𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟙𝟛𝟞

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Dag traf sich, nach zehn Tagen Abstand, wieder seit Wochen regelmäßiger mit Carla.

Teilweise, ohne schlechtes Gewissen zu haben. Zumal er irgendwie von Isabelle enttäuscht war. Es kam keine Änderung. Und als er sie auf Doktor Wagner angesprochen hatte, wann denn ihre erste Sitzung wäre, oder ob sie schon da gewesen wäre, meinte sie nur, sie würde da nicht hingehen.

Er wusste nicht, dass sie sich einen anderen Therapeuten gesucht hatte. Jemanden, der speziell für sexuelle Störungen ausgelegt war.

Sie wollte einfach nicht mehr zu dem Arzt, den sie mehrmals belogen hatte. In Bezug auf ihre Ehe, ihre Gefühle ... einfach alles. Sie hatte ihm eine heile Welt vorgegaukelt und wollte nicht zugeben, das alles, was sie gesagt hatte, ein Lügenmärchen war.

Trotzdem, und sich seinem Fehltritt nichtsdestominder bewusst, schrieb Dag die letzten Zeilen seines Parts zu Ende, als er mit Vincent im Studio hockte.

Er las sich nochmal alles durch, runzelte die Stirn und elidierte dann den Teil „ich hab diese eine Frau gedatet ..." und machte daraus „schon tausend Frau'n".

Er hatte nämlich keine Lust, dass Katja, die sich zu guter Letzt wie gehabt beruhigt hatte, ihm wieder auf die Schliche kommen würde.

»Hast du's endlich?« , fragte Vincent. »Oder kann ich dir irgendwie helfen?!«

»Nein. Nein. Ich hab's. Ich glaube, so ist es gut.«

»Du sitzt da schon Wochen dran. Wir hätten das auch gemeinsam machen können. « Vincent nahm den Zettel entgegen und las.

»Nein. Das musste ich alleine für mich machen.«

»Joa. Is' gut.« , meinte er. »Passt auf jeden Fall gut zum Übrigen.« Er rollte an seinen Tisch. »Komm', geh mal rein und träller' mir die Strophe vor.« Dag nickte und ging zum Kondensator-Mikrofon. »Hier. Nimm den Zettel mit.«

»Brauch' ich nicht.« , sagte er und zeigte auf seinen Kopf. »Der ist schon hier eingebrannt.«

Vincent hoffte es und gab ihm ein Zeichen. Dag schloss die Augen und begann seine Zeilen, mit vollem Gefühl. »Du bist alles, was ich brauch. Und jetzt gibst du mich auf. Du hast mein Herz geraubt. Ohne dich geh' ich drauf. Und ich weiß, es gibt keine zweite Chance. Doch wer weiß, kann doch sein, vielleicht hörst du diesen Song, ja. Ich hab schon tausend Frau'n gedatet, nein, ich will das nicht mehr. Ich stell mir immer vor, dass du das wärst.«

Sein bester Freund sah ihn mit enganliegenden Augenbrauen an.

»Was ist?« , fragte Dag.

»Nichts. Nichts. Alles gut.« Vincent merkte sofort, wie persönlich er diesen Part eingesungen hatte, wollte ihn jedoch nicht darauf ansprechen. »Hört sich gut an so, aber vielleicht kannst du bei dem Part hier ...« Er zeigte auf eine Zeile. »... mit deiner Stimme tiefer gehen. Rauer. Du verstehst?«

Dag nickte und testete es sofort aus.

Vincent nickte nun ebenso. Er hatte seinen Freund nicht mehr auf diese Sache angesprochen, aber jetzt, wo er wusste, wie es um ihn und Isabelle stand, bemerkte er umso öfter diese Veränderungen. Ob es Dags Verhalten war oder wie er generell auf gewisse Dinge reagierte.

Auch diese Zeilen, die er verfasst hatte, waren viel zu persönlich. Das war nicht nur so dahingedichtet. Ihm war dies schon bei einigen Parts fürs neue Album aufgefallen.

