𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟡𝟛

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Katja saß wenige Stunden später angelehnt an Vincent mit geschlossenen Augen im Wartezimmer, als Dag hineingestürmt kam.

Beide sprangen zeitgleich auf. Die Blondine umarmte Dag sofort, denn der brach, ohne zeitliche Verzögerung, als er die Zwei sah in Tränen aus. »Es tut mir so sehr vom Herzen leid.« , sprach sie leise und hielt kurz danach sein Gesicht fest, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken.

Man sah ihm an, dass er bereits die komplette Fahrt über geweint haben musste. »Wo ist Isy? Wie geht's ihr?« , fragte er schluchzend und ließ sich auch von Vincent umarmen.

»Wir bringen dich hin.« , sagte sie, nachdem ihr Mann ihn losgelassen hatte, und ging voraus in den Flur. »Sie hat ein Familienzimmer bekommen. Ihr bekommt dort genügend Zeit euch zu ... verabschieden.«

»Wieso ist sie alleine?«

»Sie wollte alleine sein.«

»War es ... war's ... sehr schlimm? Natürlich war es schlimm. Warum frage ich auch?!« Katja nickte fast unbemerkt und Dag blieb stehen. Er lehnte sich an die Wand und sackte zu Boden. Mit den Händen über den Augen weinte er erneut los. »Sie musste das ohne mich durchstehen. Ohne mich. Ich hätte bei ihr sein müssen. Es hätte gar nicht geschehen dürfen.«

Katja kniete sich vor ihm hin. »Hey.« Sie fand irgendwie keine Worte mehr, denn egal, was sie auch sagte, Isabelle hatte sie ebenso nicht erreichen können. Sie strich über seinen Kopf. »Wir sind für euch da. Jederzeit.«

»Ich hab die Kinder bei euch absetzen lassen.« , meinte er plötzlich. »War das okay?«

»Natürlich.« Sie sah ihn mitfühlend an. »Du bleibst eh hier bei Isabelle.«

Dag sah zu Vincent. »Warst du auch bei ihr?«

Er nickte. »Ich war eben bei ihr.«

»Ich fühl' mich so hilflos.« Er ließ sich von seinem besten Freund aufhelfen. »Was soll ich tun? Wie kann ich ihr helfen?«

»Ihr könnt euch nur gegenseitig helfen. Du benötigst die Hilfe genauso wie sie.«

Vor der bereits erwähnten Türe blieben sie stehen. »Wir fahren jetzt nach Hause Dag. Wenn es etwas sein sollte. Melde dich. Meldet euch. Egal wann.« , sagte Vincent, während seine Hand einige Sekunden auf Dags Oberarm verweilte.

Er nickte und bedankte sich nochmal bei beiden. Nicht jeder hätte das zustande gebracht, was die zwei für ihn und Isabelle getan hatten.

Dag atmete ein und aus, als er die Klinke längst festhielt und mit der anderen leicht klopfte.

Von innen war nichts zu hören, trotzdem öffnete er die Türe und nickte seinem besten Freund und Katja nochmals dankend zu, ehe er eintrat.

Das Zimmer war dunkel. Nur eine schwache Lampe leuchtete neben dem Bett in dem Isabelle lag. Sie hatte der Türe den Rücken zugekehrt und drehte sich auch nicht um.

»Isy, ich bin's.« , sagte er, doch sie regte sich nicht.

Das Bett daneben war leer und darauf stand eine Tasche, die Isabelle bereits vor ein paar Wochen schonmal gepackt hatte. Vincent musste sie geholt haben, dessen war er sich sicher.

Dag sah zu dem leeren Babybett, das sich hinter ihr befand und schloss kurz die Augen, um sich zu sammeln. Er wollte ihr so nicht gegenübertreten. Er wollte stark sein. Für sie. »Isy?« , sagte er leise und ging um das Bett herum.

Ihre Augen waren offen und ihre Finger streichelten sanft das kleine Bündel, das genau vor ihr, nahe an ihrer Brust lag.

Dag blickte auf den Kleinen. Es schien, als würde er schlafen und dabei sah er Nia so ähnlich. Wiederholt schloss er die Augen, ehe er dann doch zu Weinen begann. Unerwartet schnell drehte er sich weg, um sich auf etwas anderes zu konzentrieren und langsam ein- und auszuatmen. Er stütze sich auf das Fensterbrett und sah in die dunkle Nacht hinaus.

»Wie geht es dir?« , fragte er fast flüsternd und sah wieder zu Isabelle, deren Augen rot und dick verquollen waren.

Sie so zu sehen, schmerzte ihn unendlich.

Er setzte sich zu ihr und strich über ihren Arm. Er fand die Frage selbst hinfällig, aber er wusste auch nicht, was er zu ihr sagen sollte. Sein Blick fiel auf seinen Sohn und er fuhr langsam mit einem Finger über seine Wange. Er konnte seine Tränen einfach nicht zurückhalten. Hier lag sein Kind. Ohne Leben. Er würde nie seine Stimme hören. Ihn nicht aufwachsen sehen. Nichts. Alles, was blieb, war jetzt hier in diesem Raum. Jede Erinnerung an ihn würde er mit den jetzigen Momenten verbinden.

Er dachte an Isabelle und welche Erinnerungen sie plagen würden, denn schließlich war er nicht dabei, als sie ihn auf die Welt bringen musste. Ihre würden leiderfüllter sein.

Dag umrundete wieder das Bett und platzierte sich hinter sie. Er drückte sie feste an sich und legte dann auch seine Hand schützend auf sein Kind.

»Wieso?« , sagte sie unerwartet mit einer heiseren Stimme. »Wieso wir?«

»Ich weiß es nicht.« , antwortete er leise. »Isy, er weiß, das er geliebt und gewollt war.«

Sie nickte und begann dann zu weinen.

Dag drückte sie sofort noch näher, als es nur ging, an sich. Sie ließ es zu, aber ihre Körperhaltung war keineswegs locker. »Ich will ihn nicht gehen lassen.«

»Ich weiß.« Er küsste ihre Schulter, während ihm die Tränen ebenso hinunterliefen. »Er ist unser Kind. Unser Sohn. Das wird er auch immer bleiben.«

»Warum?« , schluchzte sie laut. »Ich habe ihn so oft gespürt. Sein Leben war schon meins.«

Statt weiter etwas zu erwidern, was eh nichts nützen würde, denn auch er fand auf das Warum seiner Frau keine Antwort, tröstete er sie und sich selber, indem er sie, während seiner Umarmung, sanft hin und her wiegte. Seine und ihre Hände ruhten dabei aufeinander, als sie ihren Sohn an der Liebkosung teilhaben ließen.

Ich bin der falsche Mann für die richtige Frau (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt