Chapter 59

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-SICHT MIRA-
Ich habe Wincent noch nie weinen sehen. Er ist nunmal nicht sehr nah am Wasser gebaut. Emotional ist er, aber das ist nie mit Tränen verbunden.
Die letzten zwei Wochen waren auch für mich der absolute Horror. So oft war ich kurz davor, ihn anzurufen. Vor allem in den letzten paar Tagen, wo wir uns näher waren, als er denkt.
Ich spüre, wie er tief ein und ausatmet. Auch ich geniesse gerade seine Nähe, obwohl ich wahrscheinlich doch noch etwas Zeit brauchen werde. Aber gerade spüre ich nach zwei Wochen wieder diese Wärme bei ihm, die ich wirklich vermisst habe und vor allem in den letzten Tagen auch gebraucht hätte... Nur war natürlich auch ich mal wieder ziemlich stur.
Langsam löst er sich leicht von mir und lehnt seine Stirn gegen meine. Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und legt seine Lippen sanft auf meine. Sofort schiesst das Bild in meinen Kopf und ich löse mich erschrocken.
"Tut mir leid... Dieses Bild... Ich..."
"Hey... Ich gebe dir die Zeit."
Wieso bin ich so verkrampft?
Wincent ist mir treu. Er will mich heiraten und mit mir eine Familie gründen und nicht mit ihr.
Am Nacken ziehe ich ihn wieder zu mir nach unten und küsse ihn. Kurz blinkt das Bild wieder auf, aber ich ignoriere es einfach so gut ich kann und versuche, mich fallen zu lassen.
Wincent erwidert meinen Kuss sanft und gefühlvoll, aber auch vorsichtig und zurückhaltend.
Seine Hände sind immer noch an meiner Taille platziert, während meine auf seinen Schultern liegen.
Langsam lösen wir uns dann aber doch wieder.
"Ich liebe dich" flüstert Wincent "Nur dich."
"Ich liebe dich auch" murmle ich gegen seine Brust.

Irgendwann gehen wir dann wieder rein, da es Anfang Mai abends dann doch immer noch etwas kühler ist.
"Soll ich Abendessen machen?" fragt Wincent.
"Du?"
"Ja, ich."
"Dann würde ich mal kurz duschen gehen."
"Okay."
Ich geh direkt unter die Dusche. Die letzten zwei Wochen waren verdammt anstrengend und die letzten paar Tage waren nochmal der reinste Horror. Somit ist das heisse Wasser gerade einfach nur angenehm. Ich kann komplett abschalten und entspannen.
Als ich fertig bin, trockne ich mich ab und creme mich ein, bevor ich mir eine kurze Shorts und ein lockeres Shirt anziehe.
Ich checke nochmal kurz mein Handy und antworte kurz, bevor ich dann zu Wincent in die Küche gehe. Er steht gerade am Herd und rührt in einer Pfanne. Ich stelle mich neben ihn und stütze mich auf der Kücheninsel ab. Das Chaos ist auch gar nicht so gross. In der Pfanne ist Gemüse und Reis, was sehr lecker aussieht.
"Ist fertig" schmunzelt Wincent dann leicht.
Er macht uns beiden etwas auf den Teller und stellt sie hin, während ich mir noch ein Glas Wasser nehme. Ich setze mich ihm gegenüber und wir fangen mit essen an.
"Wo warst du die Tage jetzt eigentlich?"
Eine Frage, die ich gehofft hatte, noch etwas hinauszuzögern zu können oder gar nicht beantworten zu müssen.
"Bei alten Bekannten. In Niedersachsen."
"Du hast da Bekannte?"
"Ja... Sie wollten schon lange mal, dass ich vorbeikomme und ich wollte einfach etwas raus aus Berlin. Der Kontakt ist jetzt aber nicht blendend."
Lügen tu ich ja nicht. Ich werde nur nicht genau.
Ich war in einer Kleinstadt in Niedersachsen bei Bekannten.
"Wie war es bei dem Jungen im Krankenhaus?"
"Das war der coolste Junge überhaupt. Er war voller Lebensfreude, obwohl er nicht mehr lange zu leben hat. Ich war dann auch noch ein paar Stunden bei den anderen Kids und wir haben gespielt und gesungen."
Ich weiss...
"Klingt ja lustig."
"Hm... Hat wirklich Spass gemacht."

Ich liege schon im Bett, als Wincent auch ins Schlafzimmer kommt. Er ist sich sichtlich unsicher. Trotzdem konzentriere ich mich erstmal weiter auf den Chat. Er kramt noch etwas im Schrank, bevor er sich dann auch ins Bett legt und noch auf sein Handy schaut.
Okay, ich halte diese komische Stimmung nicht mehr aus.
Ich lege mein Handy auf den Nachttisch und sehe zu Wincent, welcher mich eh schon die ganze Zeit beobachtet.
"Können wir einfach wieder normal sein?" frage ich "Diese komische Stimmung ist unerträglich und macht mich einfach verrückt."
Kaum habe ich ausgesprochen, da zieht Wincent mich schon fest in seine Arme. Ich kuschle mich noch enger, wenn das überhaupt geht, an ihn heran und atme seinen Duft ein. Meine Augen schliesse ich, während er mir über den Rücken streichelt und sanfte Küsse auf meinen Kopf haucht.

Die Zeit vergeht schon fast wie im Flug. Wir arbeiten, planen entspannen auch mal und proben für die Festivals, welche dann jetzt Anfang Juni auch beginnen.
Die Stimmung zwischen Wincent und mir hat sich immer mehr gelockert. Bei seinen Küssen habe ich auch nicht mehr dieses Bild im Kopf. Geschlafen haben wir noch nicht miteinander. Ich finde es aber schon süss, dass er mir die Zeit gibt. Dabei bin ich ihm kein Stück sauer mehr. Ich hätte ihm auch schon früher zuhören können. Er hat sie eben nicht geküsst. Da war mir mein Sturkopf nur mal wieder im Weg.
Bevor die Festivals in zwei Wochen anfangen, wollen wir nochmal für ein paar Tage in den Norden. Zum einen, um Angela und Shay zu besuchen und zum anderen, um uns ein paar Häuser anzusehen, die zu Verkauf stehen. Wir haben gleich eingeplant, dass wir dort auch Kinder bekommen können und so fiel unsere engere Auswahl auf Häuser mit bis zu drei Schlafzimmern, Terrasse und grossem Garten.
"Wincent, hast du schon deine Sachen gepackt?" frage ich raus auf den Balkon, wo er gerade in der Sonne sitzt.
"Kannst du das nicht machen" jammert er.
"Vergiss es, ich muss noch kurz ne Mail schreiben und wollte das Gemüse, was wir noch haben verkochen, damit das nicht gammelt."
"Ich geh ja schon packen" murrt er und steht auf.
Kopfschüttelnd gehe ich ins Arbeitszimmer und setze mich an den Schreibtisch. Parallel zu meinem Laptop öffne ich die Papiere und gebe alle Infos weiter.
Zwanzig Minuten später kann ich alles wieder wegräumen und gehe in die Küche.
Ich habe echt keine Lust, dass das komplette Gemüse und so gammeln, während wir weg sind, also koche ich einfach was draus und friere es dann ein.
"Kann ich dir irgendwie helfen?" steht Wincent dann auch in der Küche.
"Fertig gepackt?"
"Ja" verdreht er die Augen "Also, was soll ich machen?"
"Du kannst mal die Zwiebeln schälen und schneiden."
"Du willst doch auch, dass ich heule."
"Dann nimm nen Schluck Wasser in den Mund."
"Und das hilft?"
"Hab ich zumindest mal gehört."

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