Kapitel 24

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Janet nickt zufrieden, während sie um mich herumschleicht und mich von Kopf bis Fuß begutachtet. Ich stecke in einem Hautengen dunkelblauen Kleid, das kurz über meinen Knien endet. Hinten ist in der Mitte am Saum ein kleiner Schlitz, der das Gehen erleichtert. Es hat lange Ärmel und einen großen Runden Ausschnitt. Abgerundet wird es mit einem breiten schwarzen Gürtel, der um meine Taille gebunden ist. Dazu trage ich hohe schwarze Pumps, die das Gehen wiederum sehr viel schwerer für mich machen. Für meine Füße, die nur flache Schuhe und Stiefel gewöhnt sind, sind sie sehr unangenehmen. Und doch habe ich das Gefühl, dass die Schuhe recht bequem sind. Ein Widerspruch von vorne bis hinten. Um meinen Hals trage ich die Kette, die Lucian mir geschenkt hat, als er mich in England zurücklies, doch mein Verlobungsring steht noch immer in Vordergrund. Weil die Pressekonferenz wegen Lucians und meiner Verlobung einberufen wurde, hat Janet mich in ein sehr schlichtes Outfit stecken lassen, denn es ist wichtig, dass der Ring im Vordergrund steht. Ich wäre meinetwegen auch in Jeans und Bluse gegangen, aber das kam wohl absolut gar nicht in Frage. Meine roten Haare sind zu einem schlichten Dutt gebunden. Ich liebe diese Frisur. An meinen Ohren trage ich schlichte Ohrstecker, die zu meiner Kette passen und auch den Zweck erfüllen, dem Ring nicht die Show zu stehlen. Wenn ich in den Spiegel sehe, kann ich eine junge hübsche Frau erkennen, die trotz ihrer Nervosität voller Glück strahlt. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so ausgesehen zu haben. "Du siehst perfekt aus.", beschließt Janet und tritt nun einen Schritt zurück. "Aber irgendwas fehlt noch.", murmelt sie nachdenklich. "Ich denke das einzige was bei diesem Anblick noch fehlt bin ich." Ich drehe mich um und entdecke Lucian in der Tür. Er trägt wieder einen Anzug, diesmal jedoch einen anderen und vor allem trägt er eine dunkelblaue Krawatte. Vorhin im Stall hatte er keine getragen und die obersten Knöpfe seines Hemdes waren offen. Locker und lässig. Nun steht der zukünftige König vor mir. Erwachsen, machtvoll, dominant. Ein Mann, der ganz genau weiß was er will und der sich seiner Autorität bewusst ist. Er kommt zu mir und stellt sich neben mich. "Stimmt.", lächelt Janet zufrieden. "Du siehst wunderschön aus, Liebling.", "Du auch.", erwidere ich lächelnd. Lucian küsst meine Schläfe, dann führt er mich aus dem Zimmer. "Wo wird die Konferenz sein?" Ob wir dafür irgendwo hinfahren müssen? "Wir haben hier im Schloss einen Raum, der extra für solche Dinge ausgestattet wurde. Ein Podest mit einem Rednerpult wo ein Mikrofon ist und Stühlen für die königliche Familie und natürlich für die Leute der Presse." Wie groß ist dieses Schloss bitte? Ich kenne vermutlich nicht einmal die Hälfte der Räume. "Hier ist es. Wir warten noch ein wenig, bis alle Platz genommen haben. Man wird uns dann reinholen.", erklärt Lucian mir, als wir vor einer Tür stehen bleiben. Im selben Moment kommen Collin und Eliza um die Ecke. Unbehagen macht sich in mir breit. Ich hatte bisher nicht die Gelegenheit, mich mit ihr auszusöhnen. "Ihr seid ja schon da.", lächelt Collin. Ich nicke und sehe Eliza an, die mich anlächelt. "Haben wir noch ein paar Minuten?", frage ich meinen Verlobten. "Die Pressekonferenz fängt dann an, wenn wir sie beginnen.", antwortet er, wohl wissend wieso ich diese Frage gestellt habe. "Eliza? Wollen wir kurz ein Stück gehen?" Sie sieht Collin an, der ihr aufmunternd zunickt. "Also schön.", sagt sie und lässt den Arm ihres zukünftigen Mannes los. Wir gehen nebeneinander den Flur entlang und ich weiß nicht recht, wie ich anfangen soll. Als mir das Schweigen aber zu viel wird, bleibe ich stehen und sehe sie direkt an. "Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht verletzen und ich weiß, dass ich dir versprochen habe, dass ich dich niemals hintergehen würde. Ich wollte auch nach Hause fliegen, ich saß schon im Flieger, aber ich konnte ihn einfach nicht zurücklassen. Bitte verzeih mir, ich möchte wirklich nicht, dass etwas so großes zwischen uns steht. Schon gar nicht, wenn du bald meine Schwägerin bist." Elizas Schultern sacken zusammen. "Ihr habt mich wirklich sehr verletzt. Aber ehrlich gesagt bin ich euch nicht böse. Ich wusste, dass ihr euch liebt. Und außerdem bin ich überglücklich, dass Collin mich zur Frau nehmen will. Ich glaube ich bin als Frau eines Prinzen besser geeignet als dass ich an der Seite eines Königs stehe. Vielleicht hat Königin Marlene Recht, dass ich zu dünne Nerven habe. Außerdem ist Collin wirklich... Nun ja." Eliza errötet und lächelt verlegen. "Collin liebt dich. Hätte es diese Missverständnisse zwischen Lucian und mir nicht gegeben, dann-", "Dann hätte Collin um meine Hand angehalten, ich weiß. Ehrlich gesagt bin ich froh, dass er es jetzt getan hat. Collin und ich sind besser füreinander geeignet. Lucian passt einfach nicht zu mir und ich nicht zu ihm. Ich freue mich wirklich für euch. Und außerdem bin ich schon sehr lange in Collin verliebt." Wieder errötet sie. "Also ist zwischen uns alles in Ordnung?" Kurz überlegt sie, doch dann nickt sie lächelnd und ich umarme sie dankbar. "Lass uns zurück gehen. Die Leute von der Presse warten sicher schon auf uns." Zusammen gehen wir zurück zu den beiden Prinzen. "Alles in Ordnung?", fragt Lucian leise und hält mir seinen Ellbogen entgegen. Ich hake mich bei ihm ein und nicke. Die Tür vor uns wird geöffnet und kaum haben wir den Raum betreten, beginnt das Blitzlichtgewitter und ich weiß gar nicht wo ich hinsehen soll. "Alles gut, Liebling.", flüstert Lucian mir zu. Ich sehe zu Collin und Eliza, die das hier deutlich besser meistern als ich. Sie setzen sich auf die Stühle und auch die Presseleute setzen sich, während Lucian bereits mit mir hinter dem Rednerpult steht und mit der Hand für Ruhe sorgt. Er ist wirklich geeignet König zu werden. "Ich heiße Sie alle herzlich willkommen. Wie sicher aufgefallen ist, steht neben mir nicht Eliza von Glenth, sondern Charlotte O'Brien. Hiermit gebe ich offiziell bekannt, dass ich in wenigen Monaten die Frau an meiner Seite heiraten werden und mein Bruder Prinz Collin mit Eliza von Glenth den Bund der Ehe eingehen wird. Wir sind nun für Fragen offen." Sofort schießen sämtliche Arme in die Luft. "Bitte." Lucian deutet auf einen Mann, welcher daraufhin aufsteht. "Eure Hoheit, wieso kam es zu diesem Durcheinander? Sie hatten doch ursprünglich die Absicht, sich mit Eliza von Glenth zu verloben." Lucian räuspert sich. "Wie bereits bekannt war, habe ich Charlotte als sehr gute Freundin vorgestellt. Ursprünglich hatte ich den Plan um ihre Hand anzuhalten, doch wegen einiger Missverständnisse kam es nicht dazu. Erst später wurde klar, dass eine Verlobung mit Eliza nicht mehr in Frage kommt." Der Mann setzt sich und sofort gehen wieder alle Hände nach oben. Nun zeigt Lucian auf eine blonde Frau. "Wieso heiratet Prinz Collin jetzt plötzlich?" Lucian sieht nach hinten zu seinem Bruder und tritt mit mir zur Seite. Collin stellt sich hinter das Pult. "Schon bevor mein Bruder Eliza den Antrag machte, hatte ich vor, um Ihre Hand anzuhalten. Das wusste er aber nicht. Nenne Sie es gern Familiendrama, es waren tatsächlich ein paar verrückte Tage. Aber nun kann ich voller Stolz sagen, dass Eliza von Glenth meinen Antrag angenommen hat." Die Leute im Raum klatschen und Collin setzt sich zurück auf seinen Platz, während Lucian und ich zurück an das Pult gehen. Der nächste wird rangenommen. "Es gibt Gerüchte, dass es sich bei dem verlorenen Kind um das Ihre handelt, Eure Hoheit, stimmt das?" Ich versteife mich und kralle mich mit der Hand am Ärmel seines Sakkos fest. Lucian sieht zu mir runter und scheint mich stumm fragen zu wollen, was wir jetzt antworten. "Es stimmt.", höre ich meine eigene Stimme sagen und ich hebe den Blick. Alle sehen mich gespannt an und ich schlucke schwer. "Die Gerüchte sind wahr, ich habe ein Kind von Prinz Lucian erwartet, verlor es jedoch. Aus diesem Grund werden wir auch die Tradition brechen und mit Nachwuchs so lange warten, bis wir beide wieder dazu bereit sind. Ich bitte um Verständnis und hoffe, dass uns das niemand übel nimmt." Ich sehe zu Lucian hoch, der mir aufmunternd entgegen lächelt. Wieder wird es laut im Raum und jeder hebt den Arm, um weitere Fragen stellen zu können. "Bitte.", sagt Lucia wieder. Eine Frau erhebt sich schnell. "Wann wird die Hochzeit sein?", "Ein genaues Datum wird erst später bekannt gegeben. Erst wird die Verlobungsfeier stattfinden und anschließend meine Krönung. Nach der Krönung folgt die Hochzeit. Ein genaueres Datum wird in den nächsten Tagen bekannt gegeben.", antwortet Lucian sachlich. Die Frau setzt sich wieder und schreibt etwa auf. "Eine Frage an Miss O'Brien.", beginnt der nächste aufgeforderte Journalist. Ich nicke kurz. "Wie weit waren Sie, als Sie das Kind verloren?" wieder versteife ich mich. "Keine weiteren Fragen dazu bitte. Es handelt sich um ein sehr sensibles Thema und für uns ist es noch immer schwer.", springt Lucian für mich ein. "Ich möchte bitte gehen.", hauche ich erstickt. "In Ordnung. Geh." Er dreht sich einem der Bodyguards zu und deutet auf mich. Kurz darauf steht der Mann neben mir und führt mich nach draußen, während wieder das Blitzlichtgewitter auf mich herabbricht. Als die Tür hinter mir ins Schloss fällt, streife ich die Pumps von den Füßen und nehme sie in die Hand. "Miss O'Brien, kann ich ihnen hel-", "Mir geht es gut.", antworte ich schroff und gehe schnellen Schrittes den Flur entlang, bevor der Mann noch auf die Idee kommt, mir zu folgen. Meine mit einer dünnen Strumpfhose überzogenen Füße prallen immer wieder dumpf auf dem Boden auf, bis ich irgendwann in einem menschenleeren Raum ankomme. Mir fällt der deckenhohe Spiegel an der einen Wand und der Flügen in der Ecke auf. Hier haben Lucian und ich tanzen geübt. Ich gehe langsam über das Parkett und lasse mich an der Wand gegenüber vom Spiegel hinunter gleiten und strecke die Beine aus. Die schwarzen Pumps stelle ich achtlos neben mir ab. Mein Kopf plumpst geräuschvoll an die Wand, an der ich mich anlehne und ich seufze. Ich wusste, dass ich das nicht schaffen würde. Mir laufen die Tränen über die Wangen und ich lege meine Hände auf meinen Bauch. "Wieso muss ich das ertragen?", schluchze ich leise. Ich kneife die Augen zusammen und versuche ruhig zu atmen, doch mein Körper wird vom nächsten Schluchzen erschüttert. "Ich habe das nicht verdient.", flüstere ich weinend. Ich höre schwere schnelle Schritte auf dem Flur und halte inne. "Lotti? Liebling, wo steckst du?", ruft Lucians Stimme. Ich schlucke schwer und will mich aufraffen, doch ich schaffe es nicht. "Ich bin hier.", sage ich so laut ich kann. Nur ein paar Sekunden später steht Lucian in der Tür. "Lotti.", seufzt er erleichtert und kommt zu mir. "Tut mir Leid, ich habe wirklich versucht stark zu bleiben.", schluchze ich. Er setzt sich neben mich und nimmt mich in den Arm. "Das muss dir nicht leid tun. Ich hätte schon eher sagen müssen, dass das Thema nicht weiter angesprochen werden soll." Ich seufze und atme tief durch. "Trotzdem tut es mir Leid. Es war einfach ein bisschen viel." Meine Hände liegen noch immer auf meinem flachen Bauch. "Gib mir deine Hände.", flüstert Lucian. Widerwillig löse ich sie von meinem Bauch und lege sie in seine Hände. "Mir tut es Leid. Ich muss mehr für dich da sein und dir helfen. Aber du musst auch mit mir reden, Lotti. Wir sind jetzt ein Team also sind deine Probleme auch meine. Kann ich irgendwas tun? Möchtest du vielleicht mit einer Psychologin darüber reden? Oder vielleicht irgendwas anderes?" Ich zucke mit den Schultern. "Ich glaube wenn ich jemals Kinder mit dir bekommen soll, sollte ich wirklich mit einer Psychologin reden. Ich weiß nicht, ob ich das sonst je wieder könnte." Lucian nickt verständnisvoll und küsst meine Hände. "Ich organisiere das. Möchtest du dich vielleicht etwas hinlegen und ausruhen?" Ich nicke schniefend, also hilft er mir aufzustehen und nimmt meine Schuhe in die Hand. "Geht es?" Ich nicke erneut und greife nach seiner Hand, weil ich das Gefühl habe, meine Beine könnten vielleicht nachgeben. "Ich bin immer bei dir, Lotti." Ein Kuss auf die Stirn und ich fühle mich plötzlich viel besser. Offensichtlich brauche ich wirklich ein wenig Hilfe beim Verarbeiten.

Sei meine KöniginWhere stories live. Discover now