Kapitel 21

4.5K 118 0
                                    

Für das Abendessen habe ich mich wieder in ein Kleid gezwängt und warte nun darauf, dass Lucian mich abholt. Maria ist schon längst zurück in ihr Zimmer gegangen, damit ich mich in Ruhe umziehen konnte und um sich selbst auch für das Abendessen frisch zu machen. Außerdem habe ich versucht meine Eltern anzurufen, damit ich ihnen von den Neuigkeiten der vergangenen Stunden erzählen könnte, doch sie sind nicht ans Telefon gegangen, deshalb gehe ich davon aus, dass sie noch auf dem Hof zu tun haben.
Als die Tür zu meiner Suite aufgeht, hebe ich den Blick. Lucian trägt einen dünnen hellblauen Pulli über einem weißen Hemd und dazu eine dunkle Jeans. Sein Blick gleitet suchend durch das Zimmer und seine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln, als er mich entdeckt. "Bist du fertig?", "Ja.", erwidere ich und lege mein Handy zur Seite. Sollten meine Eltern zurückrufen, werde ich mich später noch einmal melden. "Ich wollte meinen Eltern von heute erzählen, aber sie gingen bisher nicht ans Telefon.", erkläre ich Lucian, als wir zusammen zum Esszimmer gehen. "Was hälst du davon, wenn wir gemeinsam zu dir nach Hause fliegen und eine Nacht dort bleiben? Ich könnte mit deinem Vater reden und bei ihm um deine Hand anhalten. Und dann können wir sie zur Verlobungsfeier einladen.", "Sind wir denn verlobt?", frage ich scheinheilig. Lucian lacht. "Den Ring und vor allem den Antrag bekommst du erst, wenn ich den Segen deines Vaters habe." Ich kichere. "Aber hast du bei Elizas Vater auch um ihre Hand angehalten?" Lucian räuspert sich. "Nicht direkt. Aber bei ihr war es mir auch nicht wichtig. Bei dir ist es anders. Wir heiraten nicht aus politischen Gründen.", "Stimmt, denn mich zur Frau zu nehmen, bringt dir absolut gar keinen politischen Vorteil. Aber wenn du Glück hast, bekommst du erstklassige Sportpferde zum Sonderpreis." Lucian lacht und erwärmt somit mein Herz. Ich liebe es, wie er lacht. "Also fliegen wir gemeinsam nach England?", frage ich noch einmal nach. "So hatte ich mir das gedacht. Oder möchtest du das nicht?", "Doch! Ich würde dich gern meinen Eltern als meinen..." Ich überlege. "Als deinen Freund vorstellen?", grinst er. "So in etwa." Ich kichere wie ein Teenager, verstumme aber, als wir beim Esszimmer angelangt sind. "Guten Abend ihr zwei, da seid ihr ja endlich.", sagt König Frederick und lächelt uns von seinem Platz aus an. "Guten Abend, eure Hoheit.", lächle ich und nehme Platz. "Nun, Charlotte, da sich jetzt alles ein wenig ändert, sollten wir vielleicht die Förmlichkeiten niederlegen. Oder was sagst du?", "Gern.", lächle ich. "Also ich bin Frederick und meine Frau Marlene.", "Wurde aber auch mal Zeit.", stöhnt Collin und greift nun nach den Bohnen, die auf dem Tisch stehen. "Ging mir schon total auf den Zünder. Beim Abendessen immer so höflich und förmlich. Ich hasse es." Er schaufelt sich den Teller voll und reicht dann Maria die Schüssel, die sich ebenfalls auffüllt. "Da gebe ich dir recht.", stimmt sie ihm zu. Marlene verdreht die Augen. "Ach Kinder. Aber mal zu dir, Lucian. Wie war das Gespräch? James sah nicht besonders erfreut aus, als ich ihn vorhin auf dem Flur traf." Der Kronprinz seufzt. "Er ist natürlich wütend. Habe ihm Geld und Land als Entschädigung versprochen, aber wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Geld und Land als Entschädigung für die Abfuhr an seine Tochter sind nicht gerade das was er will. Er will natürlich zur Presse gehen und alles erzählen. Soll er ruhig. Es ist mir gleich, was die Presse schriebt. Der Punkt ist, dass ich Charlotte heiraten werde, selbst wenn das gesamte Volk sich gegen mich auflehnt." Nun greift auch er nach den Bohnen und füllt sich auf. "Das Volk sich auflehnen? Wohl kaum. Charlotte wird schon jetzt gefeiert und bisher ist sie nur als deine beste Freundin bekannt. Niemand wird gegen diese Ehe sein. Spätestens bei eurem ersten Kind wird euch das gesamte Volk vergöttern. Ein junges Königspaar ist immer beliebt. Vor allem weil du dann König bist, Lucian. Die gesamte Bevölkerung verehrt dich, mein Sohn." Wieder verkrampfe ich mich, als Kinder erwähnt werden. Königin Marlene stößt ihren Mann an. "Kinder werden nicht erwartet, Rick.", sagt sie leise. Der König sieht zu mir und sein Blick ist erschrocken, doch dann verständnisvoll. "Entschuldige meine Unverfrorenheit. Ich habe nicht nachgedacht.", "Es ist alles in Ordnung.", lächle ich, doch erst als Lucian nach meiner Hand greift, entspannt sich mein Körper wieder. "Vielleicht können wir einen anderen Mann für Eliza finden?", wirft Collin plötzlich ein. Alle Blicke richten sich auf den Prinzen. "Ihr Vater will weder Land noch Geld, denn nichts ist besser als dass seine Tochter in die königliche Familie einheiratet." Ich runzle die Stirn und auch Maria sieht ihn an wie ein Schaf. "Das ist doch nicht dein Ernst?", fragt sie entgeistert. "Naja, ich war nicht sonderlich begeistert, als Lucian ihr den Antrag machen wollte." Plötzlich erinnere ich mich an sein entsetztes Gesicht, als ich ihm auf dem Ball erzählte, dass Eliza Lucians Auserwählte sein würde. Und an Eliza, die einen anderen Mann zu lieben scheint. "Du bist es.", flüstere ich. Collin sieht mich an. "Auf deinen Antrag hat sie gehofft. In dich ist sie verliebt. Deshalb war sie erleichtert, als Luican gestern das Gespräch gesucht hat." Im Esszimmer ist es ganz still, bis Lucian das Wort ergreift. "Wieso hast du nicht mit mir geredet?" Collin schnaubt. "Du hast nur Charly von deiner Wahl erzählt. Als sie mir davon erzählte, war es doch längst zu spät. Du hast sie bereits zu dir gerufen. Was sollte ich da denn noch machen? Du wolltest vor vielen Zeugen um ihre Hand anhalten. Sollte ich anschließend zu dir gehen und dir eine Szene machen? Oder ihr? Eliza und ich sind uns ziemlich nahe gekommen. Ich wollte sie selbst fragen. Irgendwann mal, wenn wir uns besser kennen. Aber das ging dann halt nicht mehr. Ich musste das akzeptieren." Er zuckt leicht mit den Schultern und sieht unsicher in die Runde. "Es tut mir so Leid.", haucht Lucian. "Muss es nicht. Du konntest es ja nicht wissen.", erwidert sein kleiner Bruder. "Du hast dich in Eliza verliebt?", fragt Marlene gerührt. "Scheint so.", murmelt Collin und sieht zu seinem Vater. "Ein Antrag deinerseits könnte James tatsächlich milde stimmen. Bist du dir sicher, dass du das tun willst?", "Ich werde es tun. Wenn sie mich nicht will, dann ist es eben so. Ich werde erst allein mit ihr reden und hoffen, dass sie vielleicht ähnlich empfindet wie ich. Ich gehe später zu ihr.", "Wow. Was für ein Familiendrama. Wenn ich das verfilmen würde, würde ich eine menge Geld machen.", sagt Maria. Marlene sieht sie böse an. "Was denn? Ist doch wahr.", murmelt sie und stochert in ihren Bohnen herum. "Also schön, wie geht es jetzt weiter?", fragt Frederick und lehnt sich zurück. "Ich werde nach dem Abendessen zu Eliza gehen und mit ihr reden. Danach werde ich euch mitteilen, was sie gesagt hat. Und dann könnt ihr eure Verlobung bekannt geben. Vielleicht wird dann ja alles gut. Ohne Skandal." Lucian und ich sehen uns an. Vielleicht ist das wirklich eine Lösung. "Ich werde mit Charlotte nach England zu ihren Eltern fliegen. Erst danach werden wir uns richtig verloben.", "Sag ich doch, dass er darauf Wert legt.", sagt Marie mit vollem Mund zu mir. "Also gut. Wann fliegt ihr?", fragt Lucians Mutter. "Ich buche später die Tickets. Ich denke mal übermorgen, denn morgen habe ich noch einen Termin." Alle nicken und dann wird endlich gegessen. Nur ich stochere appetitlos in meinem Essen herum. "Schmeckt es dir nicht?", fragt Lucian leise. "Doch. Ich habe nur nicht so großen Hunger. Der Tag war sehr ereignisreich.", "Das kann ich mir vorstellen, meine Liebe. Aber keine Sorge, wir werden das alles schaffen. Gemeinsam. Du gehörst jetzt zur Familie." Gerührt vom Marlenes Worten lächle ich. "Danke." Sie winkt ab und widmet sich Maria, die gerade nicht viel von Tischmanieren hält und auf ihrem Handy tippt. "Nun leg das Handy weg. Und setz dich vernünftig hin. Im Wohnheim kannst du tun und lassen was du willst aber hier benimmst du dich bitte." Maria zieht ihre Augenbrauen hoch, legt aber das Handy zur Seite und isst weiter. Wieder sehe ich zu Lucian. "Möchtest du auf dein Zimmer?" Ich schüttle den Kopf. "Es geht mir gut. Wirklich." Damit nicht weiter gefragt wird, esse ich das was auf meinem Teller liegt auf und warte, bis auch alle anderen fertig sind.
Nach dem Abendessen gehen wir zu zweit zurück zu meiner Suite. Doch als Lucian nicht hereinkommt, sehe ich ihn fragend an. "Gibst du mir einen Gutenachtkuss?", "Bleibst du nicht?", stelle ich die Gegenfrage. "Nein, ich muss doch auf mein Zimmer.", lächelt er. "Aber du dürftest doch jetzt hier bleiben, oder nicht? Möchtest du nicht?" Er lächelt und greift nach meiner Hand. "Offiziell dürfen wir das erst, wenn wir verheiratet sind." Er küsst meine Hand. "Das ist ziemlich veraltet.", murmle ich. "Stimmt. Aber dann komm mit mir. Mein Bett ist viel schöner.", "Inwiefern?", frage ich lachend. "Insofern, dass ich es einfach gewohnt bin, dort zu schlafen.", lacht er und zieht mich mit sich. Gemeinsam gehen wir nach oben in sein Zimmer. Der Kamin knistert munter und wärmt den Raum. Willst du deine Sachen vielleicht auch herbringen lassen? Oder möchtest du in der Suite bleiben, um einen Rückzugsort zu haben?", "Ist die Frage ernst gemeint?", schmunzle ich. "Meine Eltern haben auch ein gemeinsames und getrennte Zimmer. Manchmal braucht man eben Ruhe.", "Möchtest du denn, dass du ein Zimmer für dich hast?", frage ich. Wir setzen uns auf das Sofa und ich kuschle mich an ihn. "Nein. Doch. Also jedenfalls nicht so. Ich will, dass du zu mir in mein Zimmer ziehst. Mit deinen Sachen. Dann wäre die Suite ja frei. Und sollte ich mal Ruhe brauchen oder du, dann kann sich einer von uns immer noch verziehen. Das braucht man manchmal. König zu sein ist nicht wie ein normaler Job. Manchmal muss man einfach kurz allein sein und nachdenken.", "Das ist auch gar nicht schlimm. Dann machen wir das so. Meine Sachen kommen hier her und wenn du deine Ruhe möchtest, dann werde ich unten schlafen. Ich bin da die letzte die deswegen einen Streit anfängt." Lucian lächelt mich an und küsst mich flüchtig. "Du bist die richtige für mich, Lotti." Er steht auf und geht zu seinem Nachttisch, wo er sich ein Tablet nimmt und zu mir zurück kommt. "Wir nehmen einen Linienflug. Aber erste Klasse, verstanden?" Ich verdrehe die Augen. "Aber nur, weil du zukünftiger König bist und es lästig wird, wenn wir in der Holzklasse von allen belagert werden. Wir werden dir eine Perücke und einen Schnauzer besorgen müssen." Er lacht auf. "Gute Idee. Aber für dich auch, denn du bist hier jetzt auch ziemlich bekannt." Lachend lege ich den Kopf in den Nacken. "Ich sehe mit Schnauzer bestimmt super aus.", "Denke ich auch.", erwidert Lucian und bucht nun endlich unsere Tickets. "Also sind wir jetzt ein Paar? Oder sind wir theoretisch noch gar nichts?", "Ich würde sagen ein Paar. So läuft das ja in der Regel. Man ist in einer Beziehung, dann kommt der Antrag, dann die Hochzeit.", "Nur haben wir beschlossen zu heiraten bevor wir eine Beziehung eingegangen sind.", murmle ich und fummle am Saum seines Pullis herum. "Stimmt. Aber das tut ja nichts zur Sache. Ich muss erstmal den Ring aus Mutters Klauen befreien und deinen Dad fragen. Das wird noch aufregend." Er seufzt und sperrt den Bildschirm des Tablets. "Beunruhigt dich das?", frage ich verwundert. "Natürlich. Was wenn er nein sagt?", "Keine Ahnung? Heiraten wir dann nicht?" Wir sehen einander an, bis wir grinsen müssen. "Er wird nicht nein sagen. Hoffe lieber, dass ich ja sage." Lucian hebt seine Augenbrauen. "Du wirst mir keinen Korb geben. Sonst sorge ich dafür, dass du einen Monat lang keinen Nachtisch bekommst." Lachend schmiege ich mich an ihn. Was für ein perfekter Moment. Ich hoffe, dass wir noch viele solcher Momente miteinander erleben werden.
"Wollen wir schlafen gehen?", fragt Lucian nach einer Weile, doch ich schüttle den Kopf. "Wir müssen noch auf Collin warten. Er hat gesagt, dass er uns heute noch sagen wird wie es weiter geht." Der Prinz starrt ins Feuer. "Hast du davon gewusst? Dass er sich in Eliza verliebt hat?", "Nein.", antworte ich leise. "Aber als er es heute erzählt hat, habe ich mich an seinen Blick erinnert, als ich ihm von deiner Wahl erzählte. Er war entsetzt. Traurig. Ich dachte er würde mich so ansehen, weil er nicht glauben konnte, dass du nicht mich Fragen würdest. Es muss hart für ihn gewesen sein." Seine bernsteinfarbenen Augen beginnen im Licht des Feuers zu glänzen. "Was habe ich euch bloß angetan? Wie konnte ich dermaßen blind sein?" Ich drehe seinen Kopf zu mir, damit er mich ansieht. "Du konntest es nicht wissen. Niemand von uns wusste es. Aber jetzt wird alles gut. Ich glaube nicht, dass Eliza Collin abweisen wird. Sie hat dich nicht geliebt, Lucian, das hat sie mir selbst gesagt. Vielleicht hat ihr Herz ja auch schon längst für deinen Bruder geschlagen. Sie hat da diese Andeutungen gemacht. Vielleicht hat ihr Vater Druck gemacht, damit sie dich heiratet.", "Ja, vielleicht hast du recht. Aber das wissen wir erst, wenn-" Weiter kommt Lucian nicht, da es an der Tür klopft. "Ja?", ruft Lucian laut genug. Collin öffnet die Tür und tritt in das Zimmer. "Und? Wie ist es gelaufen?", frage ich aufgeregt. "Ihr Vater will es nicht. Aber Sie hat meinen Antrag dennoch angenommen und ihren Vater nach Hause geschickt. Hat einen riesen Aufstand gemacht und uns angebrüllt. Erst habe ich gedacht, dass Eliza dann einknicken wird aber sie hat ihn vor die Tür gesetzt und gesagt, dass es an der Zeit ist, dass sie allein entscheiden darf, wen sie heiratet und wen nicht." Ich sehe ihn mit großen Augen an, dann springe ich vom Sofa auf und falle ihm um den Hals. "Herzlichen Glückwunsch." Er lacht und schließt seine Arme fest um mich. "Ich hätte eher den Mund aufmachen sollen. Ich danke dir, dass du zurück gekommen bist und meinem Bruder so sehr den Kopf verdreht hast. Wäre das nicht passiert, hätte ich für den Rest meines Lebens damit leben müssen, dass ich sie niemals haben kann." Ich löse mich von Collin und lächle ihn an. "Alles wird sich fügen. Jetzt wird alles gut. Und soll die Presse sich doch das Maul zerreißen, uns wird das nicht aus dem Konzept bringen, verstanden?" Er nickt lächelnd und lässt mich nun ganz los. Lucian umarmt seinen kleinen Bruder und entschuldigt sich für seine Unaufmerksamkeit. Es ist schön zu sehen, wie die beiden Brüder wieder eins werden und alle Unstimmigkeiten zur Seite schieben. Das war längst überfällig.

Sei meine KöniginWhere stories live. Discover now