Kapitel 14

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Das Wochenende verging und spätestens Sonntagabend war ich mir absolut sicher, dass Noah mir aus dem Weg ging. Wobei das so auch wieder nicht stimmte, denn ich hatte ihn zweimal gesehen. Sowohl Samstag und Sonntag war er während meiner Schicht in den Coffeeshop gekommen. Seine Bestellung war die gleiche wie immer, doch sein Verhalten war ein anderes. Erst als er es nicht mehr tat, fiel mir auf, wie sehr Noah auf regelmäßiger Basis mit mir geflirtet hatte. Nun behandelte er mir, als seien wir flüchtige Bekannte, nichts weiter. Er gab seine Bestellung auf, nahm sie entgegen und verließ den Coffeeshop. An beiden Abenden nahm ich mehrmals mein Handy in die Hand, nur um unseren Nachrichtenverlauf zu öffnen und mit dem Gedanken zu spielen, ihm zu schreiben. Aber jedes Mal legte ich das Handy wieder tatenlos beiseite.

Im Gegensatz zu Noah, behandelte mein Bruder mich nichts anders als vor den Geschehnissen am Freitagabend. Ich hatte versucht ihn darauf anzusprechen, doch er blockte ab und schlug vor, das Ganze einfach zu vergessen. Diesen Vorschlag konnte ich persönlich nicht befolgen, aber in Phils Anwesenheit konnte ich wenigstens so tun als ob. Ihn zu fragen, was Noah ihm am Freitagabend noch gesagt hatte, erschien mir zu riskant.

Der Vorlesung am Montagmorgen blickte ich mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits bot sich dort erneut die Möglichkeit, mit Noah zu reden. Andererseits bestand die Gefahr, dass er einen anderen Sitzplatz als den neben mir wählen und mich damit ohne Frage verletzen würde. Hinzu kam, dass Olivia sich eine Erkältung eingefangen hatte und mich nicht zur Vorlesung begleitete. Die Vorstellung, zwei Stunden lang darüber nachgrübeln zu müssen, weshalb Noah nicht mehr mit mir sprach, ohne die Möglichkeit zu haben, mich von Olivia ablenken zu lassen, erfüllte mich mit wenig Vorfreude. Doch entgegen meiner Befürchtungen, betrat Noah kurz nach mir den Hörsaal und schien den Platz neben mir anzusteuern. Er setzte sich tatsächlich neben mich und die wenigen Zentimeter, die zwischen uns lagen, fühlten sich an wie mehrere Meter. Gleichzeitig wünschte ich mir tatsächliche Meter Abstand zwischen uns, um klar und logisch denken zu können. Bis der Kurs begann, würde es nur noch wenige Minuten dauern, wenn ich also nicht die nächsten zwei Stunden Gedankenkarussel fahren wollte, musste ich Noah jetzt ansprechen.

„Wir müssen reden", brachte ich endlich hervor und klang dabei ernster als beabsichtigt. Noah wandte den Kopf und sah mich an, die Augen wachsam.

„Worüber?"

Als wüsste er das nicht.

„Über Freitag. Den Kuss."

Noahs Mundwinkel zuckten, und als er sprach, umspielte ein verhaltenes Lächeln seine Lippen. „War er so furchtbar?", fragte er und bewies damit das Selbstbewusstsein einer Person, die ganz genau wusste, dass sie gut küssen konnte.

„Nein, aber-", begann ich, doch Noah unterbrach mich, mittlerweile mit einem Grinsen, anstatt eines verhaltenen Lächelns. „Also war er gut?"

Mit dieser Art von Gegenfragen hatte ich absolut nicht gerechnet, weshalb es mir schwer fiel, bei der Sache zu bleiben. „Ja. Aber darum geht es nicht", versuchte ich, die Unterhaltung wieder in die Hand zu nehmen. Noah legte den Kopf schief. „Aber du wolltest doch über unseren Kuss reden."

„Ja", gab ich ihm Recht. „Ich möchte sicher gehen, dass dieser Kuss nichts verändert."

Noahs Grinsen verschwand. Er schwieg mit aufmerksamem Blick und forderte mich auf diese Weise stumm zum Weiterreden auf.

„Ich möchte dich nämlich nicht wegen dieses dämliches Kusses verlieren. Denn ich mag dich", erklärte ich und fügte schnell hinzu: „Als Freund." Ich hatte im Vornherein lange über die Formulierung nachgedacht. Mit den von mir gewählten Worten gab ich ihm einerseits zu verstehen, dass mir etwas an unserer Freundschaft lag und andererseits, dass ich ebenso wenig romantische Gefühl für ihn hatte, wie er für mich.

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