Kapitel 12

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Nervös drehe ich mich vor dem Spiegel hin und her. Mein rotes Kleid dreht sich mit mir, schwingt fröhlich um meine Beine. Doch mein Lächeln gefriert, als ich eine Person hinter mir sehe. Ich presse die Lippen aufeinander und drehe mich um. Luke lehnt im Türrahmen, die Hände lässig in den Taschen seiner Smokinghose gesteckt. "Was willst du?", frage ich mit fester Stimme. Er stößt sich mit der Schulter vom Türrahmen ab und kommt auf mich zu. "Ich verstehe einfach nicht, wieso du dich von mir getrennt hast." Ich lache laut auf. "Ach nein? Wollen wir kurz zusammen darüber nachdenken? Sag mir jetzt was du hier willst." Er seufzt und stellt sich direkt vor mich. Vorsichtig nimmt er meine Hände in seine "Ich will nur eine zweite Chance. Was ich getan habe, war falsch, Charlotte, und das weiß ich auch. Ich hatte nur gehofft, dass wir das vielleicht vergessen könnten." Er tritt einen kleinen Schritt zurück und macht einen Kniefall. Aus seiner Smokingtasche zieht er eine kleine rote Schatulle die mit Samt überzogen ist. "Charlotte Evangeline Marry O'Brien, möchtest du meine Frau werden?" Er öffnet die kleine Schatulle und ein glänzender Diamant strahlt mir entgegen. Entsetzt klappt mir der Mund auf. "Du wärst nicht nur meine Frau, du wärst auch Herzogin von Bedfordshire, sobald ich in die Fußstapfen seines Vaters trete. Wir könnten auf dem Anwesen Pferde züchten und ausbilden lassen. Ich werde alles geben, dass du dort glücklich wirst." Noch immer völlig entsetzt trete ich einen Schritt zurück, um Abstand zwischen uns zu bringen. "Luke, steh auf.", sage ich leise. Er presst die Lippen aufeinander, steht aber auf und schließt die Schatulle. "Ich weiß nicht, was genau das hier alles soll, wieso du hier bist und wieso du mir ausgerechnet heute einen Heiratsantrag machst. Wir sind lange genug zusammen gewesen, dass du wissen müsstest, dass es zwischen uns vorbei ist. Du hast mich mit meiner besten Freundin betrogen, Luke. Verstehst du nicht, dass das das Schlimmste war, was du mir hättest antun können? Abgesehen davon traue ich dir und dieser Frau nicht. Keine Ahnung was Amalia vorhat, aber lasst es sein. Ich bin hier, um Gast auf Lucians Geburtstagsball zu sein, danach fliege ich zurück nach Hause und lebe mein Leben weiter. Ohne dich.", "Ist das so? Fliegst du danach nach Hause?", fragt er gereizt. Es scheint, als würde er mir nicht glauben. "Was soll das denn bitte heißen?" Er zuckt mit den Schultern. "Vielleicht gefällt es dir hier ja. Vielleicht war dir mein Titel nicht genug. Königin Charlotte. Klingt in deinen Ohren doch sicher wie Musik.", "Raus! Du hast nicht das Recht mir solche Sachen zu unterstellen. Ich bin hier, weil Lucian zu einem sehr guten Freund für mich geworden ist und er mich eingeladen hat. Geh mir aus den Augen, Luke, du hast mir schon jetzt den kompletten Abend versaut." Erneut presst er verärgert die Lippen aufeinander, doch diesmal geht er tatsächlich und ich bin wieder allein. Vor Wut kochend lasse ich mich in einem der Sessel sinken und atmet tief ein und aus. Ein leichter Schmerz zieht durch meinen Bauch und ich zucke. Ich sollte wirklich bald mal zum Arzt gehen. Wenn ich schon schwanger sein sollte, dann will ich auch wissen, ob es meinem Baby gut geht.
Als Janet an der Tür klopft und hineinkommt, richte ich mich auf. "Wow, es sieht sehr schön aus. Das Kleid ist wirklich perfekt für dich. Wir müssen jetzt aber los, bist du bereit?" Ich nicke mit enormer Nervosität und stehe vom Sessel auf. Kurz schwanke ich und alles dreht sich um mich, doch als Janet mir zu Hilfe kommt und mich festhält geht es wieder. "Ist alles in Ordnung mit dir?", "Klar.", antworte ich, bin aber selbst nicht von meiner Antwort überzeugt. Was ist los mit mir? Liegt es an der Aufregung? "Sicher? Du wirkst ein wenig blass. Oder liegt das am Make-up?", "Mir geht's gut.", lächle ich, befreie mich vorsichtig aus ihrem Griff und straffe die Schultern. "Lass uns gehen, ich muss mit den zukünftigen König einen Eröffnungstanz durchziehen." Janet schmunzelt und folgt mir aus meinem Zimmer, dann bringt sie mich zum Ballsaal, wo schon sehr viele Gäste ausgelassen plaudern, Champagner trinken und einander kennen lernen. Ich sehe mich um und entdecke Maria und Collin, die zusammen mit ihren Eltern neu eintreffende Gäste begrüßen. Allerdings ohne Lucian. "Wo ist Lucian?", frage ich Janet. "Oh, der wird sicher gleich kommen. Hier ist es üblich, dass das königliche Geburtstagskind erst eintrifft, wenn alle Gäste da sind. Ich denke, dass das nur noch wenige Minuten sind, draußen sind schon alle Autos weg, also sind alle da. Außer natürlich es kommt noch jemand zu spät." Sie schnappt sich zwei Sektgläser vom Tablett eines vorbeilaufenden Kellners. "Hier, das ist Saft.", lächelt sie mich an und gibt mir das eine Glas. Langsam wird es auffällig. Vielleicht sollte ich doch ein Glas Sekt trinken. Nein. Das sollte ich nicht.
Als Applaus ertönt, richte ich meine Aufmerksamkeit auf die große Flügeltür, in der Lucian gerade erschienen ist. Er trägt einen perfekt sitzenden schwarzen Smoking mit roter Fliege, die die gleiche Farbe wie mein Kleid hat. Wow. Er winkt seinen Gästen mit einem sexy Lächeln zu. Als der Applaus verebbt, beginnt er mit seiner kurzen Rede. "Vielen Dank, dass Sie alle so zahlreich zu meinem Geburtstagsball erschienen sind. Genießen Sie den Abend, tanzen Sie alle mit mir die Nacht durch und lassen Sie sich das Essen schmecken. Am Ende des Abends werde ich bekannt geben, wer in wenigen Monaten meine Ehefrau werden wird. Ich sage nur so viel, dass sie bereits anwesend ist und noch nichts von ihrem Glück weiß." Ein Raunen geht durch den Raum und ich starre Janet mit offenem Mund an. "Wusstest du davon?" Sie schüttelt den Kopf . "Nein, und so wie seine Majestät der König aussieht, wusste er davon auch nichts.", erwidert sie. Mein Blick gleitet zu Lucians Eltern, die beide sehr überrascht, eher sogar überrumpelt aussehen. "Offensichtlich.", murmle ich und sehe zum Prinzen, der nun von seinen Gästen mit Händeschütteln und Glückwünschen überrannt wird. Als er endlich zu mir kommt, lächle ich ihn so ehrlich an, wie ich es nur kann. "Ich wünsche dir alles Liebe zum Geburtstag.", hauche ich, während ich ihn fest in den Arm nehme. "Ich danke dir, Lotti. Lass dich ansehen." Er nimmt meine Hände und geht einen Schritt zurück, um mich anzusehen. "Du siehst atemberaubend schön aus.", strahlt er, dann lässt er meine eine Hand los und dreht mich einmal. "Lass uns Platz nehmen, das Essen wird sicher gleich serviert." Er hält mir seinen Ellbogen entgegen und ich hake mich bei ihm ein. Zusammen gehen wir zum großen Tisch einen Raum weiter. "Du sitzt neben mir, schließlich bist du mein Ehrengast. Aber was ist los mit dir?", "W-was?", frage ich verwirrt. "Du sagst kaum etwas, bist sehr still. Liegt dir etwas auf dem Herzen?", "Nein.", antworte ich und lächle den Mann dankbar an, der mir den Stuhl zurechtschiebt. "Danke.", bedankt sich auch Lucian und setzt sich. "Wirst du mir erzählen, wer deine Auserwählte ist? Um ehrlich zu sein bin ich ein klein wenig enttäuscht, dass du mir nichts gesagt hast.", lächle ich. "Es war eine spontane Entscheidung. Bleibt zu hoffen, dass besagte Auserwählte auch ja sagt. Es wäre höchst peinlich, wenn sie es nicht täte." Ich lache auf. "Oh ja, es wäre wirklich ein Skandal. Aber ich glaube, du kannst unbesorgt sein. Auf dieser Welt gibt es vermutlich keine einzige Frau, die zu einem Heiratsantrag von dir Nein sagen würde.", "Meinst du wirklich?", hinterfragt er noch einmal und wirkt ein wenig nervös. "Ich weiß nicht, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Das wissen wir vorher nie, oder?" Ich schüttle den Kopf. "Wärst du glücklich mit ihr? Oder dient diese Ehe nur ihrem Zweck?" Er senkt kurz den Blick. "Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Vielleicht wäre ich glücklich. Aber vielleicht ist sie auch wirklich nur zweckmäßig." Noch bevor ich etwas antworten kann, erhebt er sich, klingt einmal mit seinem Messer gegen sein Sektglas, das er in der Hand hält und alle Unterhaltungen verstummen. Der gesamte Saal blickt zu ihm hinauf, wartet auf Worte seinerseits. "Ich möchte noch meinen Ehrengast vorstellen. An meiner Seite sitzt Charlotte O'Brien, die beste Pferdezüchterin und Ausbilderin, die ich bisher traf. Dank ihr steht nun ein prachtvoller schwarzer Hengst mit perfekter Abstammung und Ausbildung in meinem Stall. Charlotte ist zu einer sehr guten Freundin geworden, man könnte sogar sagen zu meiner besten Freundin und engsten Vertrauten. Deshalb werde ich auch mit ihr den Eröffnungstanz tanzen. Aber zuerst wünsche ich einen guten Appetit, lassen Sie es sich alle schmecken." Er hebt sein Glas und alle tun es ihm gleich, ehe jeder an seinem Glas nippt und Lucian sich wieder setzt. Nur kurz darauf erscheinen zahlreiche Kellner mit Tellern in den Händen. Eine hellrot Suppe mit Croûtons darin und einem einzelnen Blatt Basilikum in der Mitte. Es sieht sehr hübsch aus und es riecht noch viel besser. Sofort läuft mir das Wasser im Mund zusammen, doch meine Bauchschmerzen lassen mich kurz die Luft anhalten. Mit leicht zitternden Fingern nehme ich einen Löffel, um mit dem Essen zu beginnen. Lucian hat bereits mehrere Löffel gegessen, als er mein zögern bemerkt. "Was ist los mit dir?", fragt er leise. "Ich glaube, ich brauche kurz frische Luft.", antworte ich gequält. Erst runzelt besorgt die Stirn, dreht sich leicht nach hinten und deutet dem Diener, dass er mir helfen soll. Mein Stuhl wird nach hinten gezogen als ich aufstehe und mich kurz entschuldige, um zu gehen. Ich suche den nächsten Ausgang und gelange auf einen großen Balkon, der vermutlich perfekt für Bälle im Sommer geeignet ist. Ich gehe ganz an den Rand und stütze mich am Geländer ab. Als ich aber Schritte hinter mir höre, halte ich inne. "Lotti, bitte rede mit mir. Was ist los?" Lucian. Ich schließe die Augen und drehe mich zu ihm. "Und wage es nicht, mich anzulügen. Mit dir stimmt etwas nicht und ich möchte sofort wissen was es ist." Ich sehe zu ihm hoch und seufze. "Ich bin schwanger." Er hebt überrascht die Augenbrauen. "Schwanger?" Ich nicke und senke den Blick. "Und heute geht es mir nicht besonders gut. Ich habe Schmerzen und weiß nicht wieso. Und zu allem Überfluss war Luke vorhin auch noch bei mir." ich drehe mich wieder von Lucian weg und starre in die Dunkelheit. "Was wollte er?", fragt er aber es macht den Eindruck, als kenne er die Antwort. Ich stutze. "Hat mir einen Heiratsantrag gemacht. Aber es kommt mir so vor, als wüsstest du davon." Er seufzt. "Ich habe euch vorhin gesehen. Wollte dich von deinem Zimmer abholen aber als ich sah, dass er dir einen Antrag macht, bin ich lieber wieder gegangen. Darf ich Glückwunsch sagen?" Ich schnaube. "Wohl kaum. Das mit ihm und mir ist vorbei. Er hat mich nicht verdient.", flüstere ich. "Bist du sicher? Ein Kind braucht einen Vater. Vielleicht könnt ihr euch ja vertragen." Er denkt Luke ist der Vater. Klar, wieso sollte er auch davon ausgehen, dass er selbst der Vater dieses Kindes ist? Kurz überlege ich, ob ich es richtig stelle, doch dann entscheide ich mich dagegen. Er wird später einer anderen Frau einen Antrag machen und ich werde zurück nach Hause fliegen. Es macht keinen Sinn, es richtig zu stellen. Nicht mehr.
"Wer wird es sein? Wen wirst du zur Frau nehmen? Und wieso die plötzliche Entscheidung?", frage ich, um der Sache mit Luke aus dem Weg zu gehen. "Es wird Lady Eliza sein. Sie stammt aus gutem Hause, ist freundlich und ich mag sie. Ob es je Liebe wird, kann ich weiß Gott nicht sagen, aber ich werde ihr dennoch den Antrag machen. Nachdem ich vorhin Luke und dich sah, musste ich umdenken. Aber jetzt..." Er beendet den Satz nicht. Umdenken? Was soll das heißen? Sie ist nett, keine Frage. Aber vielleicht habe ich tief in mir doch gehofft, dass er mich fragen würde. Auch wenn das absurd wäre.
"Ich denke ihr werdet zueinander finden.", erwidere ich leise. "Irgendwas sagt mir, dass das nicht ganz ehrlich war." Ich schüttle den Kopf. "Ihr werdet ein tolles Paar sein. Aber jetzt lass uns wieder reingehen, das Essen wird bloß kalt und es ist unhöflich, so lange weg zu bleiben. Vor allem als Gastgeber." Widerwillig nickt er, dann gehen wir zusammen rein. Innerlich packe ich bereits meine Sachen und bin schon auf dem Heimweg, äußerlich versuche ich die fröhliche Charlotte zu sein, für die mich jetzt alle halten sollen. Beste Freundin des zukünftigen Königs. Nicht Ehefrau. Nicht Mutter seiner Kinder. Das ist der Moment, in dem ich beschließe, dass ich mein Kind allein großziehen werde. Und wenn es mich irgendwann nach seinem Papa fragt, werde ich sagen, dass sein Papa ein großer Mann war, den ich viel zu früh gehen lassen musste.

Sei meine KöniginWhere stories live. Discover now