Kapitel 94 - Der Aufmarsch - Teil 2

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Zwei Stunden später stand Magnifus mitsamt seiner Gildenmitglieder auf der linken Seite des nördlichen Endes des Dorfes. Während Trullus seinen zusammen gewürfelten Haufen auf der rechten Seite positioniert hatte. Nach viel hin und her standen sie endlich in halbwegs akzeptablen Reihen.

Nach Absprache mit den NPCs standen die Soldaten, als auch die ausgewählten Soldaten der Fürsten von Trachtenburg und Waldenstadt in der Mitte und sollten immer dort zu Hilfe eilen, wo sie benötigt wurden.

Hinter den einfachen Befestigungen zwischen den Dorfhäusern standen hauptsächlich die kampftauglichen Dorfbewohner. Spärlich bewaffnet mit Messern, die sie an Besenstilen befestigt hatten und dergleichen. Angeführt wurden sie von einigen Bogenschützen oder Magiern die den Truppen Trullus entstammten. Die dahinter stehenden Heiler entstammten wiederum der Spirits of Dawn-Gilde.

Auch, wenn es Magnifus eigentlich widerstrebte das Kommando an irgendeiner Stelle des Schlachtfeldes abzugeben. Irgendwie hatte er sich mit Trullus arrangieren müssen. Sollten sich die Magier in irgendeiner Art und Weise als untauglich erweisen, waren ja zumindest seine Heiler noch anwesend. Und letztlich dienten die Dorfbewohner ja nur dazu, Verletzte aus dem Gefecht zu holen. Wohlgemerkt streng nach dem Prinzip, dass sie nicht zu Schaden kamen. Das hatte er den verantwortlichen Spielern sorgfältig eingetrichtert.

Trullus war zunächst außer sich gewesen, weil er nicht nachvollziehen konnte, wieso er die NPCs, deren Überleben über den Erfolg ihrer Quest entschied, solch einer Gefahr aussetzte. Doch Magnifus war anderer Meinung. Bei annähernd dreitausend Goblins, die sich organisiert verhielten, musste er sich jeder Hilfe bedienen, die er kriegen konnte. Verletzte Spieler konnten dank Heiler oder Heiltranks wenig später wieder am Geschehen teilnehmen, selbstverständlich nur solange, wie sie auch die Zeit bekamen sich zu erholen. Stellte er dafür extra Spieler ab, würden ihnen diese im Kampf fehlen. Bei einer Übermacht, die fünfmal so groß war, wie die eigenen Streitkräfte, wäre dies mehr als töricht.

Trotz allem war sich Magnifus immer noch nicht sicher, ob sie für die Quest der Schwierigkeitsstufe C wirklich gut genug gerüstet waren. Es gab einfach viel zu viele Unwägbarkeiten. Er wusste viel zu wenig über seine Gegner, was ihm so gar nicht in den Kram passte...

Ein leises Dröhnen riss ihn plötzlich aus seinen Gedanken und auch die Spieler um ihn herum wurden nach und nach auf die ungewöhnliche Geräuschkulisse aufmerksam. Das Dröhnen wurde lauter und verwandelte sich nach und nach in das Geräusch von tausenden von Schritten, die über das blanke Felsgestein des Belungegebirges widerhallten.

Aufgeregtes Gemurmel machte sich in den Reihen der Spieler auf beiden Seiten breit. Einzig die Soldaten in der Mitte schwiegen.

Magnifus blickte nach vorne auf den nördlichen Hang, der als einziger für einen Angriff auf das Dorf geeignet war. Alle anderen waren zu steil, um das Aufmarschieren und den Angriff einer Armee zu erlauben und tatsächlich, wenig später tauchten die ersten Figuren auf eben diesem Hang auf.



Kaiwen starrte, wie alle anderen, angespannt hinauf. Ganze achthundert Meter weit entfernt und circa zweihundert Höhenmeter weiter oben strömten Goblins an den Rand des Felshanges und gaben sich in klaren Angriffsreihen zu erkennen. Nichts deutete darauf hin, dass es sich um unorganisierte Monster hielt.

Dies hier war eine Armee.

Eine Armee, die zum Töten gekommen war.

Vor grausiger Ehrfurcht breitete sich eine Gänsehaut auf Kaiwens Körper aus, als sie die Anzahl der Kreaturen zum ersten Mal mit eigenen Augen erblickte.