Mittlerweile glaubte auch Vincent, dass seine Frau nicht nur irgendwas hineininterpretiert hatte, sondern wahrlich etwas Reales gesehen haben musste.

... und das Dag ihn belogen hatte.

»Geht's dir gut?« , fragte er ihn wie aus dem Nichts.

Dags Augenbraue schnellte hinauf. »Klar. Warum fragst du?«

»Einfach so. Konversation. Ich meine nur, du weißt, wenn dich etwas bedrückt oder so, dann laber mich voll ... mir macht das nichts aus.«

Dag grunzte auf und setzte sich auf die Couch. »Was willst du hören?«

»Dag, das soll kein Verhör werden, aber manchmal tut es gut, wenn man ... über seine Probleme spricht.«

»Ich geh' zur Therapie.« , erinnerte er ihn. »Ich schwadroniere genug.«

»Einen Freund mit dem man redet oder ein Fachmann ist schon ein Unterschied.«

»Das Auf und Ab mit Isy kotzt mich an.« , sprach er nach einigen Sekunden und lehnte sich mehr zurück. »Obwohl es kaum hinauf geht, jedoch verstärkt hinunter.«

»Hast du mit ihr darüber gesprochen?«

»Über was? Sie fühlt sich immer direkt angegriffen. Nur ich mach' die Fehler. Nicht sie.«

»Ihr müsst dringend irgendwie etwas finden, das ihr beide zu einem Nenner kommt.«

»Ein Nenner? Was meinst du? Trennung, oder was?«

»Nein.« Erschrocken sah er ihn an. »Oder denkst du darüber nach?«

Dag zuckte mit den Schultern. »Ich liebe sie. Aber reicht das aus, wenn man der Einzige ist, der liebt?«

»Du denkst, sie liebt dich nicht mehr?«

»Zumindest nicht mehr so, wie früher. Sie fasst mich ja kaum an. Ich warte ja schon darauf, dass ich irgendwann gesiezt werde, so fremd sind wir uns geworden.«

»Du denkst, über eine Trennung nach?« , horchte Vincent vorsichtshalber nochmal nach.

Erneut zuckte Dag mit den Schultern. »Was soll ich denn tun? Ich erreiche sie nicht und ... ich komm' nicht klar mit dieser Kälte.«

»Überrasch' sie.« , schnellte es aus seinem besten Freund heraus.

»Was? Mit was?«

»Reservier' ein Hotel. Irgendwo. Es muss ja nicht allzu weit weg sein. Wenn ihr zwei für euch seid, das kann helfen. Raus aus dem Alltag.«

»Vincent, sie will mit mir nicht wegfahren. Ich hab' es doch oft genug vorgeschlagen.«

»Ja. Vorgeschlagen. Aber ich meine, einfach machen. Sie wird bestimmt nicht nein sagen, wenn du ihr die Tickets aufs Auge drückst.«

»Meinst du?«

»Ihr habt immer Schubser benötigt, um zu euch zu finden. Ob es beim Ansprechen war, euer Treffen, der Kuss, einfach alles ... das hier ist mein Schubser an dich. Buch' ein Hotel. Schnapp' dir deine Frau und ... werdet wieder das, was ihr wart.«

»Du meinst, das klappt?«

»Mit Sicherheit.« , sagte Vincent.

»Sie hat erst über Neujahr Urlaub.«

»Dann mach' es da. Nia und Robin hängen eh wieder viel mehr miteinander rum in letzter Zeit. Sie kann dann auch bei uns schlafen, damit sie Silvester nicht alleine feiert.«

»Meinst du wirklich, dass ich das machen soll?«

»Mach's einfach. Isabelle benötigt auch einen Schubser.« Vincent griff nach seiner Redbull-Dose. »Schubs sie.«

Ich bin der falsche Mann für die richtige Frau (Band 2)Where stories live. Discover now