𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟙

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2018

»Hey Andi. Setz' noch ne Runde auf meine Rechnung.« , rief Dag dem Inhaber der Bar zu.

Seit etlichen Jahren war dies schon der Treff der Freunde gewesen. Daran hat sich in all der Zeit auch nichts geändert ... nicht mal die Einrichtung, die bis dato immer dieselbe war wie damals, als Isy hier noch zusammen mit Katja und Hannah auf der Bühne stand.

Dag drehte sich um. Katja, Hannah - mittlerweile in der zwölften Woche schwanger - und ihr Mann Marcel saßen auf ihrem Stammplatz. Sein Blick fiel auf die Tanzfläche, wo Vincent und Isabelle das Tanzbein schwangen und laut den Text des Songs mitgröhlten. Auch das hat sich in all den Jahren nicht geändert. Er schmunzelte über den Anblick und betrachtete seine Freundin. Ihre langen Haare hatte sie zwischenzeitlich zu einem dunklen schulterlangen Bob umfunktioniert und auch das ein oder andere Tattoo zierte mittlerweile ihren Körper, von dem er noch immer nicht genug bekommen konnte.

Sie sah zu ihm rüber und formte ihre Lippen zu einem Kussmund, bevor sie von Vincent wild herumgewirbelt wurde und sie aus dem Lachen kaum noch rauskam.

»Hier Jung. Schaffste alles alleine rüber?« , erkundigte Andi sich bei ihm.

»Denkst du, ich bekomme kein Tablett getragen?« , lachte er.

»Dir ist klar, das ich weiß, die wievielte Runde ihr schon bestellt habt.«

Dag grinste ihn spitzbübisch an. »Ich bekomm dat hin.«

»Sach ma' kannste mir mal sagen, ob du eventuell zu viel Östrogene produzierst, oder wat hängste hier wie ein Waschweib hunderte Jahre, statt uns das Gesöff zu bringen?« Katja sah ihn fragend an.

»Hömma, lass dem Mann mal etwas Zeit, oder bist du auf der Flucht?« , stupste Dag sie lachend an.

Andi beugte sich über den Tresen. »Hören Sie mal zu Frau Stein.« Er sprach sie mit Absicht so an, während er gespielt die Nase rümpfte. »Wenn Sie ein Problem haben, dann bewegen Sie Ihren Zuckerarsch demnächst doch im Alleingang mal an die Theke oder bedienen sich einfach selbst. Da habt ihr doch sonst auch kein Problem mit.«

»Wolltest du nicht noch eine Aushilfe einstellen?« , fragte sie ihn, nach dieser Alberei, ernsthaft.

»Heutzutage ist das schwerer Kindchen. Ich hab ja Daniela.« Er zeigte auf die jüngere Studentin, die gelegentlich bei ihm aushalf und am hinteren Ende der Theke gerade einen Mann bediente. »Ihr Bruder hilft auch öfters aus.«

»Du solltest kürzer treten.« , meinte sie liebevoll.

»Was soll ich denn sonst den lieben langen Tag tun?« Vor drei Monaten war seine Frau nach schwerer Krankheit gestorben. Katja verstand, dass er sich nun umso mehr an die Arbeit klammerte.

»Mach gleich 'ne Pause und dann setzt du dich zu uns.«

»Falls Danielas Bruder kommt, geselle ich mich nachher zu euch.« , versprach er.

Dag nahm das Tablett, als sein Handy in der Hosentasche vibrierte. »Hol mal mein Handy raus.« , bat er Katja und bot ihr seine untere Hälfte an.

»Ich greif' dir doch nicht in die Hose. Wer weiß, was ich da sonst nachher noch umpacke.« , lachte sie.

»Ach du Flitzpiepe. Komm halt fest.« Er übergab ihr das Tablett. »Das könnten auch unsere zwei sein.« Er sah auf sein Handy und hielt dann triumphierend Katja das Display vor die Nase, auf dem groß der Name Nia mit einem Herzchen versehen war. »Geh' schonmal vor. Ich geh kurz raus.« Er wischte den grünen Hörer beiseite und hielt sich das Handy ans Ohr. »Warte Schätzchen ich geh' kurz raus.« , wiederholte er nun ebenso und drängte sich durch die Leute hindurch, bis in den Flur und schließlich ganz hinaus. Es war kalt. Was auch nicht anders Ende Oktober zu erwarten war. »So. Was is' los Engelchen?«

»Robin und ich wollen Slender Man gucken, aber Tatjana lässt uns nicht.« , beschwerte seine Tochter sich.

»Ihr sollt doch auf Tatjana hören.«

»Ehm ... nein. Die kann uns doch nicht vorschreiben, was wir gucken und was nicht.«

»Im Grunde schon. Dafür bezahlen wir sie ja.«

»Nein. Ihr bezahlt sie, damit sie auf uns aufpasst und Abendessen macht.« , verbesserte sie ihren Vater.

Dag grinste. Nia ließ sich noch nie gerne etwas vorschreiben. »Ab wie viel Jahre ist der denn?«

»Keine Ahnung.« , log sie.

»Deine Mutter killt mich, wenn ich jetzt ja sage.«

»Ach Papa.« Sie setzte ihre bettelnde Stimme ein. »Das bekommst du schon hin.«

»Was ist mit Robin ... will er ihn wirklich gucken?«

»Roooobiiin.« , plärrte sie etwas lauter und Dag hielt sich kurz das Handy weg. »Sag mal meinem Papa, dass du den auch gucken willst.«

»Ja. Will ich.« , hörte er Vincents Spross im Hintergrund rufen. Robin kam auf den Tag genau, ein Jahr später als Nia auf die Welt und erwartungsgemäß sind sie wie Geschwister aufgewachsen. Die zwei waren schon immer unzertrennlich, deswegen verbrachten sie auch stets die Nächte bei dem jeweils anderen Paar zu Hause, wenn die Eltern mal wieder feiern gehen wollten.

Tatjana, die bereits auf die Kinder aufpasste, seit sie drei und vier waren, war natürlich schon eingespielt und wusste, wie beide tickten. »Komm gib' sie mir mal.« , meinte er zu seiner Tochter, die sofort jubelte, ohne das etwas beschlossen war.

»Tatjaaaaaaaanaaa. Mein Papa möchte dich sprechen.« , hörte er Nia mit langgezogenen Vokalen und Überlegenheit in der Stimmlage rufen.

»Der Film ist ab sechzehn Dag.« , sagte die Mittvierzigerin, als sie drankam.

»Die sind doch nah dran.«

»Die sind zwölf und dreizehn und du weißt ganz genau, das die danach Angst bekommen werden.«

»Lass sie gucken. So klein sind die auch nicht mehr.«

»Weiß Vincent das?«

»Natürlich.« , log er. Und er war sich sofort im Klaren darüber, dass Tatjana wusste, dass dies nicht der Wahrheit entsprach.

Er hörte sie Aufstöhnen. »Das geht auf deine Kappe, wenn die später nicht schlafen wollen.«

»Ich weiß.« Er wusste, dass er das erst mit zeitlichem Abstand ausbaden müsste. Schließlich schliefen die Kinder heute bei Vincent und Katja zu Hause.

»Ich liebe dich Papa.« , sagte jetzt Nia, die wieder am Apparat war.

»Ich liebe dich auch mein Schatz.« , meinte er. »Schlaft später gut.«

»Danke Daaaag.« , rief Robin aus der Ferne.

»Gerne doch. Aber verpetzt mich nicht.«

»Haste gehört Robin?«

»Jaaaaaaaa.«

Isabelle lugte hinaus und sah Dag fragend an. »Ist etwas passiert?« , flüsterte sie.

Er schüttelte den Kopf. Sie grinste und hielt einen Schlüssel hoch. Er benetzte sich die Lippen, und sein Lächeln wurde sichtbar breiter. »Ehm Schatz. Ich muss jetzt auflegen. Hört auf Tatjana.«

Ich bin der falsche Mann für die richtige Frau (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt