Kapitel 22

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„Amber?"

Es war seltsam, nun endlich einen Namen für die Person zu haben, deren Anblick auf Noahs Schoß ich seit Wochen nicht aus meinem Kopf heraus bekam.

Noah zuckte mit den Schultern. „Viel gibt es da ehrlich gesagt nicht zu erzählen. Wir hatten letztes Semester was miteinander und über den Sommer hat sie da wohl nachträglich mehr hinein interpretiert und war der Meinung, dass da vielleicht mehr draus werden könnte. Als mir das klar geworden ist, hab ich die Sache recht schnell beendet."

Den Drang zu fragen, was genau letztes Semester zwischen den beiden gelaufen war, unterdrückte ich. Erstens weil es mich nichts anging und zweitens weil ich mir die Antwort schon denken konnte. Ich war nicht so naiv zu glauben, dass Noah noch Jungfrau war.

Obwohl es mir leicht fiel, Noah zu glauben und ich dankbar war, dass er nicht versuchte irgendetwas zu leugnen sondern direkt sagte was Sache war, konnte ich das Ganze so noch nicht ruhen lassen.

„Also muss ich nicht befürchten, dass sie irgendwann zu mir kommt und mir sagt, dass du auch ihr all die Dinge erzählt hast, die du heute mir erzählst hast, um sie rum zu bekommen?", fragte ich deshalb und schämte mich gleichzeitig dafür, so etwas überhaupt von Noah zu denken. Sollte er sich von meiner Frage gekränkt fühlen, so zeigte er es nicht. Er schüttelte lediglich den Kopf und antwortete: „Nein. Selbst wenn sie dir jemals so etwas sagen sollte, möchte ich dich bitten mir zu glauben, dass es nicht der Wahrheit entspricht." Er machte eine kurze Pause und fügte hinzu: „Ich gebe offen und ehrlich zu, dass ich mich im letzten Jahr nicht zurück gehalten habe, was... weibliche Bekanntschaften betrifft. Aber ich habe immer direkt klar gestellt, dass ich nichts Festes möchte. Und sobald ich gemerkt habe, dass die andere Person sich doch etwas anderes wünscht, habe ich mich höflich zurück gezogen. So viel Anstand habe ich dann doch." Der letzte Satz wurde von einem etwas zaghaften Grinsen begleitet.

„Wenn du also merkst, dass ich mir etwas anderes wünsche", griff ich seine Worte auf, „ziehst du dich auch von mir höflich zurück?"

Das Grinsen verschwand von Noahs Gesicht und mit einem Mal wirkte er sehr ernst. „Ich meinte das ernst, als ich vorhin gesagt habe, dass ich Angst habe", begann er. „Ich möchte dir keine falschen Versprechungen oder irgendetwas in der Art machen. Um es kurz zu halten: ich kenne diese Art von Gefühlen nicht. Ich hatte noch nie das Bedürfnis oder den Wunsch, jemandem so nah zu sein, wie ich es bei dir habe. Aktuell ist die Wahrscheinlichkeit vermutlich höher, dass du dir weniger wünscht, als anders herum, das kann ich leider noch immer absolut nicht einschätzen." Noah vergrub das Gesicht in den Händen und schüttelte den Kopf. Als er die Hände wieder sinken ließ, sah er zu meiner Überraschung fast ein wenig amüsiert aus. „Ich kann gar nicht glauben, was ich dir hier gerade alles erzähle", fuhr er fort, immer noch kopfschüttelnd. „So kenne ich mich selbst nicht."

Auch ich war mehr als überrascht über Noahs Offenheit was seine Gefühle und Ängste betraf. Gleichzeitig brachte er damit jedoch die Mauer, die ich aufgrund meiner eigenen Ängst noch immer versucht hatte aufrecht zu erhalten, komplett zum Einstürzen. Vermutlich ähnlich wie er, verspürte ich ebenfalls den Drang, alles offen auf den Tisch zu legen und ihm genauso ehrlich zu sagen was in mir vorging, wie er es mir gegenüber getan hatte.

„Ich glaube nicht, dass ich mir weniger wünsche", gab ich zu. „Zumindest wüsste ich nicht, was du dir wünschen könntest, was ich mir nicht auch wünsche. Klar habe ich Angst verletzt zu werden, ich denke die hat jeder. Aber solange wir immer ehrlich über alles miteinander reden können, ist die Wahrscheinlichkeit relativ gering, dass wir einander verletzen. Zumindest hoffe ich das."

Noah nickte zustimmend, obwohl eine senkrechte Falte seine Stirn zierte und ihn nachdenklich aussehen ließ. „Das ist eine Sache, die ich dir hoch und heilig versprechen kann. Ehrlichkeit."

don't fall in loveWhere stories live. Discover now