Kapitel 7

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Mom streichelt mir über den Rücken, als ich einen Tag vor der Reise nach Carwona über der Toilette hänge und mich übergebe. Sie seufzt und schüttelt den Kopf. "Das war unverantwortlich.", sagt sie immer wieder, während ich innerlich denke, dass sie einfach ihren Mund halten soll. "Wie konntest du nur, Charlotte?" Wow, jetzt bin ich schon Charlotte, also ist sie ganz besonders enttäuscht. Eben war ich noch Lotti und Lottchen. "Ich habe dich doch nicht um sonst aufgeklärt. Mit Luke bist du fast drei Jahr zusammen und da kommt einmal ein hübscher junger Mann auf unseren Hof, und schon haben wir den Salat.", meckert sie weiter, doch sie hält noch immer meine Haare und streichelt meinem Rücken. "Und dann auch noch der Prinz. Was glaubst, wie es jetzt weiter geht?", "Was weiß denn ich?", schluchze ich. "Andererseits wäre es auch möglich, dass du dir nur den Magen verstimmt hast. Es ist immerhin schon neun Wochen her, es hätte früher anfangen müssen. Vor allem wenn du sagst, dass das vor einer Woche angefangen hat. Ich hatte diese Anzeichen schon nach zwei Wochen." Ich stöhne genervt und richte mich auf. "Klar, ich spucke morgens und könnte danach ein ganzes Zebra vertilgen, Mom. Ich habe mir sicher den Magen verstimmt." Der Sarkasmus ist kaum zu überhören, weshalb Mom die Lippen kräuselt. "Charlotte, ist dir überhaupt bewusst, was hier gerade passiert? Lucian ist ein Kronprinz und nicht irgendein Kerl aus einem anderen Land. Er wird dieses andere Land regieren und ich bin mir ganz sicher, dass wenn er in ein paar Monaten heiratet, du nicht die sein wirst, die neben ihm steht. Dieses Kind wird der Bastard des Königs sein.", "Sag mal geht's noch? Wir leben in einundzwanzigstens Jahrhundert und nicht im sechzehnten. Dieses Wort wirst du mir gegenüber nie wieder verwenden, dass das klar ist." Wütend drücke ich die Spültaste und stehe auf, um mir den Mund auszuwaschen. "Entschuldige, das war nicht die richtige Wortwahl. Aber was glaubst du, passiert, wenn das an die Öffentlichkeit kommt? Die Presse weiß, dass er eine Woche hier verbracht hat und wir alle waren deshalb in letzter Zeit des öfteren in den Nachrichten. Die Leute können rechnen, Charlotte. Und wenn du dieses Kind auf die Welt bringst, werden sie wissen, dass es zu der Zeit entstanden ist, als er hier war. Gerüchte werden entstehen und dann kommt auch irgendwann die Wahrheit ans Licht.", "Wer sagt denn, dass ich dieses Kind überhaupt auf die Welt bringen will?", schreie ich sie an. Mom zuckt und ihre Augen weiten sich. "Du möchtest es gar nicht?", "Nein! Doch. Ich habe keine Ahnung.", stöhne ich und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. "Du musst erstmal zur Ruhe kommen.", sagt Mama ruhig und kommt wieder zu mir. "Wie denn? Ich fliege heute Nacht zu ihm. Da kann ich doch gar keinen kühlen Kopf bewahren. Ich kann es ihm nicht sagen, wenn ich nicht weiß, ob ich das Baby überhaupt bekommen will. Und ich kann nicht darüber nachdenken, ob ich es bekommen will, wenn ich in seiner Nähe bin und zwar in einem Schloss. Am königlichen Hof.", "Entschuldigung, dass ich so ausfallend geworden bin. Ich mache mir nur Sorgen." Ich nicke wissend und wische mir Tränen von den Wangen. "Weißt du, als ich mit deinem Bruder schwanger war, war das auch nicht geplant." Neugierig sehe ich meine Mutter an, die zu lächeln beginnt. "Ich war hier auf dem Hof, weil ich Reiterferien mit meinen Eltern und meiner Schwester gemacht habe. Ich war neunzehn und wollte eigentlich nicht mitkommen, weil ich es für einen öden Urlaub auf einem Ponyhof gehalten habe. Dann kam ich her und war positiv überrascht, als ich das große Gestüt mit all den stolzen Pferden gesehen habe, die mehr wert waren, als unser Haus. Und dann habe ich deinen Vater kennengelernt. Zu der Zeit hat dein Großvater das Gestüt noch geleitet und dein Vater war für die Ausbildung der Jungpferde zuständig. So wie du und Jason heute. Nun ja, dein Vater und ich haben uns sehr gut verstanden und kurz nach unserem Urlaub stellte ich fest, dass ich ein Kind erwarte. Mein Vater war außer sich, er war noch jemand von alter Schule und wollte, dass ich als Jungfrau in eine Ehe trete. Meine Mutter hingegen freute sich für mich und hielt meinem Vater einen Vortrag, dass wir doch nicht mehr im Mittelalter leben. Tja, so wie du es eben mit mir getan hast. Und du hast Recht, meine Gedanken eben waren veraltet. Nur wird es nicht gut ankommen, wenn der König ein Kind mit einer anderen Frau hat, während er mir einer anderen verheiratet ist. Du musst es ihm sagen. Ihr müsst darüber reden." Ich schüttle den Kopf. "Noch nicht. Ich weiß ja auch gar nicht wirklich, ob ich schwanger bin. Nun ja okay, es ist eigentlich eindeutig, aber ich habe weder einen Test gemacht noch war ich beim Arzt. Und ich kann da auch vor meiner Abreise nicht mehr hin, deshalb werde ich es erst machen, wenn ich zurück bin. Auf die eine Woche kommt es nämlich auch nicht mehr an." Mama nickt und schließt kurz die Augen. "Schaffe ich es?" Sie öffnet wieder ihre Augen und sieht mich besorgt an. "Nun ja, bei einem Mann hier aus der Nähe, der einen normalen Job hat, hätte ich sofort ja gesagt. Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass du es schaffen wirst. Aber ich weiß nicht, ob dein Herz vielleicht daran zugrunde geht, wenn er nicht zu dir stehen kann. Du bist sehr sensibel." Ich verziehe das Gesicht. Verflucht sei diese Charaktereigenschaft. Sensibilität ist momentan das letzte, was ich gebrauchen kann, aber Mom hat Recht, ich war schon immer sehr sensibel und verletzlich. Eine Schwangerschaft und ein Baby würden das vermutlich nicht besser machen. Ich lasse mich auf den Rand der Badewanne nieder und senke den Blick. "Wieso bloß ich? Ich habe nicht damit gerechnet, dass Lucian und ich etwas miteinander haben könnten. Er vermutlich auch nicht.", "Wusste er, dass du die Pille nicht nimmst?", "Ich denke nicht, wir haben nicht darüber gesprochen. Es kam einfach vom einen zum anderen und jetzt ist alles zu spät. Ich denke nicht, dass er es sonst so handhabt, zumal seine Zukunft streng geplant ist. Selbst wenn er sagt, er möchte zu mir und dem Kind stehen, dann werde ich ihn vermutlich heiraten müssen und damit es ist Gang und Gebe, dass man nach der Hochzeit Kinder bekommt, wir müssten also schon in den nächsten Wochen heiraten, wenn man den Bauch nicht sehen soll.", schniefe ich. "Du denkst an eine Hochzeit?", fragt Mama verwundert. Ich halte inne. "Gott, nein. Außerdem, nur weil Lucian und ich täglich schreiben, heißt das noch lange nicht, dass er mich so sehr mag, dass er zu dem Baby und mir stehen und mich zu seiner Frau machen würde. Er hat im Moment andere Dinge im Kopf, da ist eine schwangere Frau mit der er nicht verheiratet ist das letzte was er braucht.", "Was ist denn los?", fragt sie besorgt. "Nun ja, es geht um ein paar politische Dinge, er ist auch nicht sehr ins Detail gegangen. Ich weiß nur, dass der französische Präsident irgendein Abkommen nicht unterzeichnen möchte, welches für Carwona aber sehr wichtig ist. Und mit Trump hat er sich wohl auch indirekt angelegt, als es letztens zu einem Treffen kam. Ich weiß nur, dass Lucian sehr beschäftigt ist und sein Vater immer mehr ihm die Verantwortung überlässt, damit er dann in der Rolle als König nicht untergeht. Er hat es nicht leicht und ich will ihm dann auch nicht zur Last fallen. Er wird die nächsten Tagen eventuell auch nicht ganz so viel Zeit für mich haben, wie er ursprünglich geplant hatte. Morgen Abend ist direkt ein Essen mit der Kanzlerin von Deutschland und dem französischen Präsidenten und am Mittwoch hat er geschrieben, ist er mit seinem Vater auf dem Anwesen des Finanzministers eingeladen. Ich halte mich da raus, diese ganze Politik ist mir nichts. Wenn ich nur darüber nachdenke, schlafe ich ein. Ich weiß, dass wir eine Königin haben, die trotz ihres Alters noch sehr gut in der Lage ist, ein großes Land zu regieren und das reicht schon. Lang lebe die Königin.", seufze ich erschöpft. "Er wird sicher genug Zeit für dich haben." Mama küsst meine Schläfe und drückt mich liebevoll. "Nun Kopf hoch, selbst wenn er an zwei Abenden nicht da ist, wirst du dort eine wunderschöne Zeit haben. Und deshalb solltest du jetzt deine restlichen Sachen packen." Sie steht auf und stellt sich vor mich, um mich an den Händen hochzuziehen. Sie lächelt, dann führt sie mich zurück in mein Zimmer, wo der geöffnete Koffer auf meinem Bett liegt und sehnsüchtig darauf wartet, vollgepackt zu werden. "Um wie viel Uhr geht dein Flug?", "Um vier. Dad fährt mich zu um zwei hin, damit ich noch genug Zeit habe.", "Wollte Lucian nicht einen Privatjet schicken?" Ich nicke. "Ja, aber dann habe ich ihm am Telefon einen Vortrag darüber gehalten, was für einen CO2 Ausstoß das verursacht, wenn nur wegen mir ein Privatjet hin und her fliegt. Dann hat er gelacht und gedroht, dass ich Holzklasse fliegen werden, wenn ich so scharf darauf bin. Ich sagte ihm, dass ich mir das so vorgestellt hatte und dann begann eine viertelstündige Diskussion, ob ich nun erste oder zweite Klasse fliege. Er hat leider gewonnen." Mama lacht leise und packt meine Waschtasche in meinen Koffer. "Willst du noch ein paar Kleider mitnehmen? Wo sonst hättest du die Möglichkeit, die zu tragen, wenn nicht dort?" Widerwillig stimme ich ihr zu, woraufhin sie ein paar meiner Kleider in den Koffer legt. "Versprich mir bitte, dass du direkt nach deiner Rückkehr zum Arzt gehst, ja? Und wenn du es weißt, dann musst du mit Lucian darüber reden. Je eher desto besser, denn du hast keine Zeit, Lotti. Wenn du es früh genug machst, hast du vielleicht noch die Chance-", "Ihn zu heiraten? Und was dann? Soll ich etwa Königin werden? Das glaubst du doch wohl selbst nicht, Mom. Ich werde diesen Hof hier leiten. Kein Land regieren." Sie verdreht ihre Augen. "Sei doch nicht so engstirnig. Du wirst diesen Hof nicht leiten. Und weißt du wieso? Weil du ein anderes Leben verdient hast. Eines, das du dir wünschst.", "Ach, und das soll als Königin von Carwona sein? Oder Mutter des unehelichen Kindes des Königs? Nein, ich will damit nichts zu tun haben.", "Lotti, ob du es willst oder nicht, du trägst einen Thronfolger in dir." Ich schlucke schwer. Ja, ich bin schwanger. In mir wächst mit großer wahrscheinlichkeit ein Thronfolger heran. Außer es ist ein Mädchen. Lucian bekommt noch weitere Kinder, dann wird es der erste Junge sein und nicht das Baby, das in mir wächst. Nein, diese Gedanken müssen jetzt erstmal in meinen Hinterkopf wandern, ich kann und darf jetzt nicht an solche Sachen denken. Auch wenn Mom gerade ganz offensichtlich versucht mir einzureden, dass ich dafür kämpfen sollte, eine Königin zu werden. Ich habe noch nie gern im Mittelpunkt gestanden und das wird sich auch so schnell nicht ändern. "Lass uns bitte einfach nur in Ruhe packen, Mama. Ich will darüber jetzt nicht mehr nachdenken."

Dad holt meinen Koffer aus dem Kofferraum und drückt ihn mir in die Hand. "Du kommst klar?" Ich nicke leicht. "Hör zu, Charly, deine Mutter und ich haben schon oft darüber geredet und ich will, dass du weißt, dass du nicht gezwungen bist, in meine Fußstapfen zu treten. Natürlich würde ich mich freuen, wenn du das Gestüt übernimmst, aber wenn du das nicht möchtest, dann ist das auch in Ordnung. Niemand, und schon gar nicht wir, zwingen dich zu etwas. Du sollst glücklich sein und dein Leben leben." Ich runzle die Stirn. "Wieso erzählst du mir das jetzt?", "Weil ich gesehen habe, wie gut du dich mit Lucian verstanden hast. Und ich weiß auch, dass er dir ein Angebot bezüglich seines Stalls gemacht hat. Wenn es dir dort gefällt, dann bleib da. Vorausgesetzt du besuchst uns oft genug." Von seinen Worten gerührt sehe ich ihn mit Tränen in den Augen an. "Ich dachte immer, du würdest enttäuscht sein und mir den Kopf abreißen wollen, wenn ich dir sagen würde, dass ich vielleicht etwas anderes machen möchte.", "So ein Unsinn, Lotti. Du bist meine Tochter und ich möchte, dass du glücklich bist. Ich kann es verstehen, wenn du einfach nur Bereiterin sein möchtest und wenn du Möglichkeit hast, dies am königlichen Hof von Carwona zu sein, dann wärst dumm, das Angebot nicht anzunehmen. Außerdem hättest du dort die Möglichkeit, mit Mystic zusammen zu sein und ich weiß doch ganz genau, wie sehr er dir am Herzen liegt." Ich lasse meinen Koffer los und gehe auf meinen Dad zu, um ihn zu umarmen. "Danke, Papa.", flüstere ich. "Danke mir nicht. Es ist dein Leben und du bist alt genug, deine eigenen Entscheidungen zu treffen. Aber jetzt ist es Zeit, dass du reingehst, du solltest den Flug nicht verpassen, mein Engel. Und melde dich, wenn du gelandet bist, in Ordnung?" Ich nicke und er küsst meine Stirn, ehe er mich loslässt und ich mit meinen Trolli Richtung Flughafengebäude gehe.

Sei meine KöniginWhere stories live. Discover now