Kapitel 53

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Charlotte

Ich habe des ganzen Vormittag nicht ein einziges Mal in den Spiegel geschaut. Erst jetzt, stehe ich davor und kann nicht glauben, dass ich es bin, die dort zu sehen ist. Ich bin wunderschön. Meine Haare sind zu einem schlichten Knoten im Nacken zusammengebunden, da ich später die Krone aufgesetzt kriege und eine Hochsteckfrisur deshalb nicht in frage kam. Und nun stehe ich hier. Mit Brautkleid und einem so langen Schleier, dass ich Angst habe, damit nicht laufen zu können. "Es wird Zeit. Der König ist soeben mit der Kutsche losgefahren.", sagt Percy und lächelt mich an. Ich atme tief durch. "Okay. Ich denke, dass ich so weit bin.", sage ich nervös. "Aber natürlich bist du das.", sagt Maria und reicht mit meinen Brautstrauß. Maria schnappt sich das Ende meines Schleiers und meiner Schleppe, damit wir runter gehen können. Als wir rauskommen, höre die die vielen Leute vor dem Schlossgelände, da ich aber sehr weit weg bin, winke ich vorerst nicht. Sie würden es ja doch nicht sehen. Außer natürlich sie haben Ferngläser. Auf meinen Wunsch hin werde ich mit dem Auto zur Kirche gebracht, sodass ich noch ein paar Minuten habe, in denen ich mich unbeobachtet fühle. Maria und ich steigen hinten ein. Und kaum ist die Tür zu, geht es los. "Alles gut?", fragt Maria strahlend. "Ich kann es kaum erwarten.", lache ich und beobachte die vielen Menschen, die den ganzen Weg bis zur Kirche hinter den Absperrungen stehen. Als wir dann aber vor der Kirche ankommen, fängt mein Herz richtig an zu rasen. "Komm, Charly. Zeit zu heiraten und Königin zu werden." Maria zwinkert mir grinsend zu und steigt aus. Meine Tür wird von einem Mann in Uniform geöffnet, der sofort Haltung annimmt und die ausgestreckte Hand an die Schläfe legt, als ich aussteige. Die Leute brüllen und jubeln, also winke ich in alle Richtungen, bis mein Vater vor mir steht. Seine Augen sind ganz glasig und er schnieft. Mom war vorhin bei mir, doch Dad wollte mich erst sehen, wenn ich hier vor ihm aus dem Auto steige. Er legt sich seine Hand an den Mund. "Gott, Charlotte.", sagt er und eine dicke Träne läuft ihm über die Wange. Ich lache und versuche auf keinen Fall zu weinen. Ich hätte ihm gern einen Kuss auf die Wange gegeben, doch der hauchdünne Schleier vor meinem Gesicht macht das unmöglich. "Du bist so wunderschön. Mein kleines Mädchen.", flüstert er. "Danke, Dad.", sage ich. Er atmet tief durch, um die Tränen zu unterdrücken und stellt sich neben mich. "Bereit?", fragt er und bietet mir einen Arm an. "Schon lange.", nicke ich und halte mich an seinem Arm fest. "Okay. Dann lass uns gehen." Die Glocken der Kirche Leuten unaufhörlich, während Papa und ich die lange Treppe hinauf zum Eingang der Kirche erklimmen. Die Menschen hinter uns rufen und jubeln weiter so laut, dass sie fast das Glockenspiel übertönen. Am Eingang der Kirche wartet der Bischof auf mich, der mich mit einem freundlichen Lächeln begrüßt. "Kann es losgehen?", fragt er mich und als ich nicke, dreht er sich um und die Musik der gewaltigen Orgel erklingt, während die Glocken aufhören zu spielen. Maria steht mit vier kleinen Mädchen vor mir, die allesamt unfassbar niedlich in ihren Kleidchen aussehen. Als der Erzbischof sich in Bewegung setzt, gehen sie ihm langsam hinter ihm her, um Blütenblätter zu verstreuen. Meine Hand krallt sich in Dads Ärmel. Ich bin so nervös. Alle sind von ihren Plätzen aufgestanden und lächeln mir strahlend zu. Hier und da sehe ich bewundernde Blicke auf mein Kleid gerichtet und bin froh, dass es so gut ankommt und Dank der Corsage ist von meinem kleinen Babybauch absolut nichts zu sehen. Madame Markova wird wohl wirklich ein paar neue Kunden ergattern können. Als wir nahe genug sind, betrachte ich Lucian, wie er als stolzer König vor dem Altar steht und darauf wartet, dass ich endlich bei ihm bin. Ich kann sehen, dass er mit den Tränen kämpft und beiße mir auf die Lippen, um nicht auch weinen zu müssen. Er sieht unglaublich aus in seiner Uniform. Die Krone auf seinem Kopf lässt mich aber wieder daran denken, dass ich demnächst selbst eine Krone tragen werde. Und genau diese Krone steht bereits auf dem Altar. Ich schlucke schwer. Jetzt wird es ernst.
