Kapitel 49 - Der Läufer - Teil 4

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„Stimmt, davon habe ich auch schon gehört", meinte der Dritte.

Ein Verrückter der um Waldenstadt rennt? Jetzt hatten sie ihre Aufmerksamkeit, dachte Kaiwen interessiert.

„Wie, da rennt einer um die Stadt?", fragte der erste verwirrt.

„Es ist, wie ich sagte. Dieser Bekloppte rennt jeden Tag um die Stadt, als sei irgendein Dämon hinter ihm her, heißt es."

„Als ob."

„Doch, es ist wirklich so", klärte der Dritte den Ersten auf. „Ich habe ihn vorgestern, um die Stadt laufen sehen, als ich von den Wildwurzelkaninchen zurück kam. Auch, wenn ich nicht wirklich sagen kann, dass er wie ein Wahnsinniger rennt. Er läuft eher wie ne lahme Schnecke."

„Ein Spieler?", fragte der Erste

„Das weiß ich nicht so genau. Es nervt wirklich, dass man die Fähigkeit Überprüfen nach Level 5 verliert... Persönlich glaube ich, dass es ein NPC ist. Welcher Spieler will schon seine Spielzeit damit verschwenden, täglich die gleiche Strecke auf und ab zu rennen?", meinte der Dritte.

„Wenn du dich jetzt vor die Stadttore stellst, kannst du den Bekloppten wahrscheinlich wieder bei seiner stumpfsinnigen Aktion beobachten", schloss sich der Zweite an.

„Nee, lass mal", winkte der Erste ab. „Ich trinke lieber in Ruhe mein Bier."

Die anderen Beiden nickten, bis der Zweite etwas später fragte: „Sagt mal, wollen wir später einen der Trainingsplätze aufsuchen?"

Den Themenwechsel nahm Kaiwen zum Anlass ihre Fähigkeiten zu deaktivieren und dachte nach. War ein Irrer, der jeden Tag um Waldenstadt rannte, für ihren Boss Aufhänger genug? Zumindest einen Versuch war es wert.

Sie bezahlte schnell und begab sich außerhalb der Stadtmauern. Im Süden bestieg sie eine Hügelkette, von der sie die umliegende Gegend gut überblicken konnte und setzte sich ins Gras.

Jetzt hieß es wohl warten.

Im Laufe der nächsten fünfzehn Minuten verließen eine Menge Spieler die Stadt, um sich zu den Jagdgebieten mit den moderat gefährlichen Monstern aufzumachen. Meistens handelte es sich um Trupps von fünf bis sechs Leuten. Zwei, drei Nahkämpfer zum Blocken der Monster, ein Magier und ein Fernkämpfer, um Schaden zu verursachen und ein Priester für die Heilung der Verwundeten, waren die üblichsten Aufstellungen.

Kaiwen schüttelte dabei immer nur den Kopf. All diese Spieler hatten immer noch nicht begriffen, dass Raoie nicht den gleichen Regeln folgte, wie die üblichen MMORPG. In Raoie verhielten sich die Monster nicht wie dumme Kreaturen, deren Aggressivität erst ab einem gewissen Radius oder Schadenswert ausgelöst wurde.

Die Kreaturen griffen keineswegs nur die Nahkämpfer an. Sobald der erste Pfeil oder magische Angriff eine Kreatur traf, tat diese im Normalfall ihr Möglichstes, um die Quelle dieser Schmerzen auszulöschen. Nahkämpfer, denen sie ausweichen konnten, stellten für die Kreaturen Raoies meist kein großes Problem dar.

Kaiwen hatte schon so oft erlebt, wie eine Unzahl an Spielern verreckt war, nur weil sie an ihren alten Spielvorstellungen festhielten.

Nach zwanzig Minuten der Warterei hätte Kaiwen vermutlich schon aufgegeben, wenn nicht eine große Anzahl an Spielern plötzlich aus dem Stadttor getreten wäre.

Die Spieler verteilten sich an der Stadtmauer entlang. Manche setzten sich, andere lehnten sich nur an die Mauer. Verblüfft hielt Kaiwen inne. Die Stadttorwachen schienen sich an dem Menschenauflauf hingegen nicht weiter zu stören. Wahrscheinlich waren sie schon weit Merkwürdigeres gewohnt.

Die Legende vom Elementflüsterer - Band 1 + 2Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang