Kapitel 61

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Ich wusste nicht, was ich zu Noah sagen sollte. Ich wusste nicht einmal, was ich denken oder fühlen sollte. Obwohl ich mir sicher war, dass irgendwo tief in mir drinnen Freude schlummerte, wurde sie aktuell von Überraschung komplett überdeckt. Ich hatte mich schon so sehr darauf eingestellt, Noah drei Wochen lang nicht zu sehen, dass mich sein Anblick nun schlichtweg überforderte. Hinzu kam mein absolutes Unverständnis, was die Gründe für seine Anwesenheit betraf.

Ich starrte Noah eine Weile einfach nur an, doch als dieser den Mund öffnete, hob ich die Hand und er schloss ihn wieder. „Ich bin gleich wieder da", verkündete ich und wartete seine Reaktion nicht ab. Stattdessen ging ich schnurstracks zur Haustür und folgte Mia und Phil nach draußen. Die beiden waren gerade damit beschäftigt, eine Lichterkette zu entwirren und blickten überrascht auf, als ich auf die Veranda trat.

„Wir müssen reden", teilte ich Phil mit, der den Lichterketten-Knoten sofort brav an Mia übergab und zu mir kam. Bevor ich irgendwelche falschen Schlüsse zog oder es zu weiteren Missverständnissen kam, musste ich wissen, weshalb Noah hier war und welche Rolle mein Bruder in der ganzen Geschichte spielte.

Wir setzten uns nebeneinander auf die Treppenstufen der Veranda, genauso wie wir es vor wenigen Wochen getan hatten. „Was macht Noah hier?", fragte ich direkt, anstatt erst um den heißen Brei herum zu reden.

„Solltest du das nicht lieber ihn selbst fragen?"

Ich schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass das seine Idee war. Deshalb frage ich dich."

„Wenn du nichts dagegen hast, wird Noah hier Weihnachten feiern", beantwortete Phil meine Frage, woraufhin ich genervt die Augen verdrehte.

Wieso?"

„Noah und ich sind seit über einem Jahr befreundet. Ich kenne seine Eltern und weiß, dass sein Weihnachten hier schöner wird als wenn er es mit ihnen verbringen würde."

Dessen war ich mir auch absolut sicher, aber die Fragezeichen in meinem Kopf wurden dadurch nicht weniger, ganz im Gegenteil.

„Ihr seid befreundet?", hakte ich nach und betonte dabei die Präsensform des Verbs. Phil zuckte mit den Schultern und sagte: „Ich würde behaupten, wir sind auf einem guten Weg zurück zur Freundschaft."

„Seit wann?"

Er seufzte und deutete auf die Tür hinter uns. „Ella, ich hab ihn nicht hierher geholt, damit er alleine in der Küche rumsteht und Gemüse schnippelt. Du solltest mit ihm reden, nicht mit mir."

Stur schüttelte ich den Kopf. Ich brauchte Antworten. „Weshalb hast du ihn dann hierher geholt? Bist du nicht der festen Überzeugung, dass er ein ignoranter Frauenaufreißer ist, der sich nicht um die Herzen schert, die er bricht?"

„So habe ich das nie gesagt!", protestierte Phil, doch als ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen ansah, fuhr er fort: „Ja, der Überzeugung war ich. Aber in erster Linie war ich einfach nur sauer, weil er sich erst an dich rangemacht hat und dich dann wieder fallen gelassen hat." Dieses Mal wollte ich protestieren, aber Phil stoppte mich mit gehobener Hand. „Ja, ich weiß, so war das nicht. Wie gesagt, ich war sauer. Und dadurch ziemlich blind."

„Und jetzt kannst du wieder sehen?"

„Mit ein bisschen Hilfe, ja. Klar habe ich gesehen, wie dreckig es dir die letzten Wochen ging und ich habe auch gesehen, wie sehr Noah sich zurückgezogen hat, anstatt sich - wie von mir erwartet - sofort die Nächste zu suchen. Aber erst Hailey und Olivia haben mir so richtig klar gemacht, was ich mit meinem Verhalten anrichte."

Er sah mich entschuldigend an. „Tut mir leid, dass ich dir nicht zugehört und vertraut habe."

„Ist schon okay. Ich glaube fest daran, dass du nur mein Wohlergehen im Sinn hattest."

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