𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟡𝟞

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Katja setzte Isabelle bei sich zu Hause ab.

»Soll ich noch mit rein? Wir können einen Kaffee trinken. Ein wenig reden.« , bat sie ihrer Freundin an.

»Nein. Ich will auf die Couch. Alleine.«

»Okay.« Katja drängte sich nicht auf und doch fragte sie Isabelle jedes Mal aufs Neue. »Überleg es dir mit dem Wochenende. Nur wir zwei okay?!« Vincent hatte ihr erzählt, was Dag alles am gestrigen Tag so mitgeteilt hatte, und sie bot daraufhin ihrer Freundin an ein Spa-Wochenende mit ihr zu verbringen.

Vielleicht benötigte sie erst einmal so etwas, um Dag ebenso näher wieder an sich heranlassen zu können. Mit ihm hatte Katja verständlicherweise vorher darüber gesprochen und er war mit allem einverstanden. Natürlich hatte er des Weiteren die Hoffnung, es würde seiner Frau guttun und das sie, ihn, als nächster logischer Schritt für sie, herauskristallisieren würde.

Isabelle verabschiedete sich von Katja und steuerte ihre Haustüre an. Die Therapie heute war mal wieder still verlaufen. Sie verstand nicht, was es helfen sollte, immer und immer zum wiederholten Mal darüber zu sprechen, wenn es ihr doch so viel besser ginge, wenn sie schwieg.

Wann immer sie davon sprach, projizierte ihr Kopf die schlimmen Gedanken der Geburt. Wenn sie aber schwieg, sah sie Rios hübsches Gesicht vor sich und wie sich seine Haut unter ihren Fingern angefühlt hatte.

Sie hatten Bilder machen lassen, als sie noch die Trauerzeit im Krankenhaus verbracht hatten. Diese Fotografien hatte sie in ihrem Schlafzimmer auf der Kommode stehen. Aufgebahrt wie ein Altar, mit Kerzen drumherum.

Auch wenn dies eigentlich ihr Rückzugsort hätte sein sollen, war es für sie doch sein Zimmer. Die Räumlichkeit, die für ihn gedacht war.

Es half ihr irgendwie immens, seinen Namen an der Wand zu sehen. Die Wand, die Dag mit Liebe zu ihm bemalt hatte ... in einer Zeit, wo sie noch dachten, sie wären vom Glück begünstigt. Als alles Böse noch an ihnen abgeprallt war.

Sie öffnete die Türe, als der Geruch, der geradewegs in ihre Nase strömte, ihren Magen verkrampfen ließ. Sie kannte diesen Duft und riss unentwegt die Zimmertüre ihres Rückzugsortes auf.

Ein stummer Schrei kam über ihre Lippen und ihr Körper zitterte, als sie auf die übermalte Wand sah. Auch waren alle Pakete, wie das nicht aufgebaute Babybett und so verschwunden. Es war ein leerer Raum mit leeren weißen Wänden.

Sie berührte den kalten feuchten Kalksandstein vor ihr und sah anschließend auf ihre zittrige weiße Handinnenfläche.

Isabelle hörte, wie die Badezimmertüre geöffnet wurde und Dag summend in den Flur trat. Wie von einer Tarantel gestochen lief sie zu ihm.

»Isy. Du bist schon da?« , sagte er und wurde von ihr ohne zeitliche Verzögerung weggeschubst. Er trug nur eine kurze Hose und auf seiner Brust war nun ihr weißer Handabdruck erkennbar.

»Was hast du getan?« , sprach sie mit fast geschlossenen Zähnen.

Ihm war klar, dass sie sich das Zimmer bereits angesehen haben musste. »Das ist nur zu deinem Besten, ich ...«

Erneut stieß sie ihn weg. »Du hast nicht zu entscheiden, was das Beste für mich ist.« , kreischte sie ihn an.

»Du hast dich ...« Mit Wucht verpasste sie ihm eine Ohrfeige, ehe sie zu weinen begann. Er versuchte sie zu umarmen, doch sie schlug wie wild um sich und schrie dabei laut auf.

»Fass mich nicht an.«

»Isy, ich hab das nicht getan, um dir wehzutun, sondern um dir zu helfen.«

»Du hilfst mir nicht. Du machst es nur noch schlimmer.« Sie stieß erneut seinen Körper weg von ihr und lief ins Wohnzimmer.

Dag lief hinter ihr her. »Nein. Der Arzt meinte auch, dass ...«

Erneut verpasste sie ihm eine Ohrfeige, die gesessen hatte. Ihre Hand zitterte und sie stand mit bibbernder Unterlippe vor ihm und sah ihn an. »Sag mir nicht, was dieser Stümper für gut hält Dag. Er hat nicht sein Kind begraben. Er nicht.« Ihre laute Stimme hallte in seinen Ohren, trotzdem blieb er ruhig und versuchte erneut, sie zu berühren, doch sie schlug seine Hände weg.

»Isy du musst dir helfen lassen.«

»Von dir?« , schrie sie. »Du sollst mir helfen? Du trägst Schuld daran.«

»Was?« Er verstand nicht, was sie da von sich gab.

»Du hast gesagt, wir sollen noch ein Kind bekommen. Ein Kind, das ich nun nicht mehr spüre, das einfach nicht mehr da ist.«

»Schlimme Dinge geschehen und keiner konnte das vorhersehen.«

»Wenn du mich nicht nochmal angerufen hättest, weil du mit der Situation überfordert bist ein Vater, statt ein cooler Freund zu sein, wäre es nie geschehen.« Die Tränen kullerten unkontrolliert ihre Wangen hinunter.

»Fein.« , sprach er mit gedämpfter, Tränen unterdrückter, Stimme. »Wenn es dir hilft, mir die Schuld zu geben, dann bin ich der Sündenbock ... und jetzt komm her.« Er zog sie an sich. Isabelle wehrte sich und schlug auf seine Brust. Sie schrie, doch er ließ sie nicht los. »Du kannst dich wehren, so viel wie du willst Isy, aber ich liebe dich und ich lasse dich das nicht alleine durchmachen. Schlag mich, so oft du nur willst. Schrei mich an, aber verschließ dich nicht vor mir.«

Ihre Fäuste trafen immer wieder seine Brust, bis es von Mal zu Mal seichter wurde, bis sie schließlich entkräftet zusammensackte.

Dag ging mit ihr auf den Boden und ließ sie weiterhin nicht los. Sie weinte laut und er drückte sie mehr an sich. Er schloss seine Augen und wiegte sich mit ihr im Takt, bis sie leiser weinte. »Ich bin schuld.« , wimmerte sie schließlich und verharrte so näher an seinem Körper. »Ich bin schuld.«

Er schüttelte den Kopf, ehe er sprach und ihm ebenso Tränen die Wangen hinunterliefen. »Es war ein Unfall. Du trägst keine Schuld.«

Dag wusste, dass sie mit dieser Schuldfrage schon lange kämpfte und ihm war auch klar, dass es noch ein langer Weg war, sie davon zu überzeugen, dass niemand verantwortlich dafür war.

Ich bin der falsche Mann für die richtige Frau (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt