Kapitel 64

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Lucian hat sich heute etwas Zeit genommen, um mal wieder in den Stall zu gehen. Ich bin fast täglich dort, allerdings nur, um die Bereiter zu beobachten und Mystic an der Longe zu bewegen. Manchmal gehe ich auch mit ihm spazieren. Mystic ist zum Glück gut erzogen, sodass ich bei ihm keine Bedenken habe, dass mir oder den Babys etwas passieren könnte. Er ist zwar manchmal aufgeregt, wenn eine Stute in der Nähe ist, aber er ist händelbar und beruhigt sich auch schnell wieder. Und sobald ich wieder Reiten kann, werden wir Zwei mit dem Aufbautraining beginnen. Ich könnte das auch einen der Bereiter machen lassen aber ich denke, dass Mystic diese Pause sehr gut tut. Lucian hat heute ausnahmsweise mal einen freien Tag, da er morgen nach Russland fliegt. Und ich fliege heute Abend gemeinsam mit Maria nach England. Seit Wochen jammert sie, dass es noch so lange dauert, bis wir endlich dort sind. Sie hat Sehnsucht nach Jason. Seit gestern ist sie so extrem aufgeregt, dass es beinahe unerträglich ist. Aber ich freue mich, dass es zwischen den beiden so gut zu laufen scheint. Immerhin ist auch Jason schon aufgeregt, weil er Maria heute Abend wieder sehen wird.
Ich sitze auf der Bank am Reitplatz. Meine Hände liegen auf meinem Kugelrunden Bauch, der aussieht, als würde er bald platzen. Ich bin mittlerweile in der dreißigsten Woche und sehe aus wie ein Walross. Auch wenn Lucian das Gegenteil behauptet. Mein Mann reitet Wanda, die Dank des neuen Bereiters gut in Form ist. Zwar fehlt ihr immer noch etwas Leichtigkeit im Galopp, doch bei ihrer Größe und diesem langen Körper ist das in Ordnung. "Mehr Schwung holen bevor du in die Wechsel gehst. Am Anfang passt zwar noch alles aber zum Ende hin wirkt es schon etwas träge. Sie muss den Schwung bis zum Ende beibehalten.", rufe ich. Doch anstatt die Lektion zu wiederholen, pariert er durch, lässt die Zügel lang und reitet ab. "Hey!", rufe ich amüsiert. "Ich bin durch für heute.", lacht er atemlos. Ich schmunzle und sehe ihm beim Abreiten zu. Er ist nicht sonderlich begeistert, dass ich heute Abend fliege. Er findet, das sei zu viel für mich. Der Meinung bin ich auch aber mein Entschluss steht fest. Ich werde mein Bestes geben, mich genügend auszuruhen. Das Wohl meiner Kinder steht bei mir an erster Stelle aber ich darf auch nicht zu vorsichtig sein, denn sonst werde ich immer ein Angsthase bleiben. Er ist ausgeflippt vor Freude, als er erfahren hat, dass unser zweites Kind ein Mädchen ist. Wir haben an diesem Abend sehr lange per Videocall telefoniert. Und als er wieder zuhause war, konnte er seine Hände nicht mehr von mir nehmen, weil er so fasziniert von den Bewegungen unserer Kinder war.
Unser Flug heute Abend wird ein normaler Linienflug sein. Richard wird Maria und mich begleiten und in England werden weitere Sicherheitsleute zu uns stoßen. Wieder haben Lucian und ich darüber diskutiert, wen von uns beiden Richard begleiten wird aber diese Diskussion habe ich schon wieder verloren.

Lucian steigt vom Pferd ab und verlässt den Platz, um zum Stall zu gehen. Ich stehe von der Bank auf und folge ihm. "Ich muss wieder mehr Sport machen.", seufzt er und stellt Wanda auf den Putzplatz. Ich betrachte ihn von oben bis unten. Seine schlanken, muskulösen Beine, die in der engen Reithose und den Reitstiefeln stecken. Seinen Oberkörper, der von einem engen Poloshirt bedeckt wird. "Naja, jedenfalls hast du keinen Gramm Fett am Körper. Höchstens deine Ausdauer leidet ein wenig." Er hebt die Augenbrauen. Seit Wochen könnte ich ihn täglich ins Bett ziehen und dort festhalten. Nur leider ist mein Bauch im Weg und ich habe nicht sehr viel Energie. Die Lust ist dennoch da. Ich fühle mich nur nicht mehr sonderlich attraktiv, da ich mich nicht mehr gut bewegen kann und ich mich seit Wochen nicht rasiert habe. Weder die Beine noch den Intimbreich. Wie denn auch? Ich habe meinen Intimbereich schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr zu Gesicht bekommen. Wenn ich nach unten sehe, ist da nichts als Bauch. Maria meinte, ich soll einfach zum Wachsing gehen aber ehrlich gesagt hatte ich dazu keine Lust. Wozu denn auch? Ich bin schwanger, also muss Lucian es hinnehmen, dass ich jetzt aussehe wie Gott mich schuf. Das ist nun wirklich kein Weltuntergang. Sieht er genauso, denn an einem Abend hat er mir gestanden, dass er es so tatsächlich noch etwas attraktiver findet. Deshalb denke ich darüber nach, mich auch in Zukunft nicht mehr im Intimbereich zu rasieren. Die Beine aber schon, das ist mir dann doch eine Nummer zu wild. "Was hälst du davon, wenn wir die restliche Zeit im Bett verbringen, bevor ich zum Flughafen muss?", frage ich und gehe zu Lucian. Meine Hände legen sich in seinen Nacken und ich sehe zu ihm auf. "Das können wir natürlich tun, allerdings werde ich nicht mit dir schlafen." Ich verdrehe die Augen und löse mich von ihm, während er amüsiert lacht. Schon seit ein paar Tagen kann ich ihn nicht mehr überreden. Er hat Angst, mir oder den Kindern wehzutun. Ich versuche es mit Gegenargumenten aber es nützt nichts. "Also schön, dann kuscheln wir eben.", sage ich und lasse es enttäuscht klingen. Lucian grinst mich an. "Ich liebe dich, Schatz und es ist toll, dass du mich so sehr willst. Ich will dich ja auch. Aber ich kann wirklich nicht über meinen Schatten springen. Entschuldige." Ich winke ab. Ich kann ihn ja verstehen.
Er sattelt Wanda ab und bringt sie nach einer kurzen Dusche in ihre Box. Als wir fertig aufgeräumt haben, gehen wir zum Schloss und hoch auf unser Zimmer. Ich habe meine Sachen für die kommenden zwei Wochen bereits gepackt. In einer Woche ist die Parade und ich wollte nicht direkt danach wieder heim fliegen.

Wir liegen auf unserem Bett und reden über alles, was uns in den Kopf kommt. Lucian redet über die anstehenden Termine in Russland, was ich nur teilweise verstehe. Er versucht mir zu erklären, worum es geht, doch ich habe Schwierigkeiten, ihm zu folgen. Irgendwann werden die Kinder aktiv und bewegen sich in meinem Bauch so viel, dass er sich extrem verformt und an allen Seiten Beulen heraustreten. Lucian spielt mit ihnen, indem er mit dem Finger zurückpiekst. Es kitzel und ich muss darüber lachen, als er eine Antwort in Form eines Tritts bekommt. "Es ist wunderschön, dass sie so wachsen. Dein Bauch wird täglich größer und das ist so verdammt schön anzusehen. Das bedeutet, dass wir sie bald im Arm halten können. Viel Zeit ist nicht mehr.", murmelt er. "Ich weiß. Deswegen sollten wir auch wirklich langsam die Namen festlegen." Lucian seufzt. Wir sind uns uneinig was die Namen betrifft. Ich würde unser Mädchen gern nach meiner Großmutter benennen. Evangeline. Aber er möchte das nicht. Er hätte gern einen neuen Namen und keinen vererbten. Als zweiten Namen fände er ihn schön, doch nicht als ersten. Und als zweiten möchte ich ihn nicht, da es bereits mein zweiter Name ist. Der Name unseres Sohnes steht bereits fest. Er wird Henry Frederick heißen. Nur unsere Tochter hat noch keinen Namen. Und