Kapitel 57

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„Da hat Noah sich endlich getraut, dir seine Gefühle zu gestehen, und du hast so reagiert?", fragte mich Olivia in vorwurfsvollem Ton. „Der arme Kerl!"

Natürlich war ich nach dem Gespräch mit Noah nicht dazu in der Lage gewesen, mit Phil zu lernen. Einerseits hätte ich mich niemals auf den nötigen Stoff konzentrieren können und andererseits hätte Phil mit Sicherheit Redebedarf gehabt. Und obwohl ich sehr dringend mit ihm reden wollte und musste, war heute noch zu früh. Deshalb hatte ich mich stattdessen mit Olivia getroffen und ich von Noahs zunächst unfreiwilligem und später freiwilligem Geständnis erzählt.

„Hey!", beschwerte ich mich über ihre Reaktion. „Er hat mich lange genug in dem Glauben gelassen, dass ich ihm überhaupt nichts bedeute. Das kam jetzt alles etwas plötzlich, da kann ich doch nicht einfach-" Olivia fuchtelte wild mit den Händen durch die Luft, weshalb ich den Satz nicht beendete.

„Tut mir leid, so meinte ich das nicht", entschuldigte sie sich. „Ich wollte dir keine Vorwürfe machen. Ich hätte nur erwartet, dass du Luftsprünge machst, wenn du das erfährst."

„Innerlich habe ich die gemacht, glaub mir", versicherte ich ihr, bevor ich stirnrunzelnd feststellte: „Ich weiß, dass du angeblich schon seit unserer ersten Begegnung weißt, dass Noah Gefühle für mich hat, aber warst du dir wirklich so sicher? Du wirkst echt überhaupt nicht überrascht."

Als ich sah, wie Olivia schluckte, ahnte ich, dass mir heute noch ein weiteres Geständnis bevorstand. Ich wusste nur nicht, was für eins. „Okay, ich muss dir was sagen", bestätigte sie meinen Verdachte und schaute schuldbewusst drein. „Und es kann sein, dass du mich danach nicht mehr magst."

„Ziemlich unwahrscheinlich", murmelte ich, konnte meine Beunruhigung jedoch nicht leugnen.

Olivia holte tief Luft und sagte dann: „Noah und ich sind besser befreundet, als du denkst. Wir haben uns von Anfang an gut verstanden und als er wegen deines Geburtstages auf mich zugekommen ist, wurde daraus noch mehr."

Ich spürte wie mir der Mund aufklappte, während in meinem Innern ein Sturm aus Verwirrung, Entsetzen und Ungläubigkeit tobte. „Nein, nein nein!", rief Olivia, als sie meinen Gesichtsausdruck sah. „Aus dem ‚gut verstehen' wurde eine sehr gute Freundschaft. Mehr nicht." Eine Welle der Erleichterung überrollte mich und ich musste kurz die Augen schließen, um wieder zur Ruhe zu kommen.

„Ich glaube für Noah war es auch ganz angenehm, mit jemandem reden zu können, der über euch beide Bescheid wusste. In unseren Gesprächen hat sich noch mehr heraus kristallisiert, wie viel du ihm bedeutest und als er die Sache beendet hat, wusste ich, dass irgendetwas nicht stimmt. Also habe ich ihn am nächsten Tag zur Rede gestellt."

Die Tage, von denen Olivia sprach, hatten sich sehr fest in meine Erinnerung eingebrannt. Ich erinnerte mich an den Morgen und ich erinnerte mich auch daran, dass Noah zwei Getränke geholt hatte und ich vor Eifersucht fast explodiert wäre. War der zweite Cappuccino in Wahrheit für Olivia gewesen?

„Er war völlig fertig", fuhr sie fort. „Er hat mir erzählt, dass er in der Situation einfach Panik bekommen hat, nicht wollte, dass du dich seinetwegen gegen deinen Bruder stellst und schon gar nicht, dass du dich zwischen ihnen entscheiden musst. Dich anzulügen und damit derart zu verletzen hat ihm sichtbar das Herz gebrochen. Ich habe ihn dann einfach gefragt, ob er dich liebt."

Sie verstummte. Aber ich wollte mehr wissen. Ich wollte alles wissen. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter und fragte: „Und er hat das einfach so zugegeben?" Warum hatte er es mir dann erst jetzt gesagt? Hätten wir uns nicht beide viel Leid ersparen können, wenn wir viel früher ehrlich miteinander gewesen wären?

„Er hat gesagt: Natürlich liebe ich sie, was ist das für eine blöde Frage?"

Ich musste tatsächlich kurz lachen, weil Olivia Imitation von Noahs Stimme und Gesichtsausdruck dem Original überraschend ähnlich war. Doch das Lachen verging mir schnell wieder. „Du wusstest also die ganze Zeit, weshalb er die Sache beendet hat?"

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