Kapitel 48

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Der November war der erste Monat seit meiner Ankunft am College, der mir keine Freude bereitete. Zwischen Phil und mir herrschte Funkstille - etwas, das es so noch nie gegeben hatte. Ich würde nicht diejenige sein, die diese Stille durchbrach. Ob Phil und Noah ihren Streit begraben hatten, wusste ich nicht, aber ich konnte nicht leugnen, wie sehr es mich verletzen würde, wenn beide tatsächlich den jeweils anderen über mich stellten. Weder von Phil, noch von Noah, konnte ich mir vorstellen, dass sie schlecht über mich reden würden, aber anscheinend teilten sie beide die Meinung, dass ich in dieser Situation die Böse war.

Während ich Phil sehr selten zu Gesicht bekam, sah ich Noah fast täglich. Immer wenn ich arbeitete, tauchte er im Coffeeshop auf, doch ich wusste, dass das nichts mit mir zutun hatte, sondern nur mit seinem Kaffeebedarf. Dank Astrid, und überraschenderweise auch dank Isaac, musste ich Noah nur in Ausnahmefällen bedienen. Isaac schien seine Aussage wirklich leid zutun, anders konnte ich mir seine Unterstützung in Sachen Noah aus dem Weg gehen nicht erklären.

Ende November würden Phil und ich für eine knappe Woche nach Boston fliegen, um Thanksgiving mit Mia zu verbringen. Unter normalen Umständen hätte ich mich auf diese kurze Auszeit in der Heimat gefreut, doch nun bereitete mir allein die Vorstellung, einige Stunden neben Phil im Flugzeug zu sitzen, Bauchschmerzen. Von mir wusste Mia nichts von unserem Streit und ich bezweifelte, dass Phil ihn ihr gegenüber erwähnt hatte, aber vor Ort würde es nicht leicht sein, die Fassade aufrecht zu erhalten. Und Mia würde das Ganze überhaupt nicht gefallen, dessen war ich mir absolut sicher.

Vor unserem kurzen Heimatbesuch stand allerdings noch Jacobs Geburtstag an. Jacob faszinierte mich. All die Streitigkeiten, die ihn umgaben, schienen ihn völlig kalt zu lassen. Er war immer bester Laune, verbrachte Zeit mit Hailey, Olivia und mir, aus seinen Aussagen ging jedoch hervor, dass er die auch mit Noah und Phil tat. Dementsprechend ging ich stark davon aus, dass wir alle uns am Abend der Feier über den Weg laufen würden. Von Hailey wusste ich, dass Phil sich inzwischen ein paar Mal bei ihr gemeldet hatte und den Kontakt zu ihr suchte. Den genauen Inhalt ihrer Konversationen kannte ich nicht, aber Hailey war nach eigener Aussage noch nicht bereit, sich wieder auf ihn einzulassen. Die Betonung lag auf noch, denn endgültig beendet war die Sache definitiv nicht. Vielleicht war diese Feier die ideale Gelegenheit für eine erneute Annäherung der beiden. Meine Motivation hielt sich in Grenzen, insbesondere da Olivia schon früher zu ihrer Familie gereist war und nicht kommen konnte.

Mit dem Vorhaben, Jacob zu gratulieren und danach schnell wie zu verschwinden, ging ich am Abend gemeinsam mit Hailey zur Feier, die in den gleichen Räumlichkeit des Wohnheims stattfand, wie die an unserem ersten Abend am College. Nicht zum ersten Mal ärgerte ich mich darüber, als einzige in einem anderen Wohnheim gelandet zu sein. Ich ließ meine Sachen bei Hailey im Zimmer und begab mich mit ihr zusammen auf die Suche nach dem Geburtstagskind. Wenn all die feiernden Leute tatsächlich mit Jacob befreundet waren, hatte dieser fünfmal mehr Freunde als ich flüchtige Bekannte. Aber vermutlich war es wie immer bei dieser Art von Feiern: jeder war willkommen und jeder brachte weitere Freunde und Bekannte mit. Die Stimmung war gut, aber von Jacob keine Spur. Hailey zog es auf die Tanzfläche - möglicherweise in der Hoffnung, dort meinem Bruder zu begegnen - doch mir war nicht nach Tanzen zumute, weshalb ich die Menge von außerhalb beobachtete und so nach Jacob Ausschau hielt. Zumindest redete ich mir ein, dass dies die Erklärung für meinen suchenden Blick war. Der Teil von mir, der nicht von meinem Verstand sondern von meinem Herzen beherrscht wurde, suchte nach Noah. Im Prinzip war diese Verhalten absolut masochistisch. Die Mischung aus grenzenloser Freude und messerscharfem Schmerz, die mich jedes Mal bei Noahs Anblick durchfuhr, war mit Sicherheit nicht gesund.

„Wenn ich dich fragen würde, ob du mit mir tanzen möchtest, wie würde deine Antwort lauten?" Überrascht, diese Stimme hier zu hören, fuhr ich herum.

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