Kapitel 39

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Seit Wochen laufen die Vorbereitungen für die Krönung und die Hochzeit auf Hochtouren. Die Krönung wird heute nachmittag stattfinden, während unsere Hochzeit in genau zwölf Wochen folgen wird. Ich pendle von der einen Anprobe zur nächsten, probiere Torten und Hauptgänge, habe Einladungen verschickt und Sitzpläne erstellt, während Lucian seinen Aufgaben als künftiger König nachging. Er ist von Tag zu Tag nervöser geworden und erst abends, wenn wir allein im Bett lagen, konnte er ein wenig entspannen und aufatmen. Und trotz des ganzen Stresses, nahmen wir uns fast jeden Abend Zeit, an unserer Familienplanung zu arbeiten.

Ich stehe vor dem Spiegel in meiner alten Suite und halte die Luft an, während eines der Dienstmädchen mein Kleid zuschnürt. Bei der gestrigen Generalprobe konnte ich bequeme Kleidung tragen, doch heute muss ich mich in das ausladende Kleid zwängen, welches für die Krönung für mich angefertigt wurde. Wären Lucian und ich bereits verheiratet, hätte ich heute auch einen Eid sprechen müssen und man hätte mich gekrönt, doch da wir nur verlobt sind, steht heute Lucian allein im Rampenlicht. Dafür werde ich an unserem Hochzeitstag zu meinem ehelichen Eid einen weiteren ablegen müssen, der mich anschließend zur Königin macht. Marlene hat mir ans Herz gelegt, diesen Eid schon auswendig zu lernen, doch bisher habe ich mich damit nicht beschäftigt. Ich hatte genug um die Ohren. Meine Mom sitzt bereits fertig angezogen, frisiert und geschminkt auf einem der Sessel hier im Zimmer und vergießt ständig Tränen, weil sie mich so schön findet. Lucian wird getrennt von mir fertig gemacht und das stört ihn enorm. Seine Nerven liegen schon seit dem Frühstück blank. Er hat lediglich eine halbe Tasse Kaffee getrunken, an etwas zu Essen war nicht zu denken. So nervös habe ich ihn noch nie erlebt.
"Ist es auch nicht zu eng, Miss O'Brien?", fragt Lizzy und macht eine Schleife. "Ich weiß nicht. Sollte ich atmen können?", frage ich und atme vorsichtig aus. "Soll ich es ein wenig lockerer binden?", fragt Lizzy unsicher und will die Schleife schon wieder öffnen, als Janett sie unterbricht. "Vielen Dank Lizzy, das ist genau richtig so." Ich stämme die Hände in die Hüfte und atme etwas flacher. "Ich dachte, dass das eher so ein Mittelalterding war, Frauen die Luft abzuschnüren.", murmle ich. "Manche Dinge ändern sich nie. Schon gar nicht, wenn man die zukünftige Königin ist.", "In meinem Brautkleid kann ich bestimmt freier atmen.", murre ich. Mom wird hellhörig. "Du hast schon ein Kleid?", fragt sie und wirkt beinahe enttäuscht. "Nun ja, viel Auswahl hatte ich nicht. Im Prinzip musste ich mich nur hinstellen und stillhalten, bis alle Maße genommen wurden. Es war nicht wirklich eine Shoppingtour. Und das Kleid wird jetzt gerade erst gemacht. ", beruhige ich sie. Mir ist klar, dass sie gern dabei gewesen wäre, wenn ich mein Brautkleid aussuche. Leider musste meine Familie nach dem Pferderennen für ein paar Tage zurück nach Hause, da die Arbeit auf dem Gestüt sich nicht von allein erledigt, doch seit heute früh sind sie wieder hier. Allerdings werden sie morgen Abend wieder nach Hause fliegen und dann erst wieder zur Hochzeit herkommen. "Es gibt also Vorschriften wie das Kleid auszusehen hat?", fragt Mom und Janett nickt. "Der Rock muss schlicht sein, spitze am Oberteil ist Pflicht, es muss vorne geschlossen sein, hinten wenn möglich auch. Oh, und lange Ärmel sind auch Pflicht." Ich sehe Mom vielsagend an und sie kichert. "Ich bin mir sicher, dass du wunderschön sein wirst.", lächelt sie. Ich lächle zurück, aber dann drängt Janet mich in meine Schuhe zu steigen. "Können wir nicht doch etwas lockerer binden? Ich kriege wirklich nicht sehr gut Luft.", seufze ich und versuche mir mit der Hand Luft zuzufächern. "Ich verstehe das nicht. Das Kleid hat so gut gepa-" Janet hält abrupt inne. "Sie und der Prinz haben doch wohl nicht vorzeitig mit der Kinderplanung begonnen?", fragt sie aufgebracht. Auch Mom hebt fragend die Augenbrauen. Ich seufze. "Ich bin nicht schwanger. Das Frühstück morgens ist einfach zu lecker. Und wir versuchen es erst seit ein oder zwei Wochen. Da kann noch nichts sein.", sage ich niedergeschlagen. Ich habe in den letzten Wochen tatsächlich ein klein wenig zugenommen. Ich habe heute früh einen Schwangerschaftstest gemacht, doch der war negativ und seitdem hasse ich meine Waage. Aber wahrscheinlich war es für einen Test auch einfach noch zu früh. "Oh Charlotte.", seufzt Janet und schürzt die Lippen. Ich zucke entschuldigend mit den Schultern. "Das Gewicht darf sich von nun an nicht mehr verändern. Was für ein Chaos würde ausbrechen, wenn das Kleid am Tag der Hochzeit nicht passt. Aber nun gut, lockern wir die Schnüre ein wenig. Aber nun schnell, wir haben nicht mehr viel Zeit." Schnell wird mein Kleid gelockert, damit ich atmen kann. Als wir endlich fertig sind, gehe ich mit Mom runter in die Eingangshalle, wo bereits die ganze Familie versammelt ist. "Ist Lucian schon los?", frage ich, als ich ihn nicht ausfindig machen kann. "Nein, er ist noch oben.", antwortet Collin. Ich nicke angespannt. Meine Eltern werden von zwei Securitys nach draußen begleitet. Sie werden gemeinsam mit dem Auto zur Kirche fahren, während ich mit Maria und Collin mit Eliza in einem Auto fahren werde. Ebenso wie der König und die Königin. Lucian wird allein sein. Er wird allein in einer Kutsche zur Kirche gebracht. Weshalb ich nicht bei ihm sitzen darf, ist mir ein Rätsel. Der Grund ist, dass wir noch nicht verheiratet sind, doch für mich ergibt das keinen Sinn. "Du sieht bezaubernd aus.", lächelt Frederick und nimmt meine Hand, um sie zu küssen. " Dankeschön, Majestät.", lächle ich und erröte. "Majestät. Der letzte Tag, an dem ich so angesprochen werde. Da werde ich glatt ein wenig wehmütig.", lächelt er. Nur König und König werden mit Majestät angesprochen. Sobald Lucian nachher die Krone auf dem Kopf hat, ist Frederick nur noch mit Hoheit anzusprechen. Marlene tätschelt ihrem Mann die Hand. "Da habe ich noch etwas Zeit. Als Königinmuttert steht mir die Anrede Majestät noch weiterhin zu." Ich lache. "Als ob ihr darauf Wert legt." Marlenes sanftes Lächeln erwärmt mir das Herz. "Da hast du recht." Sie will noch etwas sagen, doch als wir Lucian entdecken, der langsam die Treppe hinunterkommt, verstummen alle. Er trägt eine blau-goldene Uniform, darüber einen roten Umhang mit weißem Fell. Ich schlucke schwer, denn plötzlich wird alles so ernst. Dieser Mann, mein Verlobter, wird heute zum König gekrönt.

Sei meine KöniginOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz