Kapitel 45 - Fäden - die sich zu verweben beginnen - Teil 4

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Am Vormittag des nächsten Tages stieg Bahe angespannt aus seiner U-Bahn aus. Die schlechten Nachrichten des gestrigen Abends machten ihm immer noch zu schaffen. Auch Li Bang Tuo hatte ihm gesagt, dass er nicht mehr helfen könne, obwohl er gerne wollte. Doch zu allem Überschuss hatte er von seiner Großmutter gehört, dass sie immer noch Probleme hatte das angelegte Geld zu bekommen.

Das Ganze hatte diese unterschwellige Panik, die er ununterbrochen empfand, wieder hochkochen lassen. Es wurde langsam gefährlich für seine Mutter, sie konnten nicht mehr viel länger mit der Operation warten!

Abgesehen davon, hatte er natürlich auch noch ordentlich etwas zu hören bekommen, wieso er erst mitten in der Nacht wiedergekommen war. Sogar sein Großvater, der im Laufe des Tages entlassen worden war, hatte sich daran beteiligt. Letztlich hatten sie ihm sogar verboten, ein weiteres Mal nach Dazu zu fahren. Aber was hätte er da auch schon gewollt? Jetzt, da sich die Reise nach Dazu als reine Zeitverschwendung heraus gestellt hatte...

Der restliche Abend war schnell vorbei gewesen. Nach der Standpauke hatte er sich schnell in sein Schlafzimmer zurück gezogen und die Nacht mit Raoie verbracht.

Selbst im Spiel war er immer noch viel zu aufgebracht gewesen, als dass ihm wirklich viel gelungen wäre. Aber wenigstens hatte es zur Ablenkung gedient.

Heute Morgen war er in seiner ganzen Verzweiflung wieder in der Realität angekommen und hatte nicht gewusst was er tun sollte.

Er hatte sich angezogen und dabei zufällig die zerknitterte Visitenkarte des Anwalts in seiner Hosentasche gefunden, dem er in Dazu geholfen hatte.

Eine Zeit lang hatte er nur da gestanden und auf die Karte geschaut.

Letzten Endes hatte er sich dann in Bewegung gesetzt und war hierher gefahren, ganz in die Nähe der auf der Karte angegebenen Adresse.

Bahe wusste selbst nicht, was er sich davon versprach. Es war im wahrsten Sinne des Wortes eine Verzweiflungstat.

Mit gesengtem Kopf ging er durch die Straßen Dadukous, gesäumt von den vielen Hochhäusern der Innenstadt und kam schräg gegenüber der Adresse zum Halten. Auf der anderen Seite prangte an einem Wolkenkratzer, auf Höhe des zweiten Stockwerks und nochmal weit oben in der Luft, der Name der Kanzlei, Chen Law Firm.

So wie es aussah handelte es sich wohl um ein verdammt erfolgreiches Unternehmen.

Bahe starrte eine Weile hinüber und wusste nicht so recht, was er als nächstes tun sollte. Hinüber gehen und diesem Anwalt guten Tag sagen?

He, wohl kaum.

Abgesehen davon, dass die Idee lächerlich war, hatte er ihm ja sowieso schon mitgeteilt, dass es keine Möglichkeit gab, Bahes Familie zu helfen.

Genauso wie gestern der Polizist...

Wahrscheinlich machten ihm auch seine Großeltern was vor. Anfangs war Bahe regelrecht euphorisch gewesen, als er erfahren hatte, dass seine Großeltern noch Geld für seine Universitätsausbildung zurück gelegt hatten. Doch im Nachhinein war er skeptisch geworden. Sein Großvater hatte nie viel verdient.

Und gestern Abend wirkten die beiden viel zu verzweifelt, als dass es nur an einer Bank liegen könnte, die kein Kapital hergeben will. Natürlich hatten sie versucht es zu überspielen. Aber in dem Moment war Bahe klar geworden, dass sie wahrscheinlich nur ihm zu Liebe gelogen hatten.

So, wie er es selbst nicht ertrug seine Mutter ohne Hilfe im Krankenhaus zu sehen, ertrugen es seine Großeltern nicht ihn für eine Behandlung schuften oder auch nur hoffen zu sehen.

Ah... seine Mutter... er hatte sie in den letzten Tagen kein einziges Mal mehr besucht. Bahe beschloss sie aufzusuchen, sobald er wieder einen klaren Kopf hatte.

Die Legende vom Elementflüsterer - Band 1 + 2Donde viven las historias. Descúbrelo ahora