Darios Blick sagte mehr, als es tausend Worte je tun könnten. «Ich esse nichts», meinte er dann nur dumpf und sah zu, wie Vicky sich mit tropfendem Mund an seine Waffel machte.

«Habe nicht gesagt, dass du musst.» Ich ging etwas zur Seite, um den Damen mehr Platz zu machen, doch sie hatte sowieso nur Augen für Dario, der an einer Kippe zog und mich genervt anschaute. «Warum dann die Gabel?» «Falls du es versuchen möchtest.»

Er schnaubte auf und verdrehte seine Augen. Sein Verhalten sagte mir, dass er wieder kleine Entzugserscheinungen hatte. Dieses schnelle Aufbrausen oder die Stimmungsschwankungen sagten mir, dass es wieder schlimmer wurde. Da vermisste jemand die Wirkung seiner geliebten Pillen.

«Non voglio provare, Noè!» «Ist ja gut. Du musst nicht woll-» «Ich wusste es. Verdammter Ausländer! Junger Mann, wir befinden uns in Amerika, wenn du Englisch sprechen kannst, tu es gefälligst, verstanden?»

Bei allem Respekt, Mam. Ich denke nicht, dass jetzt ein guter Zeitpunkt war, Dario so anzufahren. Er sah sie an, zog an der Zigarette und atmete den Rauch genau vor ihrem Gesicht aus.

«C'è altro?» Er provozierte, in dem er sie fragte, ob sie sonst noch was zu sagen hatte. «Kinder wie du, nehmen den richtigen, amerikanischen Kindern Plätze weg, die sie eher brauchen und verdienen! Also, wenn du schon hier bist und die Hilfe von unserem Staat bekommst, kannst du dich auch wie ein Amerikaner benehmen! Fang damit an, die Sprache zu lernen.»

Ich schritt ein. «Mam, ich möchte nicht unfreundlich sein, aber er hat das Recht, die Sprache zu sprechen, die er möchte.» Sie fuhr mich an, «Wenn er hierbleiben will, hat er Englisch zu reden! Mir ist scheißegal, woher er sonst noch kommt! Wenn er unsere Sprache und unser Volk nicht genug zu schätzen weiß, kann er dort zurückgehen, wo er geboren ist!»

«Das wäre knapp drei Straßen weiter. Darf ich nur dort Italienisch sprechen? Ich verstehe Ihren Punkt nicht.» Dario trat seinen Kippenstummel aus und schaute kurz zu Vicky, der unsicher mit den Schultern zuckte.

«Werd ja nicht frech, du kleiner Immigrant. Ich rufe die Polizei!» Sie zückte ihr Handy und Dario seufzte genervt aus.

Augen verdrehend rieb er sich sein Gesicht und murmelte, «Mamma mia...» «Was hast du gesagt? Beleidige mich nicht! Du belästigst mich!»

Mir fiel die Kinnlade runter. War so etwas normal? Nein, oder? So, wie Dario reagierte, schien das nicht das erste Mal für ihn zu sein.

Er hatte sie nicht einmal belästigt, weder noch beachtete er sie. Sie war diejenige, die uns angegriffen hatte. «Du bist der Sohn vom rothaarigen Junkie, nicht wahr?» Sie begann zu grinsen, «Genau der bist du. Wusste ich es doch.» Seine Miene zerfiel. Trauer...

«Lass gehen», meinte Dario nur und schaute ein letztes Mal zur Dame, die ihn immer noch so ansah, als hätte er sie und ihren ganzen Stammbaum beleidigt. «Ahhh! Er greift mich an!» Bitch? Womit? Seinen Augen?

Ihr Geschrei erregte Aufmerksamkeit, die Dario nicht brauchte, weshalb ich ihn von ihr wegholte und zusah, wie Vicky dazwischen kam. «Mam, bitte. Wir sind nur am Gehen. Hören Sie bitte auf zu schreien. Wir haben nichts gemacht.»

Sie fuhr auch ihn an und zeigte mit ihrem Finger auf seine Brust. «Was hast du, du kleines Mädchen, schon zu sagen? Natürlich verteidigst du ihn.» Vicky schluckte.

«Zeig verdammt nochmal Anstan-» Dario wurde anhand der Tatsache, dass sie Vicky Mädchen genannt hatte, wütend und wollte sich doch enger einmischen, aber ich wusste, würde dies geschehen, hätten wir vielleicht weniger Chancen, hier unversehrt davonzukommen als eh schon.

