𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟟𝟝

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Robin saß an seinem Schreibtisch. Seine Zunge war seitlich zu sehen, als er angestrengt etwas aufschrieb, um es sich dann durchzulesen und anschließend doch zu zerknüllen, und in Richtung seines Mülleimers zu werfen.

Die Papierbälle rund um den Eimer bewiesen, dass er erstens schon viele Ideen hatte, die er alle verworfen hatte und das er nicht gut darin war ein Ziel zu treffen.

Es klopfte kurz an der Türe und sein Vater trat hinein. »Gehst du heut nicht raus?« Robin sah ihn an, schüttelte den Kopf und drehte sich wieder weg. »Deine Freundin hat eben hier angerufen.« , sagte Vincent und setzte sich auf dessen Bett.

»Ah. Und was wollte sie?« Er starrte auf sein leeres Blatt Papier vor sich.

»Ob was geschehen wäre. Sie hätte schon mehrmals versucht, dich anzurufen.«

Robin zog sein Handy an sich und sah aufs Display. Überall stand Selinas Name. Bei Snap, Whatsapp und in seiner Anrufliste ... Statt darauf zu reagieren, schob er es wieder beiseite. »Was hast du gesagt?«

»Das es dir nicht gutgeht und du schlafen würdest.«

»Okay.«

Vincent stand auf und beugte sich zu ihm runter. »Hast du dich mit ihr gestritten?«

»Nein.«

»Sie ist ein nettes Mädchen.«

»Joa.«

»Sie mag dich sehr.«

»Ich weiß.« , stöhnte er schon fast auf.

»Magst du sie?«

Robin sah ihn nicht an, sondern kritzelte einfach auf dem Blatt herum. »Es geht.«

»Ich war auch mal jung.« , begann Vincent. »Nur rückblickend kann ich sagen ... man sollte einer anderen Person auch nicht zu viel Hoffnung machen.«

Er wusste, wovon sein Vater sprach. Schließlich hatte er vor Kurzem auch noch eine Menge Hoffnung gehabt, ehe er ins Bodenlose fiel.

Dieses Gefühl war noch immer ein Auszug seines Lebens. Erst Recht, wenn er sah, wie dieser Jenaro vor dem Schultor auf Nia wartete und sie küsste ... und beide dann Hand in Hand zur Bushaltestelle verschwanden.

Jedes Mal hielt er daraufhin Selinas Hand fest oder ließ sich von ihr umarmen ... sogar küssen. Immer mit dem Gedanken, Nia könnte es sehen und würde eifersüchtig werden.

Er wollte nicht das sie Schmerz empfand. So etwas würde er ihr niemals wünschen. Robin wollte, dass sie Tag für Tag Glück verspürte, aber zeitgleich beabsichtigte er damit, das sie eventuell bemerken würde, das sie auch mehr für ihn fühlte. Zumindest hoffte er es immer noch ... tief in seinem Innern, das es ihr genauso erginge wie ihm.

»Lass mich doch einfach, okay?!« , maulte er.

»Ich lass dich ja. Du musst deine eigenen Erfahrungen im Leben machen Robin, aber ich kann dir sagen, das ein Lückenbüßer niemals die Lücke füllen kann, die eigentlich für jemand anderen sein soll.« , erklärte Vincent. »Das ist wie bei einem Puzzle. Ein ähnliches Teil wird trotzdem nicht komplett reinpassen.«

Robin würde ihm gerne erklären das Selina kein bisschen wie sein fehlendes Puzzlestück war. Nicht mal ansatzweise.

Seine Freundin war blond, während Nia dunklere Haare besaß.

Selina hatte braune Augen. Nia hellblaue und dazu noch dichte dunkle Wimpern, die ihre Augen zusätzlich mehr zum Strahlen brachten.

Seine Freundin besaß dünne Lippen, wohingegen Nias Lippen voll waren und eine viel schönere Form hatten. Zumindest war es Robins Auffassung.

