Kapitel 3

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Summend warte ich vor der Haustür darauf, dass Lucian fertig für den Ausritt ist, den er mit mir gemeinsam machen möchte. Nachdem wir vor drei Tagen beinahe die ganze Nacht in der Scheune waren, hat er gestern und vorgestern den ganzen Tag meinen Vater auf dem Hof begleitet. Er wollte wissen, wie Dads Alltag aussieht und wollte mit anpacken. Beim Abendessen hat er mich dann gefragt, ob wir beide einen Ausritt machen können und ich ihm dabei ein wenig die Gegend zeigen würde. Natürlich habe ich zugesagt, denn ich liebe es auszureiten. Und nun stehe ich in Reitsachen auf dem Vorplatz und warte drauf, dass seine Hoheit fertig angezogen ist. Als er dann in schwarzen Reithosen und blauer Pikeurjacke vor mir steht, muss ich grinsen. "Schick." Er lacht und sieht an sich hinunter. "Ich weiß, ich liebe Pikeur." Er zwinkert, dann gehen wir in den Stutenstall. "Also, welches Pferd hat du für mich auserkoren?", "Dieses hübsche Mädchen.", lächle ich und bleibe vor einer Box stehen, in der sich eine schneeweiße Stute befindet. "Das ist Snow White. Klischeehafter Name für ein weißes Pferd, ich weiß, aber den Namen haben wir ihr nicht gegeben, sie ist nämlich nicht hier geboren. Sie ist jetzt sieben Jahre alt, hat viel Talent und ist sehr für ihre gute Konzentration und ihr entspanntes Verhalten im Gelände bekannt. Um sie zu erschrecken, muss schon einiges passieren. Du kannst sie gerne aus ihrer Box holen." Lucian nickt und nimmt sich ihr Halfter, während ich ein paar Boxen weiter gehe und eine dunkelbraune Stute aus der Box hole. Ihr Name ist Ladys Ruby.

"Musst du irgendwann auch heiraten? Also ich meine hättest du die Wahl? Könntest du König werden ohne eine Frau heiraten zu müssen, die du vielleicht gar nicht liebst?" Lucian und ich reiten nebeneinander durch den Wald nahe des Gestüts. Er verzieht das Gesicht. "Theoretisch schon. Aber wie sieht das aus? Ein König ohne Königin? Natürlich könnte mich keiner zwingen, weil ich ein Mann bin. Wäre ich eine Frau, müsste ich heiraten, aber als Mann muss ich das nicht. Naja aber machen wir uns nichts vor. Früher oder später werde ich heiraten müssen. Einfach nur deshalb, um nicht als ewiger Junggeselle dazustehen." Ich nicke verständnisvoll. "Und muss sie adlig sein? Oder könnte es auch eine Küchenhilfe aus einem Diner werden?", "Nun ja, Prinz Harry hat auch gerade erst geheiratet.", erwidert er zwinkernd. "Okay, hab's verstanden.", lache ich. "Naja, vor einem Jahrhundert wäre ich was das betrifft vielleicht noch am Arsch gewesen, wenn ich das mal so ausdrücken darf. Aber in der heutigen Zeit ist das ein ganz klein wenig anders. Zwangsehen kommen heutzutage nicht mehr so gut an. Aber genug von mir. Wie sieht deine Zukunft aus?" Meine Zukunft? "Nun ja, du hast meine Zukunft bereits kennen gelernt. Das Gestüt ist meine Zukunft.", erwidere ich. "Du klingst nicht, als sei das dein Wunsch." Überrascht sehe ich ihn an. "Was? Nein, es ist auf jeden Fall mein Wunsch. Ich wollte das Gestüt schon immer übernehmen und war froh, dass mein Bruder es nicht leiten möchten, da es somit an mich übergeht. Es ist wie mit deinem Königreich. Nur kleiner." Ich lächle ihn an, doch sein Blick ist skeptisch. "Wie oft hast du das schon jemandem erzählt?" Sprachlos öffne ich den Mund, doch als mir klar wird, dass ich wirklich nicht weiß, was ich antworten soll, schließe ich ihn wieder. "Vielleicht wurde dir dieser Wunsch einfach in die Wiege gelegt. Mal angenommen dein Bruder würde es leiten. Wie sähe deine Zukunft dann aus?", "Ich würde hier bleiben und weiterhin als Bereiterin arbeiten. Ich würde den Hof nur einfach nicht leiten.", antworte ich Schulter zuckend. "Dir steht die ganze Welt offen. Was würdest du tun, wenn du nicht hier bleiben müsstest. Oder es nicht könntest." Ich schlucke schwer. "Ich weiß nicht. Vielleicht würde ich gerne mal reisen. Andere Länder sehen, nicht nur um dort an Turnieren und Wettbewerben teilzunehmen und ohne die Sorge, ob die Pferde gut ankommen. Ich würde vielleicht eine Familie haben, für die ich viel Zeit habe. Ich würde einen einfachen Job haben, bei dem es Wochenenden, Urlaub und Feierabend gibt. Ich würde um sieben das Haus verlassen, um vier zurück kommen und die Füße hoch legen. Ich würde die Arbeit Arbeit sein lassen und den Kopf ausschalten." Ich halte inne. "Aber das sind nur Hirngespinste.", füge ich hinzu, da mir bewusst wird, was ich gerade sage. "Ich denke nicht. Ich denke das ist genau das, was du dir tief in deinem inneren wünschst. Und daran ist nichts falsch." Ich schüttle den Kopf. "Wir sollten langsam zurück.", weiche ich ihm aus und biege ab, um wieder zurück zum Gestüt zu kommen.

Sei meine KöniginWhere stories live. Discover now