«Nein, stopp. Ist okay. Lass uns einfach gehen.» «Hilfe! Er greift mich an! Er hat mich beklaut und angefasst! Er belästigt mich! Hilfe!» «Ich bin 15...» Er wandte sich von ihr ab und fummelte nach einer Kippe. «Wenn ich etwas anfasse, dann nichts Vergammeltes.»

Sie hörte nicht auf zu schreien und wollte Darios Kapuze sogar mehrere Male packen, als ein großer Man, schick und sauber gekleidet, dazwischen kam und sie darum bat, von Dario wegzutreten.

«Mam, ich bitte Sie. Das ist ein Kind, das sie hier beschuldigen.» «Und wer sind Sie? Sie sind erst jetzt hier aufgetaucht. Wie können Sie wissen, ob er mich nicht wirklich belästigt?» Er schüttelte seinen Kopf und die mir bekannten schwarzen Locken wippten hin und her, da sie das Gel nur schlecht bändigen konnte.

«Dieser kleine Ausländer-Bastard soll verdammt nochmal festgenommen werden! Er belästigt meine Kultur, indem er sie missachtet und verletzt!» Wenn hier jemand festgenommen werden sollte, dann definitiv sie.

«Was haben Sie für ein Problem mit Ausländer? Ich bin auch einer.» «Ja, aber Sie sprechen unsere Sprache! Sie haben sich angepasst! Solche Kinder wie er, sind die Zukunft unseres Landes und wenn alle wie er sind und unsere Kultur missachten, werden wir bald keine Amerikaner mehr hier haben! Er zerstört unser Land!»

Ich hätte mich gerne eingemischt, aber ich stand genauso baff wie Dario da. Wir beide kamen gerade nicht auf unseren Retter klar. «Mam, ich bitte Sie, meinen Sohn in Ruhe zu lassen. Er spricht fließend Englisch und ist hier zur Welt gekommen. Wenn Sie Probleme haben, rate ich Ihnen, sich einen Therapeuten zu suchen, aber bis dahin wäre es vornehm, wenn Sie Kinder, die nichts für Ihre Halluzinationen können, einfach ihr Leben leben lassen.»

Santiago wandte sich an uns und sah Dario aus neutralen Augen an. «È meglio che tu vada ora. Mi assicurerò che non ti segue.» Alles, was Dario zustande brachte, war ein schwaches Nicken, als er Vicky und mich an den Unterarmen, da wir beide noch an den Waffeln knabberten, mit sich mitzog.

Er wagte es nicht, das Schweigen zu brechen. Auch ich wusste nicht, mit welchen Worten es gebrochen werden sollte. Santiago war die letzte Person gewesen, die ich hier erwartet hatte.

Auch Dario sah so aus, als konnte er es nicht fassen und viel mehr war mir auch noch aufgefallen, wie gehorsam er reagiert hatte. Es war fast schon so, als hätte er Angst gehabt.

Wie schlimm musste Santiago mit ihm umgegangen sein, dass selbst ein frustrierter, pillenwollender Dario so zahm handelte?

«Das war dein Dad? Ich dachte, der ist ein Arschloch?» Vicky putzte sich seinen Mund mit der Serviette ab. «Ist er auch. Keine Ahnung, was das sollte.» Ja, ich hatte auch keine Ahnung...

«Alles okay?», fragte ich sanft nach, doch Dario schätzte meine Fürsorge nicht. «Man, ja! Frag das nicht immer! Iss weiter und lass endlich zurück zur Station gehen!» Dass er so reagierte, nahm ich ihm nicht übel.

Schließlich fragte ich ihn das wirklich etwas zu viel, weshalb ich mir mental niederschrieb, ihn das nicht mehr zu fragen. Aus Fehlern lernte man. Vor allem bei einem Menschen wie Dario, der einen direkt darauf aufmerksam machte.

Und sein plötzliches Hetzen, was die Station anging, verband ich mit den Entzugserscheinungen. Dort würde man ihm wieder Antidepressiva und Beruhigungstabletten geben, welche ihm eine Wirkung geben würden, die er gerade brauchte. Aber zum Glück würde er nur das bekommen, was ihm verschrieben wurde. Nicht mehr.

 Nicht mehr

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Okay... Santiago... I see u...

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