das zerfrisst mich. "Was hälst du von Marlina?", fragt Lucian. Ich schüttle den Kopf. "Anastasia?" Ich verziehe das Gesicht. Dann fällt mir ein Name ein. "Aria? Ich liebe das kleine Mädchen aus Game of Thrones!" Lucian erstarrt. "Prinzessin Aria. Das zergeht regelrecht auf der Zunge. Das ist perfekt.", flüstert er. Ich lächle, weil ich bei dem Namen Herzklopfen bekomme. "Also gefällt dir der Name?" Lucian nickt begeistert. "Aber wir brauchen einen zweiten Namen. Wie wäre es mit deinem?" Aria Charlotte. Nein, das ist es nicht. Ich schüttle den Kopf. "Vielleicht ist Evangeline als zweiter Name doch keine schlechte Idee.", murmle ich. Ich möchte unbedingt den Namen meiner Großmutter vererben. Dann eben doch als Zweitnamen. "Henry Frederick, Prinz von Carwona. Und Aria Evangeline, Prinzessin von Carwona. Das ist es." Lucian springt vom Bett auf und geht davor auf und ab. "Das sind die perfekten Namen." Er bleibt stehen und sieht mich an. "Oder?" Ich lache auf. "Ja, so empfinde ich auch. Perfekt Namen für perfekte Kinder." Lucian grinst und kommt zurück auf das Bett. "Ich liebe dich, Charlotte." Er küsst mich liebevoll und lange, bis ich ihm von mir drücken muss, da ich kaum Luft bekomme. "Was glaubst du, wie lange werden sie noch auf sich warten lassen?" Ich zucke mit den Schultern. "Laut meiner Ärztin gibt es keine Anzeichen, dass es in nächster Zeit losgehen könnte. Andererseits sagt meine Hebamme, dass ich schon jederzeit eine Tasche fertig gepackt haben sollte. Ich hoffe nur, dass du dann nicht zu weit weg von Zuhause bist, wenn es so weit ist. Aber jeder Tag, den sie länger im Bauch bleiben, ist wertvoll. Ich denke aber nicht, dass es noch zehn Wochen dauert. Vielleicht fünf oder sechs. Das wäre gut." Lucian legt sich wieder hin. "Und hast du mit der Hebamme über die Geburt gesprochen?", "Ja. Sobald es Anzeichen gibt, dass es bald losgeht, werden wir nachsehen, ob das erste Baby richtig liegt. Bis jetzt vermutet meine Ärztin, dass Henry zuerst auf die Welt kommen wird aber das kann sich auch noch ändern. Sollte das erste Baby also richtig liegen und ich bin gesundheitlich fit, versuchen wir es hier Zuhause. Wenn ich aber zu früh entbinde, werden wir direkt ins Krankenhaus fahren, damit die Kinder schnellstens auf die Frühchenstation gebracht werden können." Ein nachdenkliches Grunzen kommt vom Mann neben mir. Er starrt noch immer an die Decke. "Aber was ist, wenn es dann hier Zuhause Komplikationen beim zweiten Kind gibt?", "Es kann immer Komplikationen geben. Man kann eine Geburt nicht planen.", erwidere ich sanft. "Aber dann versuch es bitte gar nicht erst hier Zuhause. Wir sollten direkt in ein Krankenhaus fahren." Ich runzle die Stirn. "Wieso machst du dir solche Sorgen?" Er zuckt mit den Schultern. "Ich möchte einfach nichts riskieren. Schon gar nicht in Bezug auf dich und die Kinder." Ich seufze. "Na gut, ich werde noch einmal mit meiner Hebamme reden. Du wirkst ziemlich nervös beim Thema Geburt. Ist alles in Ordnung?" Er nickt aber es wirkt unehrlich. "Rede mit mir.", sage ich sanft. "Ach es ist nur einfach die Aufregung. Und die Angst, dass irgendwas schief geht. Dass ich nicht rechtzeitig da bin oder du das nicht schaffst. Du hast gesagt, dass es immer Komplikationen geben kann. Dass man das nicht planen kann. Und das macht mir eine Scheißangst." Ich drehe mich auf die Seite. "Du brauchst keine Angst zu haben. Du und ich schaffen das. Wir schaffen alles. Und du wirst rechtzeitig da sein. Nach dem Termin in Russland hast du keine Termine mehr, die weit weg sind. Pedro hat das extra so geplant. Bei mir ist es genauso. Wir beide werden in dem Zeitraum hier sein, in dem es losgehen könnte. Du wirst bei mir sein, wenn es so weit ist." Er nickt und wirkt tatsächlich etwas erleichtert. Zum Glück, denn einer von uns muss ja die Nerven behalten und selbst wenn ich bisher noch wenig Angst habe, wird sich das garantiert ändern, sobald die Wehen einsetzen.

Sei meine KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt