Kapitel 6

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Meine Arbeitsschicht am Dienstag war deutlich hektischer als am Samstag, man merkte, dass sehr viele Studenten früher auf den Beinen waren als am Wochenende. Dennoch klappten die Abläufe immer besser, ich musste Isaac kaum mehr um Hilfe bitten und Astrid fand sogar die Zeit, mir zu zeigen, wie ich die Kaffeemaschine bediente. Zwar brauchte ich noch deutlich länger als sie oder Isaac, um die Getränke zuzubereiten und von Kunst war das, was ich mit dem Milchschaum auf dem Cappuccino fabrizierte, weit entfernt, aber die Grundlagen hatte ich schnell drauf. Die Kunden kamen und gingen und so bemerkte ich Noah erst, als er direkt vor mir stand.

„Guten Morgen, was darf es – achso, du bist es. Hi", begrüßte ich ihn. Draußen war es heute recht windig, dementsprechend zerzaust waren seine Haare.

„Hi", entgegnete er und schenkte mir sein übliches Grinsen. „Ich hätte gerne einen Cappuccino und ein Schokocroissant."

„Bestellst du manchmal auch was anderes oder bist du eher langweilig?", fragte ich, während ich die Bestellung in die Kasse eintippte.

„Langweilig", sagte er und zuckte mit den Schultern. „Tut mir leid. Aber da ein bisschen Abwechslung tatsächlich nicht schaden kann, bleibe ich heute hier."

Ich hatte gerade nach einer Papiertüte gegriffen, die ich nun wieder zurücklegte. Stattdessen platzierte ich sein Schokocroissant auf einem Teller. „Kaffee kommt sofort." Während der Kaffee durch den Siebträger lief, schäumte ich die Milch auf. Das Muster, dass ich anschließend zustande brachte, sah aus wie eine Mischung aus asymmetrischer Blume und Erdmännchen.

„Hübsch", bemerkte Noah trocken, als ich die Tasse neben seinen Teller auf ein Tablett stellte.

„Ich übe noch", verteidigte ich mich und bevor Noah noch etwas darauf erwidern konnte, hatte ich mich schon dem nächsten Kunden zugewandt. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Noah mit seinem Tablett zu einem kleinen Tisch am Fenster ging, sich niederließ und einen Laptop aus seiner Tasche holte. Es machte den Anschein, als hätte er vor länger hier zu bleiben.

Tatsächlich saß Noah noch immer am Fenstertisch, als ich meine Schicht zwei Stunden später beendete. Fast immer wenn ich in seine Richtung geschaut hatte, waren seine Finger in schnellem Tempo über die Tastatur seines Laptops geflogen, manchmal hatte er sich auf im Stuhl nach hinten gelehnt, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und aus dem Fenster gesehen.

„Muss der Idiot den ganzen Tag hier sitzen?", fragte Isaac irgendwann missmutig und mir wurde klar, dass ich nicht die einzige war, die Noah beobachtete. Neugierig sah ich Isaac an und war kurz davor, nach dem Grund für seine Abneigung gegen Noah zu fragen, doch dann betrat ein neuer Schwung Kunden den Laden und für persönliche Gespräche war keine Zeit mehr.

Nach meinem Schichtende ging ich nach hinten in den Personalraum, um mich umzuziehen. Obwohl die letzten Stunden anstrengend gewesen waren, freute ich mich schon auf den nächsten Arbeitstag, was ohne Frage ein gutes Zeichen war.

Ich verließ den Personalraum und verabschiedete mich von Isaac und Astrid, die beide noch länger arbeiten mussten. Gerade als ich die Ladentür hinter mir zufallen lassen wollte, sah ich, dass ein Kunde ebenfalls den Ausgang ansteuerte, weshalb ich ihm die Tür aufhielt. Noah. Anscheinend hatte er, während ich im Personalraum war, seine Sachen zusammengepackt – Zufall? Oder Absicht?

„Wie geht's?", fragte er und lief wie selbstverständlich neben mir her. Etwas verwundert darüber, dass wir plötzlich gemeinsam über den Campus gingen, brauchte ich eine Weile um zu antworten.

„Erschöpft, aber gut. Ich bekomme inzwischen ziemlich akzeptable Herzen hin", verkündete ich, stolz auf meinen heutigen Fortschritt in Sachen Latte-Art.

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