Kapitel 52 - Nachwirkungen - Teil 1

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Gute zwei Stunden nach Bahes bedeutsamen Gespräch mit den beiden Männern in der U-Bahn, befand er sich schon mit seinen Großeltern und den, inzwischen schlafenden, Geschwistern im Warteraum der Spezialklinik.

Die Kleinen lagen zusammengerollt auf einer halbwegs weichen Sitzbank und Bahes Großeltern hatten sie provisorisch mit ihren Jacken zugedeckt. Bahe hatte sich neben sie gesetzt, um sie im Auge zu behalten.

Seine Großeltern waren völlig durch den Wind. Die Nervosität war ihnen ohne Zweifel anzumerken. Egal, ob eine Tumorentfernung am Gehirn in der heutigen Zeit schon nahezu einem Standardeingriff gleich kam oder nicht, es blieb die Sorge, dass etwas schief gehen könnte.

Bahes Großmutter besorgte sich nach drei Toilettengängen bereits zum vierten Mal etwas zu trinken, während sein Großvater gedankenverloren auf die Tür blickte, aus der die Ärzte nach der Operation kamen.

Anfangs war sein Großvater noch ständig auf und ab gelaufen, aber irgendwann hatte seine Großmutter dann doch zu viel bekommen und ihm befohlen sich endlich auf seinen Allerwertesten zu setzen.

Han Ning hatte sein Wort gehalten und ihm noch im Zug das Geld überwiesen. Telefonisch hatten sie seine Großeltern informiert, die sich sofort seine kleinen Geschwister geschnappt hatten und zur Klinik fuhren, um vor Ort sofort alles regeln zu können.

Als Bahe erfahren hatte, dass eine Transplantation wegen eines fehlenden Organs verschoben werden musste und die Operation seiner Mutter dadurch vorgezogen wurde, hatte er den beiden Männern ein letztes Mal gedankt und sich von der nächsten U-Bahn-Zweigstelle sofort zur Klinik aufgemacht.

Erst jetzt, eine halbe Stunde nachdem seine Mutter in den OP-Raum verlegt worden war, kam er allmählich zur Ruhe. So paradox es sich auch anhörte. Eigentlich sollte er doch ebenfalls nervös sein, oder?

Vielleicht machte sich auch einfach die Erschöpfung bemerkbar, die er in den letzten Tagen und Stunden vor lauter Anspannung stets ignoriert hatte.

Ständig mit den Sorgen der eigenen Familie konfrontiert zu sein, konnte auf Dauer, für die eigene Gesundheit einfach nicht zuträglich sein.

Bahe musste allmählich mit der Müdigkeit kämpfen, die ihn seit einiger Zeit zu übermannen drohte und seine Großeltern gerieten in ihrem nervösen Benehmen noch ein paar Mal aneinander, während die Minuten nur zu quälend verstrichen...



Zwei Stunden vorher verabschiedete sich Han Ning gerade von dem Polizisten: „Mach's gut. Ohne dich wäre heute wahrscheinlich nicht alles so einwandfrei verlaufen."

„Danke, aber solch eine große Hilfe war ich nun auch wieder nicht", meinte Bang Tuo.

„Glaub mir, es wäre bei weitem nicht so realistisch rüber gekommen, wenn dich nicht dabei gehabt hätten. Ganz zu schweigen davon, dass mir von dem Schauspieltalent des Jungen zwischenzeitlich das Herz stehen geblieben ist", schüttelte Han Ning den Kopf.

„Ja, oder?", lachte Bang Tuo. „Die Stelle, an der er meinen Bauch erwischt hat, schmerzt auch immer noch."

„Und ich dachte, er ist wirklich absolut verzweifelt...", grinste Han Ning.

„Dir eine gute Heimreise, Han Ning. Es war schön deine Bekanntschaft gemacht zu haben", verabschiedete sich nun auch Bang Tuo und Han Ning nickte ihm noch ein letztes Mal zu, ehe sich die U-Bahntüren hinter Bang Tuo schlossen.

Mit einem Seufzen rutschte er noch tiefer in seinen Sitz und lehnte den Kopf erschöpft nach hinten. Der heutige Abend hatte ihm mehr abverlangt als die Fälle der letzten fünf Monate zusammen.

Dennoch... irgendwie fühlte er sich so glücklich wie lange nicht mehr. Es war das Gefühl nach langer Zeit endlich mal wieder etwas Sinnvolles vollbracht zu haben. Zu lange hatte er dieses Gefühl unter Bei En Rui missen müssen.

Trotzdem... diesem Bastard Mai Ping Lun wollte er lieber nicht nochmal begegnen. Es lief ihm immer noch eisig den Rücken hinunter, wenn er an seine Begegnung mit dieser gefährlichen Person dachte.

Das Rattern der Bahn ließ seine Gedanken schließlich weiterwandern, bis ihm plötzlich einfiel, dass der Privatdetektiv ihm heute seine Ergebnisse schicken wollte!

Durch die ganze Aufregung mit Bahes Fall, hatte er es vollkommen vergessen!

Schnell griff er sich sein Prophone und begann seine E-Mails zu checken. In Sekunden hatte er die richtige Mail geöffnet.

Doch egal wie gefasst er gewesen war... Wie auch immer er sich innerlich vorbereitet hatte... Beim Anblick des Inhalts, stockte ihm schließlich doch der Atem und die Tränen brannten in seinen Augen...



Li Meng Lang schaute gerade einen Film, als ihr Prophone klingelte. Ihr Mann rief sie an, wie sie schnell an der dreidimensionalen Visualisierung einer Aufnahme ihres Gatten erkannte. Diese Teile waren wirklich schon tolle Dinger, dachte sie lächelnd.

„Hey, mein Schatz!", nahm sie den Videoanruf an. „Alles gut gelaufen?"

„Hi! Joar... kann man so sagen. Im Grunde habe ich mich heute teilweise etwas überflüssig gefühlt."

„Oh? Wieso das?"

„Dieser Anwalt, Hua Han Ning, hatte alles so sehr durchgeplant... Letzten Ende wurde ich viel mehr im Vorfeld gebraucht, um den Aufenthaltsort von diesem Mai Ping Lun herauszufinden und dergleichen.", erwiderte ihr Mann und sie hätte schwören können, dass er am anderen Ende gerade mit den Schultern zuckte. Es war so typisch für ihn, dass er immer alles herunter spielte.

„Also hattest du ja doch deinen Nutzen", zog sie ihn auf.

„Na ja...", meinte ihr Mann ausweichend. „Ich glaube, dieser Verbrecher hat uns alles nur dank der Schauspielleistung des Jungen abgekauft. Zwischenzeitlich, dachte ich echt er wäre verzweifelt und am Ende stellte sich heraus, dass er alles nur gespielt hatte."

„Was hast du denn vom Sohn von Aurel Dragon erwartet", antwortete Meng Lang wenig überrascht mit einer Gegenfrage.

„Haha", lachte ihr Mann am anderen Ende auf. „Nein Schatz, dass hättest du erleben müssen, um zu verstehen, wie intensiv die ganze Situation war."

„Wie du meinst", sagte Meng Lang wenig überzeugt und fragte: „Wann kommst du denn nach Hause?"

„Hmm... ich hatte überlegt noch einmal im Hotel zu übernachten... Bis nach Dazu fahre ich ein paar Stunden und ich bin völlig fertig."

„Oh... das ist schade...", antwortete Meng Lang enttäuscht.

„Ich bin doch Morgen wieder da", versuchte Bang Tuo sie zu besänftigen.

„Und dabei habe ich mir doch gerade schon so ein heißes neues Etwas angezogen", meinte Meng Lang vielversprechend.

„Du hast was...?", hörte sie ihren Mann zögerlich fragen.

„Nun... es gab da so ein besonderes Angebot im Unterwäsche-Laden, wo ich so gerne einkaufe...", gab sie lasziv zu verstehen, während sie sich mit einem Finger am Hals hinunterfuhr und den Blickwinkel der Kamera des Prophones gerade soweit senkte, dass der erste Ansatz ihres besagten Etwas zu sehen war.

„Ich bin in drei Stunden und 10 Minuten da", rief ihr Mann plötzlich todernst und brach die Verbindung ab.

„Hmmm...", scheinbar konnte sie ihn immer noch um den Finger wickeln, kicherte Meng Lang vergnügt in sich hinein.

Die Legende vom Elementflüsterer - Band 1 + 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt