Kapitel 84 - Hinterhalt - Teil 1

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„Oberst Allos, unsere aktuelle Lage hat sich aufgrund bedenklicher Neuigkeiten erheblich verschlechtert."

„Erläutern sie das."

„Meine Soldaten haben im Wald Spuren von einem Trupp Goblins gefunden, die selbst ein einzelnes Ziel nicht angegriffen haben. Zudem befinden wir uns noch circa sechshundert Höhenmeter unter ihren normalen Jagdgebieten."

„Sie haben recht, das hört sich nicht gut an, Hauptmann. Warten sie einen Augenblick, ich hole Brigadegeneral Bartas dazu."

„Brigadegeneral Bartas, Hauptmann?", staunte Selm nicht schlecht.

„Hmmm... das sollte euch Männern verdammt noch mal zu denken geben", nickte Hauptmann Pero grimmig und ein Raunen ging durch die anwesenden Soldaten.

„Hauptmann Pero? Brigadegeneral Bartas hier, wo genau befinden sie sich zurzeit?"

„Etwa drei Tagesmärsche vom Dorf Belu entfernt."

„Gut, marschieren sie auf schnellsten Weg dorthin, beschützen sie die Bevölkerung und verschanzen sich dort. Ich veranlasse augenblicklich, dass ihnen Verstärkung geschickt wird. Leider haben wir nur geringe Reserven in unmittelbarer Umgebung. Eventuell werden wir ihnen vorerst Söldner schicken müssen. Was auch immer sie tun, greifen sie den Stamm nicht an. Nach neusten Erkenntnissen meiner Quellen könnte der Stamm inzwischen Bataillonsgröße angenommen haben. Das sich die Jagdgebiete der Goblins bereits bis zu ihnen ausgebreitet haben, scheint diesen Verdacht nur noch zu verhärten. Haben sie ihre Befehle verstanden?"

„Jawohl, Brigadegenaral."

„Gut, vergeuden sie keine Zeit und Hauptmann Pero..."

„Ja, Brigadegeneral?"

„Halten sie durch."

„Zu Befehl, Brigadegeneral!", rief Hauptmann Pero, ehe das Leuchten des Kristalls abebbte und sich eine merkwürdige Stille über das Lager legte.

Bahe war so sehr von den unheilvollen Neuigkeiten in den Bann gezogen worden, dass er gar nicht gemerkt hatte, wie inzwischen der gesamte Zug der Soldaten anwesend war und dem Gespräch gelauscht hatte.

„Ihr kennt mich, Männer!", rief Hauptmann Pero plötzlich aus. „Ich verabscheue Heimlichtuerei. Unser Auftrag war es, das Dorf Belu zu sichern und zu überprüfen, was dem Dorf Unga wiederfahren ist. Vor zwei Wochen ist jegliche Kommunikation mit Unga abgebrochen. Die letzten Berichte deuteten auf Angriffe von Goblins hin. Doch scheinbar haben unsere Befehlshaber die Lage unterschätzt. Wir sind mitten in das Territorium eines großen Goblinstammes marschiert. Unser Befehl hat sich daher geändert. Wir müssen so schnell es geht das Dorf Belu erreichen. Ab sofort gilt den gesamten Tag über höchste Alarmbereitschaft. Ich will, dass jeder von euch in zwei Minuten abmarschbereit ist. Macht euch auf einen Gewaltmarsch gefasst. Wir werden unsere Laufgeschwindigkeit soweit es geht erhöhen müssen. Ist das klar?"

„Jawohl, Hauptmann!", schrie die versammelten Soldaten, die mit jedem Satz ihres Hauptmannes mehr Haltung angenommen hatten.

„Worauf wartet ihr dann noch? Wegtreten!"

„Jawohl!", riefen die Soldaten ein weiteres Mal aus und zerstreuten sich plötzlich in alle Richtungen.

Die Stimmung im Lager hatte sich augenblicklich gewandelt. Die Soldaten gingen ihrem hektischen Treiben mit einer solchen Ernsthaftigkeit nach, dass sich Bahe zunächst merkwürdig fehl am Platz fühlte.

Die Zelte ließen die Soldaten schlicht weg stehen und packten ihre Taschen nur mit dem Nötigsten. Kaum zwei Minuten später versammelte sich der gesamte Zug der Soldaten in voller Montur am Rand des Lagers. Irgendjemand hatte scheinbar Verhat Bescheid gegeben. Streitlustig oder nicht, letztlich war er ein Soldat und war schleunigst dazu gekommen.

