Kapitel 17

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Nichts passierte.

Noah bewegte sich nicht, weder seine Lippen, noch irgendein anderes Körperteil. Er war wie erstarrt.

Ich verharrte kurz in meiner Position, dann löste ich meine Lippen von seinen und sank zurück auf meine Fersen, während ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss.

„Okay", sagte ich und vermied es, Noah in die Augen zu schauen. „Wie wäre es, wenn wir so tun, als sei das gerade eben nie passiert?" Ohne seine Antwort abzuwarten, griff ich nach meiner Tasche und meinem Handtuch und schob mich an Noah vorbei durch den Türrahmen.

„Ellie..." Seine Stimme klang rau, als hätte er Schwierigkeiten oder gar Schmerzen beim Sprechen. Anstatt stehen zu bleiben und mich zu ihm umzudrehen, beschleunigte ich meine Schritte, rannte beinahe durch den Flur, um die Ecke und erreichte außer Atem die Haustür und den dahinter liegenden Hof. Die anderen waren bereits dabei, ihre Taschen in Lukes Auto zu räumen. Schnell zählte ich die Taschen im Kofferraum, legte meine dazu und sicherte mir den letzten Platz in diesem Auto, hinter meinem Bruder, der bereits den Fahrersitz eingenommen hatte. Ich sah zurück zur Haustür, die Noah in diesem Moment hinter sich zuzog. Dann wanderte sein Blick über den Hof und über diejenigen, die neben seinem Auto auf ihn warteten. Auf die Entfernung war es schwer zu erkennen, aber es sah so aus, als schlösse er kurz die Augen, bevor er etwas aus seine Jackentasche holte. Fast geräuschlos öffnete sich das Tor und Phil lenkte Lukes Auto auf die Straße.

Ich lehnte mich im Sitz zurück und atmete tief aus. Olivia saß im anderen Auto und Hailey unterhielt sich vorne leise mit Phil, sodass ich ungestört in Panik verfallen konnte. Weshalb hatte ich Noah geküsst? Was immer ich für Signale von ihm zu empfangen glaubte, musste ich mir eingebildet haben. Der Kuss am Freitag hatte das Gerüst unserer beginnenden Freundschaft ins Wanken gebracht, aber wir hatten es geschafft, es wieder zu stabilisieren. Zu festigen. Und jetzt hatte ich es zweifellos zum Einstürzen gebracht. Dafür trug ganz alleine ich die Schuld, doch die Frage war: wieso war Noah mir gefolgt? Wieso hatte er gesagt, er wünschte Phil wäre nicht mein Bruder? Wieso wäre dann alles anders? Wie sollte ich dieses Verhalten interpretieren?

Als wir zurück am Campus waren und mein Bruder mich vor meinem Wohnheim raus gelassen hatte, waren die Fragezeichen in meinem Kopf nicht weniger geworden. Aber der einzigen Person, die mir antworten geben könnte, musste ich aus dem Weg gehen. Ich wollte das Mitleid in seinen Augen nicht sehen. Mitleid, weil ich mir so viel mehr von unserer Freundschaft erhofft hatte als er.

In dieser Nacht lag ich noch lange wach, zu laut waren meine Gedanken und ließen mir keine Ruhe. Irgendwann, weit nach Mitternacht, kam ich zu dem Entschluss, dass ich mich bei Noah entschuldigen musste. Und wenn ich ihm nicht unter die Augen treten konnte, blieb eigentlich nur ein anderer Weg.

Ella: Hi

Nach Absenden der ersten Nachrichten wartete ich eine Weile, doch worauf genau wusste ich selber nicht. Denn eine Antwort würde ich um diese Zeit mit Sicherheit nicht erhalten.

Ella: Man sollte niemals jemanden ohne dessen Einverständnis küssen, gerade ich müsste das eigentlich wissen. Es tut mir leid!

Ich sendete die zweite Nachricht, schaltete mein Handy stumm und legte es beiseite. Nun war es an Noah, zu reagieren. Entweder er nahm meine Entschuldigung an, oder eben nicht. In dem Glauben, jetzt ohnehin nichts mehr tun zu können, schlief ich irgendwann ein.

Am nächsten Morgen sah die Welt schon wieder ganz anders aus. Buchstäblich, denn es regnete in Strömen. Stöhnend presste ich mir mein Kissen auf das Gesicht und wäre am liebsten den ganzen Tag im Bett liegen geblieben. Doch ich musste arbeiten. Und das bedeutete, dass ich möglicherweise Noah begegnen würde. Aber zum Glück war mir kurz vor dem Einschlafen noch die perfekte Erklärung für den Kuss eingefallen, die er mir hoffentlich abkaufen würde – voraussetzt er redete überhaupt noch mit mir.

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