Chapter 81

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Wir gehen eine halbe Stunde durch die ganzen Verletzten. Sie sind traumatisiert und das nur, weil sie auf ein kleines Festival gegangen sind. Ich weiss, es klingt hart, aber die Leute sind mir gerade schon verdammt egal. Ich will einfach Mira in den Arm nehmen können.
"Komm, wir fragen jetzt mal den Sanitäter da vorne. Der schaut aus, als hätte er einen Plan."
Amelie wartet nichtmal mehr auf eine Antwort meinerseits, sondern zieht mich zu ihm hin. Aber hätte ich überhaupt antworten können? Seit wir aus dem Backstage nach draussen sind, habe ich kein Wort gesprochen.
"Entschuldigung, wir suchen jemanden. Miriam Reuter?" spricht Amelie den Mann an.
"Sind Sie Angehörige?"
Soll das grad ein Scherz sein?
"Ja. Ihr Verlobter und ich bin eine gute Freundin."
"Okay, ich schau mal nach."
Er blättert in seinen Listen und sieht dabei ziemlich nachdenklich aus.
"Hier steht sie nicht drauf. Es kann natürlich sein, dass sie eine der ersten war, die ins Krankenhaus gefahren wurden. Das ist sehr wahrscheinlich. Der Rest ist nämlich schon hier auf der Liste."
"Können Sie sagen, in welchem Krankenhaus sie ist?"
"Also wenn sie nicht hier auf der Liste steht, kann sie denke ich eigentlich nur in der Uniklinik sein. Da wurden die ersten eingeliefert."
"Okay, vielen Dank."
Amelie zieht mich weiter weg und zieht ihr Handy raus.
"Ich google das jetzt mal und dann fahren wir da hin."
"Hoffentlich ist sie da."
"Bestimmt. Der war sich doch ziemlich sicher."
"Ja... Aber alleine, dass der gefragt hat, ob wir Angehörige sind. Weisst du, wir suchen jemand wild fremdes."
"Wincent, er macht nur seinen Job. Er muss das fragen."
"Trotzdem" murmle ich.
"Hier! Okay, wir laufen lieber da hin. Erstens muss der Verkehr frei bleiben und dann ist es auch nicht weit."

In dem Krankenhaus angekommen, rennen wir direkt zu dem grossen Tresen in der Notaufnahme.
"Guten Tag, wie kann ich helfen?" fragt die Frau freundlich.
"Ja hallo, wir suchen eine Frau. Sie muss hier vor höchstens einer Dreiviertelstunde eingeliefert worden sein."
"Ach ja, der Anschlag auf dem Festival?"
"Genau."
"Wir haben noch nicht alle Namen zusammen und ein paar sind gerade noch im OP. Wie heisst ihre Freundin denn? Zu viel darf ich Ihnen dann nämlich leider auch nicht erzählen.
"Miriam Reuter und das hier ist ihr Verlobter, wenn das hilft?"
"Ihr Verlobter?"
"Ja! Können Sie mir jetzt einfach sagen, ob meine Verlobte hier ist?!"
"Wincent" redet Amelie schon wieder auf mich ein.
"Schon gut" winkt die Frau ab "Also wie gesagt, wir wissen nicht alle Namen von den Patienten. Drei sind gerade im Schockraum. Ich kann ja da einmal fragen. Hätten sie vielleicht mal ein Foto?"
Ich hole mit zitternden Händen mein Handy vor und zeige ihr schnell mein Hintergrundbild.
"Die Brünette" sage ich nur knapp, da ja auch noch meine Schwester auf dem Bild ist.
"Okay.. die kommt mir tatsächlich bekannt vor. Warten sie kurz? Dann schaue ich mal im Schockraum. Kann ich ihr Handy kurz mitnehmen?"
Ohne nachzudenken gebe ich es ihr einfach und sie verschwindet.
"Wincent, du zitterst total. Setz dich mal bitte hin."
"Ich will mich nicht hinsetzen" murmle ich.
"Wincent, du setzt dich jetzt hin!"
Murrend bewege ich mich kein Stück, bis dann auch schon die Frau wiederkommt.
"Also, im Schockraum ist sie leider nicht, aber die Ärztin hat sie auch erkannt. Ihre Verlobte ist im OP."
Okay, jetzt muss ich mich wirklich setzen.
"Kann ich Ihnen etwas bringen?"
"Er muss sich nur kurz setzen. Ehm, können Sie sagen, wie es ihr gerade geht?"
"Ich nicht, aber auch der Arzt dürfte Ihnen nichts sagen."
"Was?! Wieso darf mir niemand sagen, wie es meiner Verlobten geht?!"
"Tut mir wirklich leid, aber Sie sind nicht verheiratet und verwandt auch nicht. Ich kann sie nur so weit beruhigen, dass es nicht allzu schlimm ist."
"Es würde noch dreieinhalb Stunden dauern, bis ihr Bruder hier ist."
"Sie müssten ihn trotzdem dazuholen. Sonst kann ich nichts weiter sagen."
"Okay, ich rufe ihn gleich an."
"Machen Sie das."
Amelie gibt mir mein Handy, was sie kurz zuvor der Frau wieder abgenommen hatte und ich gehe raus aus der Notaufnahme, um die Nummer meines Schwagers zu wählen.
"Wincent? Ist alles klar bei euch? Mira geht nicht ans Handy und ich hab das mit dem Anschlag gehört."
"Max, Mira liegt im OP."
"Was?"
"Kannst du kommen? Sie dürfen uns nichts sagen."
"Bin unterwegs!"
Dann hat er auch schon aufgelegt.
Ich gehe wieder rein und setze mich neben Amelie.
"Und?"
"Max ist unterwegs" murmle ich.
Ich schreibe ihm noch schnell, in welcher Klinik genau wir sind, und versuche dann, meine Nerven nicht komplett zu verlieren.

Die Zeit vergeht quälend langsam. Ich habe noch meiner Mum und Marco schnell geschrieben, dass Mira im OP ist, wir aber nichts weiteres wissen. Immer wieder spreche ich einen Arzt an, nur sagen die mir nichts.
"Wincent, Mira ist stark. Sie schafft das."
"Ich weiss, dass sie stark ist. Ich habe trotzdem Angst. Warum darf mir hier keiner etwas sagen? Sie ist meine Verlobte... Warum war sie überhaupt im Zuschauerraum?"
"Weiss ich gar nicht genau. Sie hat nur kurz über Funk Bescheid gesagt, dass sie rausgeht."
"Hey" kommt dann die Frau vom Empfang zu uns "Eigentlich dürfte ich Ihnen das gar nicht sagen, aber ich sehe Ihre Sorge. Ihre Verlobte ist jetzt aus dem OP raus. Soweit ich informiert bin geht es ihr soweit gut, nur steht sie immer noch unter Nakose. Aber wehe, Sie sagen irgendwem, dass ich Ihnen das erzählt habe."
"Gott sei dank" murmle ich lasse mich weiter auf meinem Stuhl zusammensacken.
Immer mal wieder wird jemand eingeliefert.

Nach weiteren drei Stunden, kommt dann Max mit Lena zusammen in die Notaufnahme gestürmt.
Ohne uns gross zu begrüssen gehen wir zu dritt zu einem Arzt und Amelie fährt wieder zum Gelände.
"Wie geht es meiner Schwester?"
"Beruhigen Sie sich. Wie ist ihr Name?"
"Max Reuter. Miriam Reuter. Wie geht es ihr? Was hatte sie?"
"Erstmal, dürfen alle Anwesenden das hören?" fragt er und deutet auf Lena und mich.
"Ja, ihr Verlobter und ihre Schwägerin dürfen das hören!"
"Also, machen sie sich erstmal keine allzu grossen Sorgen. Frau Reuter geht es soweit gut. Sie stand zum Glück nicht direkt bei der Explosion. Leider hat sie trotzdem ein paar Splitter abbekommen. Die mussten im OP entfernt werden. Soweit geht es ihr jetzt aber wieder gut. Wir haben sie stationär aufgenommen."
"Können wir zu ihr?" fragt Max weiter.

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