Kapitel 40

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Die Kutsche hält vor dem Schloss. Ein Page reicht mir seine Hand zum Aussteigen und ich setze vorsichtig einen Fuß auf die weißen Kieselsteine. Mit Absatzschuhen ist es wirklich eine Herausforderung, sich beim Gehen nicht zu blamieren. Vor allem, wenn der Platz vor dem Schloss mit Menschen überfüllt ist. Ich raffe wieder mit einer Hand den Rock meines Kleides, um nicht draufzutreten und gehe gemeinsam mit Lucians Familie die Treppe hoch zum Eingang. Wir gehen hoch zum Flur, von dem aus man auf den Großen Balkon gelangt, welchen Lucian gerade betritt. Er sieht unfassbar schön aus. Majestätisch. Er hält eine Ansprache, dann dreht er sich um und sieht mich an. "Komm zu mir.", sagt er sanft und ich gehe auf ihn zu. Zaghaft ergreife ich seine Hand, die er mir hinhält und trete neben ihn auf den Balkon. Ich löse meinen Blick von ihm und sehe hinunter zum feiernden Volk, das seinem König zujubelt und "Lang lebe König Lucian!" ruft. "Ich bin stolz auf dich.", sage ich leise und sehe wieder zu ihm hoch. "Danke.", lächelt er und haucht mir einen Kuss auf die Fingerknöchel. "Wie fühlst du dich?", "Ich kann es alles noch nicht ganz glauben. Es fühlt sich wie ein Traum an.", "Ich könnte dich kneifen.", schlage ich kichernd vor. "Das könntest du. Aber ich würde es dennoch alles nicht glauben. Allein dass du hier neben mir stehst ist unglaublich.", "Ich fühle mich geschmeichelt.", antworte ich. Lucian und ich winken noch einmal den vielen Menschen, dann gehen wir zurück in den Flur und die Balkontüren werden geschlossen. Collin will seinem Bruder gerade zur Gratulation in den Arm nehmen, doch Lucian hält ihn auf. "Einen Moment.", sagt er, legt seinen Arm um mich und zieht mich fest an sich, um mich so leidenschaftlich zu küssen, dass ich beinahe vergesse, dass wir nicht allein sind. Ich schließe die Augen, genieße das Gefühl seiner Lippen auf meinem und verliere beinahe den Boden unter den Füßen. Als Frederick sich aber räuspert, löst Lucian sich langsam von mir. "Ich habe dir einen Kuss von einem König versprochen. Ich konnte dich nicht länger warten lassen.", erklärt er mich leise. "Für einen solchen Kuss hätte sich sogar bis an mein Lebensende gewartet." Lucian lächelt, streicht mir eine Strähne hinter mein Ohr und dreht sich dann endlich seiner Familie zu. "Entschuldigt, das hatte Vorrang und war längst überfällig." Collin winkt ab, stellt sich nun aber gerade vor seinen großen Bruder. Lucian streckt die Hand aus und verwirrt beobachte ich, was hier geschieht. Collin verbeugt sich, nimmt Lucians Hand, küsst den Ring an seinem Finger und führt die Hand anschließend an seine Stirn. "Meinem König treu ergeben.", sagt er und richtet sich wieder auf. Dann grinsen die Brüder einander an und nehmen sich in den Arm. Ich blinzle verwirrt und halte es für einen Scherz, doch dann stellt sich Frederick vor seinen erstgeborenen und wiederholt das, was Collin zuvor gemacht hat. "Ich bin sehr stolz auf dich, mein Sohn.", sagt er und nimmt ihn ebenfalls in den Arm. Danach macht er Platz für Marlene. Sie macht einen Knicks und küsst ebenfalls dabei die Hand ihres Sohnes und führt sie anschließend an die Stirn. Sie wiederholt die Worte, richtet sich auf und lächelt stolz zu ihrem Sohn hinauf. "Du wirst ein sehr guter König sein.", sagt sie und küsst ihn auf die Wange. Auch Maria und Eliza tun das, was Marlene getan hat und als sie beide fertig sind, sehen alle zu mir. "Es wäre angebracht gewesen, mir mal ein wenig eher von diesen Dingen hier zu erzählen. Ich werde gerade schon wieder ins kalte Wasser geschmissen.", sage ich und stelle mich meinen Verlobten. Er grinst mich schief an und meine Knie werden weich. In dieses Grinsen habe ich mich Hals über Kopf verliebt. Als Lucian mir seine Hand entgegen streckt, mache auch ich einen Knicks, ergreife sie und hauche einen Kuss auf den Ring. Als ich seine Hand an meine Stirn führe, schließe ich die Augen. "Meinem König und zukünftigen Ehemann treu ergeben. Immer.", flüstere ich. Lucian nimmt auch meine andere Hand und deutet mir, mich aufzurichten. Ich sehe unsere Hände an, dann sehe ich hoch in seine goldenen Augen und verliere mich wie so oft in ihnen. Er führt meine Hände zu seinen Lippen und küsst sie. "Womit habe ich dich nur verdient?", flüstert er. Ich lächle sanft. "Diese Frage wird dir niemand beantworten können. Vermutlich hatten wir beide einfach Glück." Er lächelt breit, küsst mich auf die Stirn. "Dann wollen wir mal.", sagt er entschlossen und atmet tief durch. Gemeinsam gehen wir zum Festsaal, wo sich bereits alle wichtigen Gäste versammelt haben. Als sie Lucian entdecken, verbeugen sie sich tief und mit mir an seinem Arm schreiten wir durch den Raum bis hin zum Thronsaal. Lucian lässt mich los und ich stelle mich an die Seite, damit er die drei Stufen zu seinem Thron hinaufgehen kann. Dort habe ich noch nichts zu suchen. Erst in zwölf Wochen darf ich dort oben neben ihm sitzen. Er bleibt stehen, dreht sich um und setzt sich dann. Die Gäste richten sich auf. "Lang lebe König Lucian.", sagen alle im Chor. Auch ich. Einige wichtige Lords und Ladys sprechen ihre Treue aus, wie wir es eben getan haben, dann beginnen Kellner durch die Gäste zu huschen und Champagner zu verteilen.
Lucian, der nun den königlichen Umhang und die Krone abgelegt hat, gesellt sich zu mir und legt seinen Arm um mich. Ich beobachte meine Eltern, wie sie sich unter den Adel mischen und scheinbar bestens klarzukommen scheinen, während mein Bruder mit Collin und Lucians Freunden in ein Gespräch vertieft zu sein scheint. Lucian seufzt erleichtert. "Langsam fällt die ganze Anspannung von mir ab. Ich hatte verdammt Schiss, dass ich bei der Krönung irgendwas vermassle. Mich beim Eid verspreche oder so." Ich verdrehe die Augen. "Als ob das überhaupt möglich wäre. Für sowas bist du viel zu gefasst und viel zu perfekt." Lucian lächelt, aber als ich ihm mein Glas entgegen halte, um anzustoßen, sieht er sich um, ehe er sich zu mir herunter beugt. "Vielleicht solltest du den Alkohol lieber weglassen. Wäre doch möglich, dass da schon was geklappt hat.", flüstert er. Erst weiß ich nicht was er von mir will, doch dann verstehe ich. Ich seufze. "Tut mir leid das zu sagen, aber ich habe heute früh einen Test gemacht und der war negativ. Sehr zum Bedauern des kleinen Bauches, den ich mir in den letzten Tagen angefuttert habe. Janet hat heute morgen schon geschimpft und gesagt, dass ich mein Gewicht wenigstens bis zur Hochzeit halten soll, sonst wird mein Kleid nicht passen." Noch einmal verdrehe ich die Augen und und Lucian lacht leise, sieht dann aber ein wenig enttäuscht aus. "Kopf hoch. Dann wird der kleine Kronprinz eben doch erst in unserer Hochzeitsnacht gezeugt. Oder es war zu früh für einen Test.", "Oder in der Nacht nach meiner Krönung.", grinst er und wackelt anzüglich mit den