag's euch, Psychologen sind echt Genies. Als wäre ich da nicht selbst drauf gekommen.

Mein Kiefer schmerzte, da ich vehement mit den Zähnen knirschte. Ich wollte nicht, das sie dieses Thema vor der Gruppe anspricht. Aber bitte.
Verbittert dachte ich über die Leute nach, die andere als Familie bezeichneten.
"Ich habe keine Familie. Welcher Mensch würde jemanden den er liebt, zum sterben im Wald zurück lassen? Wenn ich eine Familie hätte dann wäre sie da gewesen! Im Krankenhaus! Als ich unter Höllenqualen aufgewacht bin." Doch da war keiner. Ich versuchte mir meine Wut nicht allzu sehr ansehen zu lassen. Ich war allein aufgewacht.

"Das ist verständlich Jade. Es ist gut, das du dir diesen Gefühlen bewusst bist. Erzähl uns doch was über deine Personenfindung?", sie kritzelte was auf ihren Block. Ah ja. Die Personenfindung. Sie meinte damit, ob ich mittlerweile Hobbys gefunden habe, oder andere Sachen für mich entdeckt habe, die anderer Menschen Persönlichkeiten prägen. Doch da war nichts. Ich hatte die Persönlichkeit eines Turnschuhs.

"Ich arbeite immer noch in dem Diner. Es gibt mir ein Gefühl der Normalität und ich arbeite gern dort.", sagte ich zuversichtlich und fixierte einen Punkt an der Wand hinter ihr.
Ms. Lorington nickte, "Ist das nicht der Job, den dir dein Freund besorgt hat?"
Ich war ihr so kurz davor, ihr den Block aus den Händen zu reißen und ihr über den Kopf zu schlagen. Ich verzog das Gesicht. "Ja das hat er. Quinn ist mein bester Freund."

"Erzähl uns was über ihn."
Quinn war der beste Freund den man sich vorstellen konnte. Er hatte so viel für mich getan, was ich ihm niemals zurück geben konnte. Denn er war da gewesen. Er war mein Krankenpfleger, als gerade mein ganzes Leben zusammengebrochen ist. Er hat mir immer extra Pudding eingeschmuggelt und mich zum Lachen gebracht, wenn ich nichts sehnlicher wollte, als mich für immer zu verkriechen. Er hatte mir eine Wohnung besorgt, da in seinem Apartment-komplex eine Wohnung frei wurde, und mit geholfen einen Job zu finden. Ich wüsste nicht wo ich ohne ihn wäre. "Ich bin dankbar das ich ihn habe.", mehr sagte ich nicht. Mehr verdienten sie nicht.

Sie nickte, doch ich erkannte das sie eigentlich viel mehr sagen wollte. Ich war froh, das sie es dabei beließ. Meine Therapeutin suchte sich ein neues Opfer und ich strich meine Schweisnassen Hände an meiner Jeans ab. Ich wollte raus hier.

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"Ich würde für diese Pizza sterben!", schwärmte ich mit vollem Mund. Der Geschmack war einfach nur genial.
Quinn lachte und biss ebenfalls in ein Stück. Wie bestellten immer das selbe. Er eine mit Salami und Zwiebeln und ich mit Schinken und Champignons. Guivannie fragte uns mittlerweile gar nicht mehr.

Die kleine Pizzeria am Rande der Stadt war ein magischer Ort. Es war ein altes Familien Unternehmen, geführt von dem älteren Herrn Josef Guivannie. Wir hatten uns sofort in diesen Laden verliebt. Denn mit seiner antiken Entrichtung und der göttlichen Pizza, musste man sich hier nur wie Zuhause fühlen.

"Hoffen wir das du es nicht tust.", sagte er und ich nickte.
"Wie war's heute?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Ich mag die Gruppen Sitzungen immer noch nicht." Und das war die Untertreibung des Jahrhunderts.

Er seufzte, "Du musst endlich anfangen mit anderen Menschen zu reden."
Was tat ich denn gerade mit ihm?
Ich hob eine Augenbraue, "Muss ich Das?"
"Jade!"

Ich verdrückte das letzte Stück und wischte mir die Finger ab.
"Warum? Ich hab doch dich?"
Er riss die Augen auf. "Außerdem Rede ich ständig mit Menschen. Das gehört zu meinem Job. Und jetzt hör auf dir wegen mir Sorgen zu machen und erzähl endlich! Hat er dich endlich gefragt?"

Enttäuscht ließ er die Schultern hängen, "Nein ich glaube er ist nur ein Freund."
Empört klappte mir der Mund auf. Seit Monaten ging das nun so. Quinn hatte einen Kollegen, der es ihm anscheinend wirklich angetan hatte. Aber immer wenn ich dachte das es endlich ernst zwischen denn beiden wird, machte einer von beiden einen Rückzieher.

"Ihr beide seid einfach unglaublich!"
"Wenn es nicht sein soll, dann soll es nicht sein!", sagte er.
"So ein Bullshit!", wütend legte ich die  Ellenbogen auf den Tisch. Es wurde endlich Zeit, das auch Quinn sein Glück fand.

Quinn grinste, "Wenn du das sagst."

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Hey!
Die Informationen zu Jades Amnesie sind nicht 100%  korrekt, da ich die Informationen lediglich aus dem Internet gezogen habe, und kein Doktor bin.

Shattered Where stories live. Discover now