𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟡𝟚

108 17 0
                                    

»Kannst du mir mal sagen, warum ich keinen mehr von euch erreiche?« , schrie Dag ins Telefon, als Vincent ihn anrief.

Sein bester Freund hatte sich zuletzt gemeldet, als er Isabelle nackt und bewusstlos in ihrem Blut im Badezimmer vorgefunden hatte.

Er kam circa fünf Minuten vor dem Krankenwagen, den er von unterwegs angerufen hatte, dort an, und berichtete Dag alles, was der Notarzt und die Sanitäter taten, ehe diese Isabelle abtransportierten.

Die ganze Zeit über hatte er danach immer wieder versucht, Vincent, Katja und sogar seine Frau zu erreichen, aber niemand ging an sein Handy.

»Wo bist du jetzt?« , fragte er Dag.

»Keine Ahnung, wo wir sind.« Irgendjemand sprach im Hintergrund, doch Dag redete weiter mit Vincent. »Ich wollte noch schnell 'nen Flug buchen, aber so kurzfristig war nichts. Wie geht's Isy? Is' alles in Ordnung?«

»Ehm ... hör zu Dag, Isabelle ist vorerst außer Lebensgefahr. Sie hat viel Blut verloren, aber die Blutung konnten sie stoppen. Katja ist bei ihr, sie ist direkt danach zum Krankenhaus gekommen ... ehm ...« Vincent entschuldigte sich kurz bei jemanden, den er wohl angerempelt haben musste, ehe er weitersprach und direkt auf den Punkt kam. »Die Geburt wird jetzt eingeleitet.«

»Was? Jetzt schon? 'kay.« Dag war kurz still. »Können die nicht ein wenig warten, bis ich fast da bin. Ich will dabei sein, wenn ...«

»Nein, Dag.« Vincent wusste nicht, wie er seinem besten Freund vermitteln konnte, dass nichts okay war. Und dass er dies auch noch am Telefon machen musste, statt von Angesicht zu Angesicht stresste ihn zusätzlich. »Katja wird bei ihr sein. Die müssen es jetzt machen, weil sonst eine Gefahr für Isabelle besteht ... Dag, ich weiß nicht, wie ich ... der Arzt hat erklärt, durch den Sturz hat sich ihre Plazenta gelöst und ...«

»Ist alles okay?« Allein wie er die Frage stellte, zeigte ihm, dass Dag im Inneren Bescheid wusste, er aber dennoch die Bestätigung von ihm benötigte, um es zu realisieren.

»Es tut mir leid.« , sprach Vincent schließlich und kämpfte mit Tränen, doch als sein Freund am anderen Ende zu weinen begann, konnte auch er sich nicht mehr halten.

»Sind die sicher?« , schluchzte er nach einigen Sekunden.

»Ja. Der Stoffwechsel wurde unterbrochen und ... es gibt keine Lebenszeichen.«

»Wie geht's Isy?« , fragte er abermals, als er ihn unterbrach, weil er sich bewusst machen musste, was seine Frau gerade durchmachte.

»Nich' gut. Katja bleibt bei ihr und hilft ihr, so gut sie nur kann.« Vincent kniff seine Augen zusammen, denn er sah Isabelle vor sich, wie sie vorhin schreiend um sich schlug, als der Arzt die Diagnose stellte.

»Ich – ich – ich muss bei ihr sein. Ich will bei ihr sein. Sie kann das nicht alleine ... ohne mich ... ich muss ...«

»Dag ich weiß, aber du kannst jetzt gerade nichts tun. Ich wollte nur, dass du es weißt, bevor du hier ankommst.«

»Die könn'n nicht warten?«

»Nein. Sie haben schon begonnen. Ich weiß nicht, vielleicht schaffst du es ja. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird.«

»Kannst du rein zu ihr und ... kann ich mit ihr reden?« Dag heulte unentwegt, während er sprach.

»Ich hab's vorhin zur Diskussion gestellt, aber die Ärzte meinen, sie soll sich jetzt nur darauf konzentrieren, was vor ihr liegt und ... ihr Kreislauf ist eben wieder ein wenig zusammengesackt.«

»Sie braucht mich Vince.«

»Ich weiß.«

»Das ist auch mein Kind.« , wimmerte er.

»Ich weiß.« Vincent wusste nicht, was er tun sollte. Er wollte ihm so gerne helfen. Ihm beistehen, aber er war nicht mal in seiner Nähe.

Das Einzige, was er tun konnte, war ihm zuzuhören. Auch wenn es nur sein Wimmern war, was er teilweise vernahm, legte er nicht auf ...

... da er kein Ladekabel bei hatte, konnte er jedoch nur so lange mit ihm telefonieren, bis sein Akku den Geist aufgab. Er versprach trotzdem sich irgendwie bei ihm zu melden, wenn es irgendwelche Komplikationen oder so geben sollte.

Vincent steckte sein Handy in die Hosentasche und rieb sich die Schläfen, ehe er aus dem Wartezimmer verschwand und zur Toilette eilte, wo er sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzte und sich im Spiegel ansah. Er sah scheiße aus.

Mittlerweile war er schon einige Stunden hier und doch kam es ihm vor, als wäre die Zeit eingefroren, weil es auch nichts Neues gab. Er bewunderte seine Frau für ihre Stärke, dass sie sich sofort freiwillig meldete, Isabelle dadurch zu helfen.

Er hatte nicht nur Angst vor den Minuten, wenn es vorbei war, ihn ängstigte zugleich der Moment, wenn Dag eintreffen würde.

Zuerst hatte er nicht vorgehabt, ihm so etwas Wichtiges am Handy zu überbringen, aber er konnte und wollte ihm auch keine Lüge auftischen.

Isabelle selbst hatte es nicht sehr gut aufgenommen und Vincent untertrieb noch, als er Dag sagte, dass ihr Kreislauf ein wenig zusammengesackt war. In Wahrheit war sie so fertig gewesen, dass er teilweise Angst um ihr Leben hatte.

Noch nie hatte er sie so gesehen, geschweige denn jemanden so schreien hören, dass man regelrecht vernahm, wie ein Teil in ihr gestorben war.

Vincent war bereits anwesend gewesen, als ihr Herz gebrochen wurde, wie sie damals Dag mit Nicole vorfand. Er war an Dags Seite, als dieser mit seinem Leben kaum noch zurechtkam, als Isabelle ihn daraufhin verlassen hatte. Das hier jedoch war bei weitem schlimmer und ihm war jetzt schon klar, dass dies viel leidvollere Konsequenzen mit sich bringen würde, als alles andere davor.

Das, was heut geschehen war, würde so vieles ändern.

Er ging zurück ins Wartezimmer. Sein Kopf hämmerte. Er machte sich jetzt schon so viele Gedanken, wie er beiden helfen könnte. Was er tun könnte, um ihnen in dieser Zeit beizustehen.

Dann dachte er an Katja. Das, was sie jetzt ihrer Freundin zuliebe auf sich nahm, würde ebenso Spuren hinterlassen.

Das lag klar auf der Hand. Live dabei sein, wie die beste Freundin ihr totes Kind auf natürliche Weise gebären musste, würde auch an ihr nicht unmerklich vorbeigehen.

Vincent hoffte irgendwie, er würde jeden Moment wach werden und all das war nur ein böser Traum ... doch egal wie sehr er sich anstrengte, er saß weiterhin im Wartezimmer und wartete darauf, das es weiterging.

Ich bin der falsche Mann für die richtige Frau (Band 2)Where stories live. Discover now