Dad und ich bleiben vor Lucian stehen. Mein Vater nimmt meine Hand, die an seinen Arm geklemmt ist und küsst sie, ehe er sie Lucian reicht und mich somit meinem zukünftigen Mann überreicht. Dad lächelt noch einmal, dann tritt er beiseite und geht zu Mom und Jason. Lucian nimmt nun auch meine andere Hand und führt sie an seine Lippen. "Du siehst noch schöner aus, als ich es mir vorgestellt hatte.", flüstert er. Ich lege den Kopf etwas schief. "Bring mich nicht zum weinen.", sage ich. Wir müssen beide leise lachen, dann lässt er meine Hände los und wir drehen uns dem Erzbischof zu. Die Musik spielt eine Weile weiter, danach folgen Wort der Begrüßung und Einführung. Aber dann wird es ernst, als der Erzbischof Lucian direkt ansieht. "König Lucian, wollt Ihr diese Frau als Eure Euch angetraute Ehefrau nehmen, um mit ihr nach Gottes Ordnung im heiligen Stand der Ehe zu leben? Wollt Ihr sie lieben, trösten, ehren, zu ihr stehen in guten sowie in schlechten Zeiten, solange wie Ihr beide lebt?", "Ich will.", antwortet Lucian und sofort macht sich Wärme in mir breit. Und vielleicht auch ein wenig Erleichterung. "Charlotte, willst Du diesen Mann als Deinen Dir angetrauten Ehemann nehmen, um mit ihm nach Gottes Ordnung im heiligen Stand der Ehe zu leben? Willst Du ihn lieben, trösten, ehren, zu ihm stehen in guten sowie in schlechten Zeiten, solange wie Ihr beide lebt?", werde ich nun gefragt. "Ich will.", antworte ich stolz. Lucian nimmt nun meine Hand und spricht dem Erzbischof nach. "Ich, Lucian Frederick Geoffrey, König von Carwona, nehme Dich, Charlotte Evangeline Marry, zu meiner angetrauten Ehefrau von diesem Tage an. Ich will Dich lieben und ehren in guten sowie in schlechten Zeiten, in Reichtum und Armut, in Gesundheit und Krankheit und Dir stets die Treue halten, gemäß Gottes Gesetz, bis dass der Tod uns scheidet." Wir lassen uns kurz los, dann wendet der Erzbischof sich wieder mir zu und ich nehme Lucians rechte Hand. "Ich, Charlotte Evangeline Marry, nehme Dich, Lucian Frederick Geoffrey, zu meinem angetrauten Ehemann von diesem Tage an. Ich will Dich lieben, ehren und dir gehorchen. In guten sowie in schlechten Zeiten, in Reichtum und Armut, in Gesundheit und Krankheit und Dir stets die Treue halten, gemäß Gottes Gesetz, bis dass der Tod uns scheidet." Als ich das Wort gehorchen sage, weiten sich seine Augen. Mir ist bewusst, dass in England das Wort bewusst ausgelassen wurde und sich viele nun Fragen werden, wieso ich es nicht auch weggelassen habe, aber letztendlich werde ich nach dieser Trauung Lucian gehören und im Endeffekt ist es tatsächlich so, dass er von uns beiden die Hosen an hat. Außerdem bedeutet gehorsam doch mittlerweile etwas anderes als noch vor hundert Jahren. Wir lassen wieder unsere Hände los und der Erzbischof segnet meinen Ring. "Herr, segne diesen Ring und gewähre dem, der ihn gibt und ihr, die ihn nimmt, dass sie verbunden bleiben in Liebe und Treue und nach deinem Frieden und Willen leben, bis zu ihrem Lebensende. Durch Jesus Christus unseren Herrn. Amen." Lucian nimmt den Ring und steckt ihn mir vorsichtig an den linken Ringfinger. "Mit diesem Ring nehme ich Dich zu meiner Ehefrau, mit meinem Leib werde ich Dich ehren, all meine weltlichen Güter werde ich mit Dir teilen: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.", sagt Lucian, dann knien wir vor dem Erzbischof nieder. "Lasset uns beten. Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt und Erhalter unseres Lebens: Gewähre Deinen Untertanen, dieser Frau und diesem Mann, oh Herr, die Fülle Deines Segens, damit ihre Liebe reife und sie beide in Treue miteinander leben und ihr Gelübde ehren. Dieser Ring, gegeben und empfangen, ist ein Zeichen dieses Versprechens. Lasse sie in vollkommener Liebe und in Frieden nach Deinen Gesetzen leben. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.", sagt er feierlich. Wir stehen auf und nun spricht er zur Gemeinde: "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
König Lucian und Charlotte haben in den heiligen Bund der Ehe eingewilligt und dies vor Gott und den hier Versammelten bezeugt, haben sich gegenseitig ewige Treue geschworen und dies mit dem Geben und Empfangen eines Ringes und dem Verbinden ihrer Hände demonstriert. Ich ernenne sie zu Mann und Frau. Im Namen des Vaters, und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Nun dürft Ihr Eure Braut küssen, mein König." Lucian und ich drehen uns zueinander. Langsam greift er nach dem Ende meines Schleiers und streicht ihn mir über den Kopf nach hinten, eher er meine Hände nimmt und er mich Küsst. Ein sanfter und zurückhaltender Kuss, wie es vorgeschrieben ist, aber in dem so viel Liebe steckt, dass es mich beinahe umhaut. Als wir uns voneinander lösen, fährt der Erzbischof fort: "Gott der Vater, Sohn und Heilige Geist segne, schütze und behüte Euch. Der Herr schaue gnädig mit seiner Güte auf Euch. Und so erfülle er Euch mit heiligem Segen und Gnade im Diesseits und schenke Euch ewiges Leben im Jenseits. Amen." Eine kurze Pause und Lucian lässt meine Hand los, um einen Schritt zur Seite zu treten. Jetzt nur nichts vermasseln, denke ich und knie nieder. Der Erzbischof sieht zu mir hinunter. "Sprecht nun Euren Eid.", sagt er. "Ich, Charlotte Evangeline Marry O'Brien, verspreche und schwöre feierlich, die Völker Carwonas gemäß ihrer jeweiligen Gesetze an König Lucians Seite zu regieren. Ich schwöre, alles in meiner Macht stehende zu tun, um Recht und Gerechtigkeit in Gnade zu bewirken, das in allen unseren Gerichten angewendet werden soll. Alles was ich versprochen habe, werde ich ausführen  und erhalten. So wahr mir Gott helfe.", sage ich und bin sofort erleichtert, als mir klar wird, dass ich alles richtig gesagt habe. Vom Gelübde bis zum Eid. Kein einziger Fehler. Der Erzbischof dreht sich um, nimmt die Krone vom Altar und hält sie vor sich hoch. Er sagt ein paar Worte auf Latein, dann wird mir die Krone aufgesetzt. Er deutet mir mit den Händen, dass ich aufstehen soll. Ich stehe auf und drehe mich zu unseren Gästen. "Lang lebe Königin Charlotte!", ruft der Bischof und unsere Gäste, sowie auch Lucian wiederholen es dreimal. Mein Herz rast. Jetzt ist es vollbracht. Ich bin Königin von Carwona und Ehefrau des Königs. Ich schlucke. Oh Himmel, wie konnte das nur geschehen? Ich drehe mich wieder um und Lucian tritt neben mich, ehe wir uns gemeinsam mit Maria und Collin, unseren Trauzeugen, zur Eintragung in das Trauregister in die Kapelle begeben. Nachdem alle unterschrieben haben, erklingt wieder laute Musik, die den Auszug der Geistlichen begleitet. Anschließend folgt unser Auszug aus der Kapelle und der Kirche, gemeinsam mit unseren Trauzeugen und unserer Familie. Ich halte mich an Lucians Arm fest und kann gar nicht glauben, dass das alles hier gerade wirklich passiert ist. Königin Charlotte. Nein, das muss alles ein Traum sein.
Am Eingang der Kirche bleiben wir kurz stehen und winken der Jubelnden Menge zu. "Das soll Jubel sein? Das geht doch noch besser.", murmelt Lucian und als er mich dann küsst, scheint die Menge zu explodieren. Sie rufen, applaudieren und Pfeifen. Der König grinst mich an. "Sag ich doch." Ich muss lachen und wir gehen hinunter zur Kutsche, die schon auf uns wartet. Ich steige zuerst ein, dann setzt sich Lucian neben mich und wir fahren los. Eine endlos wirkende Fahrt durch die Stadt, bei der uns am Ende vom vielen Winken beinahe die Arme abfallen. Wir küssen uns immer wieder, zeigen der Welt, dass wir wirklich aus Liebe geheiratet haben und am liebsten gar nicht mehr von der Seite des jeweils anderen weichen wollen. "Ich bin so glücklich.", murmle ich. Lucian sieht zu mir. "Ist das so?", fragt er, vom einen Ohr zum anderen grinsend. "Natürlich ist das so. Und ich bin froh, dass ich tatsächlich keinen Fehler gemacht habe." Er lacht. "Nein, hast du nicht. Aber wieso die Sache mit dem gehorsam? Das hättest du nicht sagen brauchen." Ich zucke mit den Schultern. "Letztendlich muss ich dir ja aber gehorchen. Ebenso wie jeder andere in diesem Land." Er lacht. "Ich liebe dich, Charlotte.", "Ich liebe dich auch.", antworte ich und küsse ihn. Während wir durch die Straßen fahren, werden wir mit Blumen und Reis beworfen. Wir winken weiter, bis wir endlich am Schloss ankommen, wo nun der gesamte Vorplatz voller Menschen ist. Lucian steigt aus der Kutsche und reicht mir dann seine Hand. Maria kommt zur Hilfe und nimmt mir den Strauß ab, damit ich mich an Lucians Hand festhalten und gleichzeitig meinen Rock raffen kann. "Danke.", lächle ich sie an. Als ich wieder festen Boden unter den Füßen habe, nehme ich den Strauß zurück. "Deine Familie wartet drinnen schon auf euch. Und deine auch, Lucian.", erklärt Maria und richtet meine Schleppe und meinen Schleier, ehe wir die Treppe hinaufgehen. Wir winken unablässig weiter. Das werde ich morgen noch spüren. "Wir nehmen die Glückwünsche gleich an. Wir müssen erst noch einmal auf den Balkon. Ist Tradition." Ich nicke und folge meinem frisch gebackenen Mann hinauf zum Balkon. Zwei Bedienstete öffnen die Türen und wir treten hinaus. Und wieder winken. Hilfe. Aber dann dreht Lucian sich zu mir und gibt mir einen langen und liebevollen Kuss. Der König ist nun nicht mehr allein. Er hat seine Königin direkt neben sich.

Sei meine KöniginOnde as histórias ganham vida. Descobre agora