Augenbrauen. Ich will gerade etwas erwidern, als sich ein großer breiter Mann vor uns stellt. "Majestät, hättet Ihr einen kurzen Moment Zeit?", fragt er und macht eine leichte Verbeugung. "Aber natürlich, Richard, worum geht es?", erwidert Lucian höflich. Wenn ich mich nicht irre, ist er der Sicherheitschef. "Das sollte lieber unter vier Augen besprochen werden.", sagt Richard. Lucian runzelt die Stirn. Ob etwas vorgefallen ist? "Wir treffen uns in meinem Büro." Seine feste Stimme beunruhigt mich. Hat er eine Ahnung, worum es gehen könnte? Richard nickt, verbeugt sich und geht. "Was hat das zu bedeuten?", frage ich. "Das werden wir gleich erfahren. Begleitest du mich?" Ich nicke und stelle unsere Champagner Gläser auf das Tablett eines Kellners. Ich hake mich an Lucians Arm ein und wir verlassen den Thronsaal. Wir gehen ohne Umweg zum Büro des Königs. Richard wartet bereits auf uns. Erst wirft er einen besorgten Blick in meine Richtung, doch als Lucian ihm deutet, sich zu setzen, wird seine Miene wieder ernst. "Also, was ist los?", kommt Lucian direkt zur Sache. Er lehnt sich mit verschränkten Armen an den Schreibtisch und ich setze mich in einen der Sessel. "Einer der Köche hat mich in die Küche bestellt. Er war dabei ein Dressing über den Salat der Vorspeise zu füllen und da ist ihm aufgefallen, dass in einem der Salate irgendwas zwischen ist, was bei den anderen nicht mit auf dem Teller ist. Er hat sich das näher angesehen und ich mir auch. Jemand hat Himbeerpulver auf den Salat gestreut." Nun sieht Richard direkt mich an. "Ja und?", fragt Lucian irritiert. "Ich reagiere auf Himbeeren allergisch.", sage ich und schlucke schwer. Richard nickt. "Es war auch Ihr Teller, Miss O'Brien. Ich habe alles sichergestellt und lasse es auf Spuren untersuchen. Aber letztendlich könnte es jeder gewesen sein. Einer der Köche, ein Kellner, ein anderer Angestellter. Und beim Verstreuen von ein bisschen Pulver hinterlässt man vermutlich auch keine Fingerabdrücke." Lucian knurrt. "In meinen eigenen vier Wänden.", sagt er bedrohlich leise. "Ich werde meine Leute im gesamten Schloss verteilen und meine Augen offen halten. Ich halte es aber für sicherer, wenn Sie beide auf Ihr Zimmer gehen.", "Nein, das erregt zu viel Aufmerksamkeit. Wir werden zurück zu unseren Gästen gehen. Sorgen Sie dafür, dass jeder verdammte Krümel und jeder Tropfen geprüft wird, der auch nur in die Nähe meiner Verlobten kommt. Und am Ende des Abends wird der Täter um Gnade bettelnd vor mir knien." Noch nie habe ich Lucian so wütend erlebt. Richard steht auf. "Ich werde das Leben meiner zukünftigen Königin mit meinem eigenen beschützen." Er verbeugt sich wieder und geht. Lucian fährt sich mit den Händen übers Gesicht. Dann sieht er mich an und seine Gesichtszüge werden augenblicklich ganz weich. "Hey, es ist alles gut. Dir wird nichts passieren.", sagt er und geht vor mir in die Hocke. "Jemand wollte mir etwas antun.", hauche ich und breche in Tränen aus. "Nicht weinen. Ist schon gut." Mein Verlobter nimmt mich in den Arm und streicht mir tröstend über den Rücken. "Es ist nichts passiert. Und es wird auch nichts passieren.", versichert er mir, doch ich fühle mich nicht sicher. Erst der Angriff auf Maria vor zwei Wochen, heute das. Ich kann hier niemandem trauen außer meiner Familie. Jeder könnte das getan haben. Und auch doch nicht jeder, denn nicht einmal Lucian wusste von meiner Allergie. Ich atme tief durch, um mein Makeup nicht zu ruinieren. Ich wäre niemals in der Lage es wieder herzurichten. Schminken gehörte noch nie zu meinen Talenten und jetzt gerade traue ich nicht einmal meinen Stylisten genug, um sie an mein Gesicht zu lassen. "Hast du eine Idee, wer von deiner Allergie gewusst haben könnte?", fragt Lucian und wischt mir vorsichtig ein paar Tränen von den wangen. "Nein. Meine Eltern und Jason wissen von meiner Allergie. Du jetzt auch. Ich habe es niemand anderem erzählt. Allerdings habe ich Richard davon auch nichts erzählt und der wusste sofort, dass mein Teller zu meinem Nachteil mit diesem Pulver bestreut wurde. Also wäre es auch möglich, dass jeder in der Küche und von den Angestellten darüber bescheid weiß. Woher weiß ich nicht.", "Was ist mit diesem Luke?", fragt Lucian weiter. Ich runzle die Stirn. "Der weiß natürlich auch davon. Er war damals dabei, als ich meine Allergie sozusagen entdeckte. Wir waren im Garten auf dem Anwesen seiner Eltern und haben ein paar Himbeeren gegessen. Ich bin fast gestorben, weil ich einen allergischen Schock hatte. Aber wie kommst du auf den?", "Weil er Amalias Begleitung ist." Verärgerung macht sich in mir breit. "Wieso wurden die denn eingeladen?", "Amalia gehört zum Carwonischen Adel und Luke ist ihre Begleitung. Gefiel mir auch nicht, das kannst du mir glauben.", "Richard soll ihn herbringen.", sage ich und stehe vom Sessel auf, um unruhig durch den Raum zu gehen. Lucian benachrichtigt Richard, der nur wenige Minuten später in Lukes Begleitung das Büro betritt. "Majestät.", säuselt Luke und verbeugt sich. "Was tust du hier, Luke?", frage ich zornig. "So weit ich weiß, ließ dein zukünftiger Ehemann mich herbringen also wieso fragst du ihn das nicht?" Ein hinterhältige Grinsen ziert seine Lippen. "Ich habe angewiesen, dass du hergebracht wirst.", antworte ich. "Ach ist das so? Na wieso fragst du mich dann, was ich hier tue? Solltest du dich das dann nicht viel eher dich selbst fragen?", "Ich meine hier im Schloss. Niemand hat dich eingeladen." Ich verschränke doe Arme. "Oh, ach das. Tja weißt du, auf Amalias Einladung stand, sie könne in Begleitung erscheinen und bat mich, mit ihr zu kommen. Wer kann da schon Nein sagen? Eine Krönung erlebt man schließlich nicht jeden Tag." Sein schmieriges Grinsen bringt mich zur Weißglut. Wütend gehe ich auf ihn zu. "Auf meinem Teller waren Spuren von gepulverten Himbeeren zu finden. Nur auf meinem Teller.", sage ich bedrohlich leise. Luke lacht. "Und du glaubst ich war das? Ach bitte. Was hätte ich davon, wenn ich dir einen allergischen Schock bescheren würde? Den Zorn eines Königs sollte man sich lieber nicht aufhalsen. Und den einer künftigen Königin offensichtlich auch nicht." Der schmierige Unterton in seiner Stimme weicht langsam der Ernsthaftigkeit. "Ich versichere dir, dass ich damit nichts zu tun habe. Ich wüsste ja nicht einmal, wo die verdammte Küche ist." Ich seufze und drehe mich von ihm weg. "Gut, verschwinde. Ich will dich hier auch nicht mehr sehen Luke. Weder heute noch sonst irgendwann." Luke schnaubt und Lucian runzelt die Stirn. "Du glaubst ihm einfach so?", fragt mein Verlobter ungläubig. "Ja. Er hat recht, was hätte er davon, wenn er sowas tun würde?", "Was hätte irgendwer davon?", schnaubt Lucian. Da liegt er nicht ganz falsch. Mein Tod würde hier nichts ändern. Lucian wäre weiterhin der König. Also muss es wohl etwas persönliches sein.

Sei meine KöniginWhere stories live. Discover now