In fünf Reihen von je zwölf Soldaten stand Bahe zusammen mit den Männern der Armee in Formation und wartete auf die Befehle des Hauptmanns. Es war ein eigenartiges Gefühl so plötzlich Teil von etwas viel Größerem zu sein.

„Verhat und Selm, ihr werdet für die gesamte Reise als Späher fungieren. Kundschaftet die beste Route aus. Achtet darauf, dass wir Deckung haben. Solange wir was sehen können, werden wir im Höchsttempo marschieren. Ich verlasse mich auf euch, dass ihr einen geschützten Ort für die Übernachtung findet, da wir die Zelte hier lassen müssen", rief Hauptmann Pero, als er vor Bahe und die Soldaten trat.

„Jawohl, Hauptmann!", riefen Verhat und Selm wie aus einem Mund, lösten sich aus der Formation und verschwanden wenig später hinter den ersten Ausläufern des nahen Waldes.

„Männer, aufgrund des Terrains werden wir die Formation ändern müssen. Die Wege werden bald immer schmaler werden. Es gefällt mir zwar nicht, aber wir werden eine lange Zweierreihe bilden. Die Veteranen übernehmen nach mir das Kommando, falls wir auf Widerstand stoßen sollten. Veteran Mats ans hintere Ende der Reihe."

„Zu Befehl, Hauptmann!"

„Veteran Helmut, du übernimmst die Mitte."

„Sehr wohl, Hauptmann!"

„Veteran Herold, du kümmerst dich um unseren Neuzugang, Anael. Ich übernehme die Spitze."

„Zu Befehl, Hauptmann!", rief ein Mann der älter als der Hauptmann wirkte und kam auf Bahe zu.

„So ihr hab es gehört, Männer. Aufstellung!"

Während die Soldaten sich in einer Zweierreihe formierten, packte der Veteran Herold Bahe an der Schulter und zog ihn mit sich in den vorderen Teil der Reihe.

„Wir hatten bisher noch nicht das Vergnügen", meinte dieser mit einem Grinsen, als sie nebeneinander in der Formation standen. „Herold Kerber, ich bin schon Soldat unter Hauptmann Pero solange ich denken kann."

„Anael Lerua", nickte Bahe knapp.

„Soldaten! Im Laufschritt Marsch!", ertönte es plötzlich von Vorne und nach und nach setzten sich die Männer in Bewegung. Bahe verzog nur grimmig die Miene, als ihm klar wurde, dass er die restliche Strecke wohl im Joggen zurück legen würde.

„Weißt du was deine Aufgabe ist, Anael?", fragte Herold ihn.

„Ähm...", überlegte Bahe.

„Du behältst die linke Seite des Zugs im Auge", half Herold ihm aus. „Ich übernehme die Rechte. Falls wir angegriffen werden, stellen wir uns mit dem Rücken aneinander. Soweit klar?"

„Sicher", antwortete Bahe.

„Gut", meinte Herold. „Du musst dir keine Sorgen machen. Auch wenn es nicht so aussieht. Wir sind ein verdammt zäher Haufen. Wir werden nicht umsonst so oft mit Hauptmann Pero auf schwierige Aufträge geschickt."

„Soll mir das Mut machen?", grinste Bahe fragend.

„So war es gedacht", lachte Herold. „Aber scheinbar war es nicht nötig."

Belustigt schüttelte Bahe nur den Kopf, der alte Soldat schien in Ordnung zu sein.

In der nächsten Spieleinheit war es wie immer noch dunkel, als Bahe am Morgen den Zauber Steinhaut trainierte, eine Fähigkeit des Erdelements. Seine Hoffnung war, dass er diesen vielleicht in einem Kampf einsetzen konnte, schließlich war eine verbesserte Verteidigung immer von Nutzen.

Doch die Soldaten wachten diesmal viel früher auf und Bahe musste seinen ersten Erfolg versprechenden Versuch im letzten Moment abbrechen. Zähneknirschend machte er sich mit den Soldaten ein weiteres Mal auf in Richtung des Dorfes Belu. Laut des Hauptmanns sollten sie es noch am Nachmittag erreichen, was wenigstens ein kleiner Lichtblick war.

Trotz der angespannten Situation verlief bisher alles glatt und sie kamen unbehelligt voran. Doch nach zwei Stunden erklang plötzlich ein Schmerzensschrei mitten unter ihnen. Und dann... brach das Chaos los.



Teil 2/2! Bis spätestens Donnerstag!

RiBBoN

Die Legende vom Elementflüsterer - Band 1 + 2Where stories live. Discover now