Kapitel 10

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Das Hafengebiet war mit dem Auto nur etwa eine Viertelstunde vom Campus entfernt, doch da ich selber kein Auto besaß, war ich bisher nie dort gewesen. Es fuhr auf ein Bus, aber der brauchte deutlich länger. Von Phil wusste ich, dass es dort viele nette Restaurants gab und eine Promenade, von der man einen wunderbaren Blick auf den Sonnenuntergang hatte.

Isaac holte mich vor meinem Wohnheim ab. Er hatte das Auto von Jamie ausgeliehen und öffnete mir zuvorkommend die Beifahrertür. Die kurze Hinfahrt überbrückten wir mit Smalltalk. Es war ziemlich einfach mit Isaac zu reden, unangenehme Stille kam nie auf, sodass ich mich direkt wohl mit ihm fühlte.

Am Hafen angekommen, parkte er das Auto auf einem großen Parkplatz, öffnete mir erneut die Tür und führte mich dann in eines der Restaurants mit direktem Blick auf die Schiffe im Hafen. Leider war seine Wahl auf ein Fischrestaurant gefallen. Seit meinem fünften Lebensjahr, als ich begriffen hatte, dass Tiere extra dafür gezüchtet wurden, später einmal auf dem Teller zu landen, aß ich kein Fleisch mehr. Aber das konnte Isaac nicht wissen und zum Glück fand ich auf der Karte einen Salat, der frei von tierischen Beigaben war. Als das Essen kam, versuchte ich dem Hummer auf seinem Teller nicht in die Augen zu sehen und schaute stattdessen so viel wie möglich nach draußen auf den Hafen.

Isaac redete viel. Viel mehr als während der Arbeit. Er erzählte von seinen ersten beiden Jahren am College und irgendwann auch von seiner Kindheit. Er stellte durchaus auch mir Fragen, doch ich gab ihm so kurze Antworten wie möglich. Ja, ich mochte Isaac. Aber ich kannte ihn definitiv nicht gut genug, um mit ihm den Trümmerhaufen zu teilen, der meine Kindheit war.

Als mein Teller leer war und auf Isaacs nur noch die Hülle des Hummers lag, starrte ich in dessen leere Augen und wusste, dass es kein zweites Date geben würde. Ganz egal wie sehr ich versucht hatte, mich auf die Unterhaltung zu konzentrieren und mich auf Isaac einzulassen, meine Gedanken waren die ganze Zeit über bei einer anderen Person gewesen.

Wieso war Noah ausgerechnet in dem Moment gegangen, in dem ich Isaacs Date-Einladung angenommen hatte? War dies ein Zeichen dafür, dass Olivia richtig lag? Oder ein Zeichen dafür, dass ich ihm schlichtweg egal war?

Ich wusste es nicht, aber ich wusste, dass es nicht fair gegenüber Isaac war. Ein weiteres Date würde bestimmt schön werden. Aber ich fühlte, dass es zu nichts führen würde und dementsprechend war es besser, es gar nicht erst zu diesem zweiten Date kommen zu lassen. Ich musste es ihm nur irgendwie schonend beibringen und dabei hoffen, dass ich unser gutes Arbeitsverhältnis nicht zerstörte.

Heute würde ich es ihm nicht sagen. Vielleicht sah er selber ein, dass es zwischen uns nicht passte, wenn er eine Nacht drüber schlief. Nachdem Isaac darauf bestanden hatte, für uns beide zu zahlen, verließen wir das Restaurant. Er steuerte den Parkplatz an, doch ich war noch nicht bereit, diesen Ort zu verlassen.

„Wenn es okay für dich ist, würde ich noch ein bisschen hier bleiben und später mit dem Bus zurück fahren", sagte ich und hoffte inständig, ihn damit nicht zu verletzten. Isaac schaute etwas irritiert, doch nach kurzem Zögern nickte er. „Okay. Ich würde anbieten, mit dir zu bleiben, aber ich muss das Auto zurückbringen."

„Klar, kein Problem. Ich möchte einfach noch ein bisschen die Meeresluft genießen."

Er umarmte mich zum Abschied, machte jedoch zu meiner Erleichterung keine Anstalten, mich zu küssen. Nicht einmal auf die Wange. Vielleicht hatte auch er schon jetzt eingesehen, dass aus uns nichts werden würde.

Ich ging zurück zur Promenade und fand eine leere Bank, von der ich einen wunderbaren Blick auf die sachte im Wasser schaukelnden Schiffe hatte. Für einen Moment schloss ich die Augen und genoss die herrlich frische Luft. Um sicher zu gehen, dass ich nicht aus Versehen den letzten Bus zurück zum Campus verpasste, schaute ich nach einiger Zeit auf meinem Handy nach den Verbindungen.

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