Selinas Lachen war schrill. Piepend. Manchmal sogar künstlich. Nias rau und wenn sie einen Lachanfall nach dem anderen bekam, war es hochansteckend. Ihre Art zu Lachen war für ihn wie ein Virus, gegen den man nicht geimpft werden konnte, geschweige denn wollte. Zuerst fing es leise und verborgen an, blieb dann bei D-DUR, die stärkste aller Tonarten, hängen, ähnlich wie ein Tonträger, der denselben Ton unablässig spielte. Die Lautstärke nahm daraufhin etwas zu. Nachfolgend verwandelte es sich immer mehr in ein Glucksen, das an Kraft gewann und sich last but not least regulär gesehen mit einem Schluckauf paarte. Folglich setzten die ersten tiefen Atemzüge ein, mit denen signalisiert wurde, dass der Lachkrampf fast vorbei war. Wenn sie durch ihren Hicker, den sie selber witzig fand, nicht wieder von vorne begann.

Robin vermisste es. Er hatte es schon ewig nicht mehr gehört.

Er musste schmunzeln, als er so darüber nachdachte, bis in die Realität einholte, wo sein Vater ihn stirnrunzelnd betrachtete. »Lass mich doch einfach.« , wiederholte er.

»Robin, ich kann mir vorstellen, was in dir vorgeht. Deine Mutter hatte zum Beispiel damals einen Freund, als ich sie kennenlernte und ...«

»Und wie hast du es dann geschafft, dass sie merkte, dass du der Bessere für sie wärst?« , schnellte es aus ihm heraus.

Vincent raffte nun, dass dieses Mädchen, in welches sein Sohn sich verguckt hatte, mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Freund besaß. »Na ja. Im Grunde habe ich nichts getan. Deine Mutter war die treibende und mutigere Kraft.«

Robin verzog sein Gesicht, denn er war sich im Klaren darüber, das es bei Nia nie der Fall sein würde. »Aber du musst doch etwas getan haben? Sie muss doch ... auf dich aufmerksam geworden sein?«

»Deine Mutter und ich hatten schon früh eine gewisse Bindung zueinander.« , definierte Vincent. »Ich denke, das dies auch der Schlüsselfaktor bei uns war.«

»Ihr wart also Freunde? Nur Freunde?«

»Ich war nicht so jung wie du, als ich sie kennenlernte. Ich war ... neunzehn.« Er wusste nicht, wie er seinem Sohn sonst verständlich machen konnte, dass in diesem Alter mehr als nur verstohlene Blicke und Händchenhalten an der Tagesordnung waren.

»Aber du hast abgewartet?«

Vincent dachte nach. »Könnte man so sagen.«

»Wie lange?«

»Oh. Sehr lange?! Gut zwei Jahre hat's gedauert.«

»Meinst du, ich sollte also auch ... warten.«

»Ich weiß nicht, ob es etwas bringt. Nicht jede Sache führt zum Happy End. Du solltest auf jeden Fall nicht vergessen zu leben.« Er hob die zerknüllten Papierbälle auf und füllte damit Robins Mülleimer. Einen, der fast verknautscht war, entfaltete er und sah darauf. »Schreibst du einen Song?«

Erschrocken sprang sein Sohn auf und riss ihm das Papier aus der Hand. »Kennst du Privatsphäre? Ich durchsuche auch nicht deinen Müll.«

Vincent lächelte und ging zur Türe. »Der Text war gut. Sogar sehr gut. Den solltest du nur noch ein wenig mehr ausfeilen.« Er trat in den Flur. »Ach ja, was ich eigentlich sagen wollte ... das Mädchen ist total in dich verschossen, es wäre also nicht nett, wenn du ihr etwas vormachst.«

Robin wartete, bis sein Vater die Tür hinter sich schloss, ehe er das Stück Papier wieder komplett entfaltete und seine Gefühle für Nia, die er dort aufgeschrieben hatte, nochmal durchlas.

Ich bin der falsche Mann für die richtige Frau (Band 2)Where stories live. Discover now