Verdammt, sie hatte schon viele Fantasy-Filme gesehen, aber nichts kam der Situation gleich, wahrhaftig vor solch einer Streitmacht zu stehen. Sie ertappte sich dabei, wie sie bereits zwei Schritte zurück gegangen war, ehe sie sich straffte, die Augen schloss und schnell ihre Fähigkeit Allsicht aktivierte. (Autor: Ich habe hier den Namen der Fähigkeit „Weitsicht" zu „Allsicht" geändert, da dies besser passt. Frühere Kapitel werden demnächst überarbeitet.)

Wenn sie schon hier war und solch eine Schlacht miterlebte, konnte sie diese zumindest auf anständige Art und Weise festhalten. Ein profitgieriges Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie begeistert daran dachte, welche großen Fortschritte sie in dieser Fähigkeit in den letzten Wochen erzielte hatte. All das nur für einen solchen Moment.

Ihr Sichtfeld zoomte regelrecht an die Arme der Goblins heran, während diese immer noch im Begriff waren sich vernünftig in Position zu bringen. Nach und nach verschob sie ihr Sichtfeld und führte es wie in einer Kamerfahrt von rechts nach links. Zwischendurch verlangsamte sie den Prozess, um die gehässigen Fratzen der Goblins einzufangen, ehe sie wieder Fahrt aufnahm und anschließend die Arme durch ein Rauszoomen im Ganzen betrachtete.

„Hehe... Jackpot!", murmelte sie und unterbrach ihre Fähigkeit. Tief einatmend verschnaufte sie und checkte schnell ihr Mana. Die Fähigkeit aufrecht zu erhalten, strengte sie bei der Weite ordentlich an, schließlich war die Menge an Mana nicht zu vernachlässigen, die sie in solch eine Aktion steckte. Zwei Drittel ihres Mana, waren nach kaum dreißig Sekunden verbraucht.

Schnell entkorkte sie ein Fläschchen aus ihrem Speichergegenstand und schüttelte den Inhalt ihre Kehle hinab.

„Bäh...", angewidert schüttelte sie sich und checkte kurz ihre Charakterprofil. Ihr Mana sollte in einigen Minuten wieder voll hergestellt sein. Trotzdem war ihr das eigentlich noch zu langsam. Sie konnte nur hoffen, dass es bald Tränke geben würde, die die Manaregeneration erheblich stärker beschleunigen würden als die bisher bekannten.

Aber immerhin würde die Wirkung der verbesserten Manaregeneration eine Weile anhalten.

„Ähm... Angel Eye...", begann eine Spielerin, die mit Kaiwen hinter den Barrikaden des Dorfes stand vorsichtig.

„Ja?", fragte Kaiwen, von der Spielerin direkt genervt. Schließlich lenkte diese sie gerade von der aktuellen Situation ab.

„War das gerade ein Manaregenerationstrank?"

„Ja", antwortete Kaiwen schlicht und wollte sich wieder der aufmerksamen Beobachtung widmen, als die Spielerin abermals störte.

„Aber das Fläschchen hatte doch eine silberne Farbe..."

„Und?"

„Aber nur Tränke des Silber-Ranges haben solch eine Farbe..."

„Ja, und?", verdrehte Kaiwen die Augen und schaute anschließend die Spielerin entnervt an.

Diese bekam zunächst große Augen, konnte letztlich aber nur stottern: „Ähm... nichts... nichts..."

Kaiwen nickte nur belustigt und widmete sich wieder ihrer Beobachtung.

Natürlich wusste sie, wieso die Spielerin sie so verdattert ansah. Schließlich kostete ein Trank des Silber-Ranges zurzeit noch locker hundertfünfzig Silbermünzen. Aber wieso all diese Spieler immer so sehr davon zurückschraken ihr Einwegartefakte auch zu benutzen... Es war ihr schon immer ein Rätsel gewesen.

Ihr mangelte es nicht an Geld, dafür hatte Trullus mehr als gesorgt. Und wer wäre sie denn schon, wenn sie seine netten Gesten einfach so ablehnen würde?

Apropos Trullus, Kaiwen bemerkte gerade, wie sich dieser vor seinen Truppen aufbaute und aktivierte prompt wieder ihre Fähigkeit, um das Geschehen einzufangen.




Teil 2/2!

RiBBoN

Die Legende vom Elementflüsterer - Band 1 + 2Hikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin