Kapitel 55 - Meister...? - Teil 2

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Enttäuscht kam Bahe am Tor des Chin-Anwesens an. Ein Blick zurück bestätigte ihm, dass er keine Hoffnung hegen sollte, niemand war da. Schließlich hatte der Trunkenbold ihn gerade erst davon gescheucht.

Bahe war lieber schnell verschwunden, als er bemerkte, wie der Kerl seine eigene Tochter zu Boden schubste. Hatte er sich so sehr in seinem Urteil geirrt?

Na ja... Wenn er ehrlich mit sich war, kannte er diesen Baihu gar nicht. Er hatte ihn im besoffenen Zustand kennen gelernt und es waren nur seine Kampfkünste gewesen, die Bahe ursprünglich dazu bewogen hatten sein Schüler zu werden.

So hart es auch klang, vielleicht war es besser so?

Seufzend betrat er die Straße und das Tor schloss automatisch hinter ihm. Egal wie lange er sich in seiner Niedergeschlagenheit suhlte, was machte er jetzt?

Die Kampfsportschulen in der Gegend waren allesamt zu teuer für ihn und seine Familie. Die Operation und die Reha-Behandlungen seiner Mutter konnten durch den gesamten Betrag vom Verkauf des Anwesens als auch vom Verkauf seines Accounts jetzt bezahlt werden. Aber danach war einfach nichts mehr über...

Vielleicht gab es in der Schule irgendeine AG, die sich mit Kampfsport beschäftigte?! Dachte Bahe mit einem Mal ganz aufgeregt über seinen Einfall.

„...he..."

Plötzlich hielt Bahe inne. Hatte da gerade jemand seinen Namen gerufen?

„...ahe!"

Es klang weit weg, aber auch verdächtig nach seinem Namen... Verwirrt blickte er sich um, auf der Straße war nirgends jemand zu sehen.

„Warte, Bahe!", rief eine weibliche Stimme und Bahe konnte diesmal ausmachen, dass die Schreie vom Grundstück der Chins kamen, welches bereits ein paar Meter hinter ihm lag.

Was wollte Huilan von ihm? Fragte Bahe sich skeptisch.

Mittlerweile glaubte er nicht mehr dran, dass sich ihr Vater es nochmal anders überlegt hatte...

Trotzdem ging er die paar Schritte zurück und sah, durch das inzwischen wieder offene Tor, wie Huilan auf ihn zugerannt kam und ein paar Meter vor ihm stehen blieb.

„Bahe, es tut mir Leid...", fing Huilan ein wenig außer Atem an. „Mein Vater war nicht immer so..."

„Ist schon gut", meinte Bahe nur, der bemerkte, wie unangenehm es dem Mädchen war, ihren Vater verteidigen zu müssen.

„Nein, ist es nicht!", entgegnete sie. „Mein Vater hat dir in Aussicht gestellt dich zu trainieren und ich hatte schon Hoffnung, dass es ihn endlich aus diesem Mist mit dem Alkohol retten würde, aber..."

Bedrückt brach sie ab und blickte für einen Moment zu Boden, ehe sie fortfuhr: „Ich schweife ab. Also, mein Vater hat ja einige Leute trainiert... und... was ich dich eigentlich fragen wollte... Wofür willst du Kampfsport erlernen? Und wieso hast du dich ausgerechnet an meinen Vater gewandt?"

„Na ja... es war mehr ein Zufall, als alles andere, ihm im Park zu begegnen. Die Kampfsportschulen verlangen von mir ein Vermögen, da ich europäischer Herkunft bin und das kann sich meine Familie nicht leisten. Von daher...", erklärte er die zweite Frage zuerst. „Und wieso will ich Kampfsport lernen... Auf der einen Seite schlicht weg, um mich vernünftig verteidigen zu können. Es waren eine Zeit Schlägertrupps hinter mir und meiner Familie her und alles was ich tun konnte, war mich zusammenschlagen zu lassen, wenn ich ihnen begegnete. Ich möchte mich nie wieder so hilflos fühlen... Auf der anderen Seite, gibt es da ein besonderes Online-Spiel, bei dem es möglich ist, seine Fähigkeiten aus dem realen Leben in das Spiel zu übertragen. Im Spiel kann man dadurch enorme Vorteile erlangen."

„So, so... Du bist also ein Nerd?", meinte Huilan mit hochgezogenen Augenbrauen. Doch ihr belustigter Tonfall ließ erkennen, dass sie ihre Aussage nicht wirklich ernst meinte. „Deinen ersten Grund kann ich verstehen, den Zweiten zugegebener Maßen weniger. Aber was, wenn ich jemanden kennen würde, der dich eventuell trainieren könnte?"

Bahe traute seinen Ohren kaum bei der erfreulichen Nachricht.

„An wen hast du gedacht?!", fragte er aufgeregt.

„Nun... wenn es dir nur darum geht, dass du lernst, wie du dich verteidigen kannst..."

„Ja?"

„Nun, dann würde ich mich anbieten dich zu trainieren...", meinte Huilan kleinlaut.

„...", Bahe blickte sie verblüfft an.

„Und, was sagst du?", fragte Huilan unsicher, ob Bahes fehlender Reaktion.

„Ähm...", räusperte sich Bahe. „Du meinst das ernst, du wirst mich trainieren?"

„Wenn du das willst...?", ließ Huilan ihren Satz zu einer Frage ausklingen und erklärte: „Mein Vater hat mich trainiert seitdem ich drei Jahre alt war. Bis er mit dem Trinken angefangen hat, habe ich jeden Tag mit ihm trainieren müssen... Glaub mir, wenn ich dir sage, dass ich mehr als genug weiß, um einen Anfänger in Selbstverteidigung und Kampfsporttechniken unterrichten zu können."

Bahe konnte fast nicht glauben, welche Situation sich da vor ihm auftat, aber wer wäre er denn hier nein zu sagen?!

„Natürlich will ich!", rief Bahe begeistert aus, kniete sich hin und vollzog den Kotau, um seiner Meisterin alle Ehre zu erweisen. „Meisterin!"

Ein helles Lachen ertönte, ehe Huilan sich an ihn wandte: „Lass den Quatsch und steh auf, du bist doch viel älter als ich."

„Auch, wenn du jünger bist, es gehört sich seiner Meisterin Ehre zu erweisen", meinte Bahe, stand aber auf.

„Nun, immerhin hat du gute Vorsätze", grinste Huilan.

„Natürlich, Meisterin!"

„Bitte... ich bin erst vierzehn... wenn du mich weiter Meisterin nennst, komm ich mir uralt vor. Nenn mich einfach Huilan."

„Sehr wohl, Huilan."

„Und lass dieses geschwollene Gequatsche!"

„Wie du wünscht, Huilan!"

„..."



Na, konnte ich noch jemanden mit dieser Lösung überraschen?

Hoffentlich hat es euch gefallen! :)

Zudem bin ich grade richtig stolz, in den letzten Tagen wurde die 3000 Reads Marke geknackt! Hurra! :D

Vielen Dank für euer eifriges Lesen!

RiBBoN

Die Legende vom Elementflüsterer - Band 1 + 2Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora