Kapitel 31

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Ich stehe vor dem Spiegel und betrachte den Traum in Rosa, der meinen Körper bedeckt. Ich sehe unglaublich schön aus. Meine roten Haare sind hochgesteckt und auf Marlenes Wunsch trage ich ein silbernes Kolier der Krone und die zugehörigen Ohrringe. Lucian steht mit dem Rücken zu mir und ich sehe ihn durch den Spiegel an. Er hat die Arme nach links und rechts ausgestreckt und zwei junge Männer befestigen die Manschettenknöpfe an den Ärmeln. Als sie fertig sind und aufstehen, streckt Lucian die Arme nach vorne und bewegt sie ein wenig, um zu sehen, ob alles sitzt. Dann dreht er sich zu mir um und breitet wieder die Arme aus. "Und? Wie sehe ich aus?", fragt er so verführerisch, dass es mir beinahe unangenehm ist, da wir nicht alleine sind. Ich drehe mich auch um, damit ich ihn nicht nur durch den Spiegel ansehe. "Unfassbar schön. Zukünftiger König. Gutaussehend, perfekt gekleidet. Was will ich mehr?", lächle ich. "Das gleich könnte ich über dich sagen. Lass dich ansehen." Er nimmt meine Hand, hebt sie über meinen Kopf und dreht mich leicht. "Du siehst wunderschön aus. Ich kann es nicht glauben, dass wir heute unsere Verlobung feiern." Er hebt meine Hand mit dem Ring an seine Lippen und küsst meinen Ringfinger. Der Verlobungsring glitzert im Licht des Kronleuchters über uns und ich muss lächeln. "Es war die richtige Entscheidung, ihn dir anzustecken. An keiner Hand kommt er so schön zur Geltung wie an deiner." Ich lege den Kopf schief. "Werde ich ihn wieder ablegen müssen, wenn wir verheiratet sind?" Lucian schüttelt den Kopf. "Erst wenn wir einen Sohn im heiratsfähigen Alter haben, denn dann bekommt er ihn, um ihn seiner Auserwählten anzustecken." Ein Sohn. Ob unser Kind ein Junge geworden wäre? Oder hätten wir ein Mädchen bekommen? "Und wenn wir nur Mädchen haben?", frage ich neugierig. "Nun ja, den Fall gab es bisher noch nicht. Aber ich schätze, unsere erstgeborene Tochter bekäme dann einen Verlobungsring von ihrem zukünftigen Mann. Und da sie dann die nächste Thronfolgerin wäre, würde sie den Ring bekommen, um ihn dann ihrem Sohn zu geben." Interessant. Ich betrachte den funkelnden Ring nachdenklich. "Na aber hoffen wir mal, dass in der Hochzeitsnacht ein Junge gezeugt wird.", redet Athena dazwischen, die noch immer wie ein aufgeschrecktes Huhn durch die Suite wuselt. Lucian verdreht die Augen. "Hör nicht auf sie, uns drängt niemand.", flüstert er und küsst meine Hand. Anschließend sieht er auf die Uhr an der Wand und seufzt. "Wir müssen. Man erwartet uns. Hast du alles?", "Ich denke schon.", erwidere ich und werde langsam nervös. "Deine Rede kannst du?" Mein Kopf schnellt in Lucians Richtung. "Was für eine Rede?", frage ich entsetzt. "Du sollst doch die Eröffnungsrede halten.", antwortet er verwirrt. "Rede? Ich dachte ich sage Hallo und dass ich mich über die Anwesenheit jedes einzelnen freue und ich uns allen einen tollen Abend wünsche." Im Raum ist es so still, dass man das Fallen einer verdammten Feder hören könnte. Alle starren mich mit offenem Mund an. "Oh je.", sage ich kleinlaut und gerate langsam in Panik. "Schon okay, wir brechen sowieso alle Tradition und Vorschriften. Eine mehr fällt nicht mehr auf.", versucht Lucian mich zu beruhigen. "Aber wieso um Himmels Willen sollte ich denn eine Rede halten? Vor allem worüber? Das hier ist eine Verlobungsfeier keine Gala." Lucian lächelt mich sanft an. "Ich weiß. Du machst das schon. Und jetzt komm." Überfordert folge ich ihm bis wir zum Eingang des Ballsaals ankommen. Lucian küsst mich noch einmal auf die Stirn, dann öffnen sich vor uns die Flügeltüren und wir treten vor. Die Gäste klatschen zur Begrüßung und ich kralle mich fest an Lucians Arm, während ich mit der anderen Hand mein Kleid ein ganz klein wenig anheben, um stolperfrei laufen zu können. Als Lucian ein wenig die Hand hebt, kehrt langsam Ruhe ein. Alle Blicke sind auf mich gerichtet und ich beschließe, einfach mit der Wahrheit herauszurücken. "Verehrte Gäste, es ist uns eine große Freude, Sie heute hier so zahlreich zur Feier unserer Verlobung begrüßen zu dürfen. Wie ich eben erfahren habe, erwartet man nun eine Rede von mir, auf die ich absolut nicht vorbereitet bin, denn offensichtlich habe ich alle falsch verstanden, die mich diesbezüglich erinnert haben." Leises Lachen rollt durch die Menge und ich lächle zufrieden. "Und da ich nun unvorbereitet hier auftauche, wünsche ich uns allen einfach einen wundervollen Abend und bitte nun alle zu Tisch, da das Dinner in wenigen Augenblicken serviert wird." Als ich fertig bin, applaudieren wieder alle und Lucian küsst mich zufrieden auf die Schläfe. Wir gehen voran in den zweiten Saal, wo runde Tische platziert sind. Lucian und ich gehen allerdings zum länglichen Tisch, wo wir uns in der Mitte setzen. Neben Lucian platziert sich seine Familie, neben mir meine. Meine Mama setzt sich direkt neben mich und strahlt mich an. "Du siehst so wunderschön aus, Lottchen. Wie eine Prinzessin.", schwärmt sie. Lucian räuspert sich. "Wie eine zukünftige Königin." Bei seinen Worten schlägt Mama sich die Hände vor den Mund und ihr steigen die Tränen in die Augen. "Du hast Recht! Oh ich bin so stolz auf dich, mein Schatz." Ich kichere und nehme sie in den Arm. "Danke Mama." Sie fächert sich mit den Händen Luft zu, um die Tränen zu verjagen und atmet tief durch. "Ich bin so überwältigt von alldem.", erzählt sie und sieht sich um. Ich will ihr gerade antworten, als ein Diener sich neben Lucian diskret räuspert. Ich sehe zu ihnen. "Hoheit, ich habe die Tierklinik am Telefon.", sagt er leise. "Danke Walter.", nickt Lucian und sieht zu mir. "Lass uns kurz verschwinden.", flüstert er mir zu. Ich nicke und ergreife seine Hand, als er aufsteht und sie mir entgegen hält. Ohne ein Wort gehen wir und folgen Walter zum Telefon. Lucian nimmt es entgegen. "Guten Abend.", sagt er und lauscht. Ich klammere mich an seinen Arm und versuche etwas zu verstehen, doch leider vergebens. Als Lucian aber aufatmet und die Spannung von seinen Schultern abfällt, atme auch ich auf. "Es geht ihm gut. Er ist von alleine aufgestanden und trinkt. Er beginnt auch langsam zu fressen.", erklärt der Prinz. "Oh Gott sei Dank.", seufze ich erleichtert. "Vielen Dank für den Anruf. Wir werden morgen in der Früh vorbeikommen." Lucian legt auf und schlingt seine Arme um mich, wirbelt mich einmal herum und küsst mich stürmisch. Vor Erleichterung lachend lege ich meine Arme um seinen Hals. "Was für eine Nachricht. Ich sagte dir doch, dass er wieder auf die Beine kommt." Noch einmal küsst er mich stürmisch und ich muss lachen. "Ich bin so froh. Am liebsten würde ich sofort zu ihm." Ich lehne mich an Lucians Brust. "Ich auch. Aber erstmal müssen wir unseren Pflichten nachgehen. Komm, unsere Gäste warten auf das Essen." Wir gehe zurück zum Saal und setzen uns auf unsere Plätze. Mom und Dad sehen mich fragend an. "Mystic geht es gut. Er ist von alleine aufgestanden und trinkt und frisst langsam." Mom seufzt und umarmt mich. "Oh was für ein Glück.", sagt sie und lächelt mich liebevoll an. "Wusste doch, dass sich der Junge nicht kleinkriegen lässt.", sagt Papa. Ich lächle ihm zu, dann steht Lucian mit seinem Glas in der Hand auf. Alle sind ruhig und schenken ihm vollste Aufmerksamkeit. "Meine Damen und Herren, ich heiße Sie alle herzlich willkommen zur Feier unserer Verlobung. Auch wenn mit den Worten meiner Liebsten bereits alles gesagt war, möchte auch ich mich noch einmal für das zahlreiche Erscheinen und sämtliche Verlobungsgeschenke bedanken. Bevor ich aber das Servieren des Dinners ankündige, möchte ich noch ein paar Worte sagen." Er streckt seine Hand nach mir aus und sieht zu mir hinunter. Ich ergreife seine Hand, bleibe aber sitzen. "Charlotte, mir ist bewusst, dass unser Start sehr holperig war. Wir verstanden uns sehr gut und du wurdest sehr schnell zu meiner besten Freundin. Sogar mehr als nur das, doch das konnte ich mir nicht eingestehen. Wir haben beide nicht offen über unsere Gefühle gesprochen und haben deshalb Fehler gemacht. Vor allem ich, als ich an meinem Geburtstag nicht um deine Hand angehalten habe. Das tut mir Leid. Auch was danach geschah. Aber ich bin dankbar, dass du zu mir zurückgekommen bist. Und dass du deine Zukunft für mich aufgegeben hast. Ich bin stolz sagen zu können, dass ich aus Liebe heirate, nicht weil ich es muss. Charlotte, du bist das beste, was mir und meinem Königreich passieren konnte. Mit dir an meiner Seite werde ich ein guter König sein, wenn die Zeit gekommen ist und du wirst eine besondere Königin sein, die jeder lieben wird. Allen voran natürlich ich. Und deiner Familie schulde ich eine Entschuldigung, denn dank mir gibt es keinen Nachfolger für die Leitung des Gestüts. Aber wer weiß, vielleicht werdet ihr in einigen Jahren ein pferdevernarrtes Enkelkind haben, das liebendgern in die Fußstapfen des Großvaters tritt. Und ich danke euch, dass ihr mir eure Tochter anvertraut. Ich werde gut auf sie aufpassen." Lucian hebt sein Glas in Papas Richtung und Dad erwidert es, indem er sein Glas in Lucians Richtung hebt. "Aber nun möchte ich Sie alle nicht länger aufhalten. Ich wünsche uns allen einen unvergesslichen Abend und einen guten Appetit. Salut!" Lucian hebt sein Glas hoch. "Salut!", schallt es aus allen Richtungen und alle heben ihre Gläser an, ehe jeder einen Schluck trinkt und Lucian sich setzt. "Das hast du schön gesagt.", lächle ich und küsse ihn auf die Wange. "Und es war nichts als die Wahrheit." Er küsst mich richtig, dann wird das Essen serviert.

Nach dem Essen haben sich unsere Gäste in den beiden Sälen und auf der Terrasse verteilt. Ein paar Musiker haben auf einem Podest Platz genommen und haben begonnen, sanfte Musik zu spielen. Lucian bleibt den ganzen Abend an meiner Seite und wir unterhalten uns mit sämtlichen Leuten. Irgendwann bricht Lucian aber ein Gespräch ab und führt mich auf die Tanzfläche. "Ich habe ein Déjà-vu.", grinst mich der Prinz an, als er sich zum Takt der Musik zu bewegen beginnt. Ich lächle. "Ich auch. Aber halte bitte am Ende des Abends nicht um Elizas Hand an." Mein Verlobter lacht. "Ich glaube, das lässt sich heute vermeiden." Wir tanzen eine ganze Weile, bis meine Eltern bei uns erscheinen. "Dürften wir abklatschen?", fragt Mom. Lucian lässt mich los und tritt einen Schritt zurück. "Aber natürlich.", lächelt er und verbeugt sich vor Mom, ehe er mit ihr Tanzt. Dad nimmt meine Hand und beginnt mit mir zu tanzen. "Du siehst toll aus, Lotti.", seufzt er. Ich erröte. "Danke, Dad. Du siehst auch unglaublich aus in dem Smoking.", erwidere ich. "Und bist du auch glücklich hier?" Ich nicke lächelnd. "Das beruhigt mich. Aber wenn du mal eine Auszeit von alldem königlichen Trubel brauchst, weißt du ja, wohin du kommen kannst. Zwar werden wir dann wohl eine Menge Sicherheitvorkehrungen treffen müssen, aber ich schätze mal, dass das kein Problem sein wird.", "Das denke ich auch.", kichere ich. Als das Lied vorbei ist, bleiben Papa und ich stehen und er verbeugt sich vor mir. "Ach Papa!", lache ich, mache aber einen Knicks. "Das muss ich noch etwas üben. Aber war doch nicht schlecht oder?", fragt er. "Die Verbeugung war absolut perfekt.", bestätige ich. Er grinst zufrieden, dann geht er zu Mom und Lucian ist wieder bei mir. "Deine Mom hat mich gebeten, deinem Vater tanzen beizubringen. Dabei saht ihr zwei gut zusammen aus." Ich presse die Lippen aufeinander, um mir das Lachen zu verkneifen. "Ich sage es mal so: du tanzt besser." Lucian lacht leise. "Es wäre auch schlimm wenn nicht. Die Mühen meiner Tanzlehrer wären umsonst gewesen. Komm mit." Er hält mir seinen Arm hin und ich hake mich bei ihm ein. "Wohin gehen wir?", frage ich neugierig. "Wirst du gleich sehen.", erwidert er geheimnisvoll und führt mich raus in den Garten. Wir gehen ein Stück, bis wir am Brunnen ankommen in dessen Mitte offensichtlich gerade frisch ein kleiner Baum gepflanzt wurde. Wenn ich mich Recht entsinne, war dort vorher ein Rosenbusch. "Wo sind die Rosen hin?", frage ich verwundert. "Sie haben jetzt einen Platz bei den anderen Rosen. Diesen Baum habe ich heute gepflanzt." Ich sehe verwirrt zu dem kleinen Baum, der vom Brunnenring umgeben ist und von dessen Licht beleuchtet wird. "Und wieso?", frage ich. "Für unser Kind.", sagt Lucian leise. Meine Hand schnellt zu meinem Bauch, der sich plötzlich wieder so unnatürlich leer anfühlt. "Ich weiß, dass dir der Verlust immer noch schwer zu schaffen macht und habe dir deshalb einen Ort geschaffen, an den du gehen kannst, wenn du an unser Kind denkst.", erklärt mein Verlobter leise. Ich sehe zu ihm auf und versuche den Tränen keine Chance zu geben, mein Make-up zu versauen. Die Stylisten wären entsetzt, wenn ich es zerstören würde. "Danke.", hauche ich überwältigt. Lucian lächelt und ich drücke ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. Wir setzen uns auf den Rand des Brunnens und genießen für einen Moment die Ruhe und die Zweisamkeit. Aber dann gehen wir zurück zu unseren Gästen und lassen uns weiterhin von allen Seiten beglückwünschen.

Sei meine KöniginWhere stories live. Discover now