Kapitel 44

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Heute sind Lucian und ich über Mittag im Stall. Er hat Wanda gesattelt, während ich mich ein wenig um Mystic gekümmert habe. Ein klein wenig spazieren, wälzen in der Halle und noch ein klein wenig Wellness mit dem Massagestriegel. Jason hat recht. Er sieht zufrieden aus. Und auch wenn er oft sehnsüchtig nach draußen auf die Koppel sieht, scheint ihm klar zu sein, dass es einen Grund für seine Boxenruhe gibt. Seit heute darf er allerdings in einer anderen Box stehen, die nach draußen einen kleinen Paddok hat. So kann er wenigstens etwas an die frische Luft und sich die Sonne auf den Pelz scheinen lassen. Wenn er wieder täglich auf die Weide darf, kommt er zurück in seine andere Box aber bis dahin darf er hier stehen. Als Lucian meinen Namen ruft, gebe ich Mystic noch einen Kuss auf die Nase und gehe dann zum König, der seine große Stute gerade zum Dressurplatz führt. "Ich hatte eigentlich gedacht, wir beide könnten in zwei Wochen noch an einem Turnier teilnehmen, aber ich schätze das fällt aus.", sagt er während er die Steigbügel einstellt. Sie sind noch von mir so kurz. "Ich traue mich ehrlich gesagt nicht mehr aufs Pferd.", gebe ich niedergeschlagen zu. Auch wenn ich noch am selben Tag eine Springstunde bei meinem Bruder hatte, an dem ich erfuhr, dass ich schwanger bin. Aber wenn ich es vorher gewusst hätte, wäre ich niemals aufgestiegen und schon gar nicht, um zu springen. "Ich verstehe dich. Auch dass es dich traurig macht. Aber sobald unsere Kinder da sind, wirst du wieder auf dem Pferd sitzen. Vielleicht ist Mystic bis dahin auch wieder fit." Ich nicke. Ja vielleicht. Vermutlich auch schon vorher. Dann wird Lucian ihn wieder antrainieren müssen. Oder ich lasse das meinen Bruder machen. Mal sehen. Ich beobachte Lucian von der Bank aus, die am Rand steht. "Ich glaube sie braucht mehr Zeit zum Aufwärmen. Sie wirkt sehr steif.", rufe ich. "Sie ist auch sehr steif. Habe aber eher das Gefühl, dass weiter aufwärmen nichts bringen wird. Vielleicht lasse ich den Osteopathen mal drauf sehen." Ich nicke. "Erinnerst du dich an die Übung die ich mit ihr gemacht habe? Das solltest du heute noch einmal mit einbauen. Danach war sie letztens nämlich lockerer und leichtfüßiger." Lucian reitet weiter und als er und Wanda so weit sind, baut er die Übungen ein. "Das ist ganz schön hart.", schnauft er. Ich nicke wissend. Das erfordert viel Konzentration. Sowohl beim Reiter als auch beim Pferd. "Lass sie sich mal einmal Strecken. Irgendwie verkriecht die sich heute. Sie ist total steif im Rücken.", sage ich nachdenklich. Lucian lässt die Zügel länger, bis Wanda locker Vorwärts-Abwärts läuft und abschnaubt. Na geht doch, denke ich zufrieden. Ich will gerade noch etwas kommentieren, als Percy hinter einem Busch hervorkommt und sich verlegen räuspert. "Oh, hey.", lächle ich und sehe auf meine Uhr. "Oh, es ist ja schon so spät. Ich komme sofort.", sage ich und er nickt. Lucian hält auf meiner Höhe an und ich gehe zu ihm. "Ich muss los. Wir sehen uns zum Abendessen." Er nickt und beugt sich tief runter, um mir einen Kuss zu geben. Schnell eile ich vom Platz und gehe zusammen mit Percy auf mein Zimmer. "Muss ich etwas besonderes anziehen?", "Nein, es reichen Jeans, Tshirt und einfache Schuhe.", sagt Percy also gehe ich mich kurz frisch machen und ziehe dann einfache Kleidung an. Als ich fertig bin, gehen wir gemeinsam runter, wo bereits ein Wagen auf uns wartet. Mom sitzt bereits auf der Rückbank und lächelt aufgeregt. "Nicht ausrasten bitte. Das Kleid ist fast fertig aber es muss noch weiter angepasst werden.", beruhige ich sie. Sie nickt und atmet einmal durch, um sich zu entspannen. Mir ist klar, dass sie aufgeregt ist. Bin ich ja auch.

Als wir bei Madame Markova ankommen, huschen wir schnell in den Laden, bevor uns jemand sieht. Sie begrüßt uns überschwänglich und winkt eine junge Frau heran, die ein Tablett mit Champagner bringt. "Könnte ich vielleicht lieber etwas Wasser haben? Ich glaube nicht, dass ich den heutigen Tag überstehe, wenn ich auch nur einen Tropfen Alkohol trinke.", lächle ich. "Aber natürlich!", sagt Madame Markova sofort und in der nächsten Sekunde halte ich ein Glas Wasser in der Hand. Hoffentlich ahnt sie nichts. "Nun gut, wir sollten beginnen. Es gibt viel zu tun." Die hochgewachsene Frau klatscht in die Hände und ich gehe in die Umkleide, um mich auszuziehen. "Haben Sie die Schuhe dabei? Wir brauchen Sie, um das Kleid am Saum abzustecken." Sie zieht mir einen leichten Reifrock an und mir klappt der Mund auf. Die Schuhe stehen in meinem Ankleidezimmer. Fein säuberlich versteckt, damit Lucian sie nicht sieht. "Ich war so frei, sie mitzunehmen.", sagt Percy und schon wird ein Schuhkarton in die Umkleide gereicht. Ich liebe ihn. "Oh Percy, Gott sei Dank. Das schreit jetzt schon nach einer Gehaltserhöhung.", kichere ich. Er lacht leise. "Das ist nun einmal mein Job." Er zieht sich zurück und ich schlüpfe in die Schuhe, während Madame Markova mein Kleid holt. Sie huscht zu mir herein und hängt den riesigen Kleidersack an den Haken, ehe sie ihn öffnet. Als ich das Kleid beim letzten Mal sah, war es nur ein Entwurf. Aber jetzt hängt es vor mir und mir bleibt der Mund offen stehen. "Es ist wunderschön.", flüstere ich. "Ja, nicht wahr?", flüstert sie ebenfalls und scheint absolut stolz über ihre Arbeit zu sein. Vorsichtig holt sie das Kleid heraus und ich strecke ihr die Arme entgegen, damit sie es mir über den Kopf ziehen kann. Dann strecke ich die Arme nach unten und schlüpfe in die Ärmel. Der Stoff ist glatt und kühl und als die Knopgleiste an meinem Rücken geschlossen ist, fühle ich mich unfassbar gut. "Ich möchte weinen.", sage ich leise. Meine Hände streichen über den glatten kühlen Rock. "Ihr habt Euch doch noch gar nicht gesehen. Kommt raus, damit wir vor den Spiegel gehen können." Sie zieht den Vorhang beiseite und meine Mutter schlägt sich die Hände vor den Mund. Und sofort laufen ihr Tränen über die Wangen. "Oh Mom!", lache ich und versuche nicht auch zu weinen. Ich stelle mich auf ein kleines Podest und drehe mich zum Spiegel. Es verschlägt mir den Atem. Das weiße Kleid ist wunderschön. Vorne ist es sehr schlicht, nur am Rock ist unten eine wunderschöne Spitze eingearbeitet. Die Ärmel sind lang und haben unten die gleiche Spitze die auch am Rock ist. Als ich mich etwas umdrehe, um mich von hinten sehen zu können, bin ich erneut sprachlos. Wie ein Tropfen verläuft die Spitze zwischen meinen Schulterblättern bis runter zu meiner Taille, wo dann der schlichte Rock beginnt. An meiner Wirbelsäule läuft eine zierliche Knopfleiste entlang und leicht eckigen Schultern machen das gesamte Kleid absolut perfekt. Ich schlucke schwer. Was für ein unglaubliches Kleid. Ich möchte es nie wieder ausziehen. "Es gefällt Euch also?", fragt Madame Markova lächelnd. Ich nicke wie in Trance. Ich sehe wunderschön aus. "Das beruhigt mich. Dann wollen wir schnell beginnen, damit Ihr nicht zu lange stehen müsst." Sie geht vor mir in die Hocke und beginnt den Rock abzustecken. Als sie damit fertig ist, begutachtet sie meine Taille, die Schultern und die Arme. "Ich habe ziemlich gute Arbeit geleistet. Hier müssen wir nichts mehr machen. Außer an der Taille vielleicht. Es sitzt sonst aber schon sehr gut." Ich nicke. Aber in sechs Wochen wachsen meine Babys noch ein klein wenig. Ich bin jetzt Ende der elften Woche und so langsam ahnt man schon, dass ich schwanger bin. Die Babys wachsen zum Glück bisher noch recht langsam. "Was ist, wenn ich noch ein paar Zentimeter mehr Bauchumfang hätte?", frage ich nervös. "Hm, nun ja, man müsste dann vielleicht bis kurz vor der Hochzeit warten. Vielleicht eine Woche vorher nochmal anpassen.", sagt sie nachdenklich. Ich sehe zu Mom. "Ich habe keine Ahnung, wie das in deinem Fall ist. Mit einem einzelnen absolut kein Problem aber zwei?", murmelt sie. Madame Markova sieht uns verwirrt an. "Ich erwarte Zwillinge.", murmle ich. Ihre Augen weiten sich. "Jetzt schon?", fragt sie. "Wir haben 2020.", antworte ich. Sie räuspert sich verlegen. "Tut mir leid, meine Reaktion war unangebracht. Lasst mich einen Moment überlegen." Sie tippt sich mit dem Zeigefinger an den Mund. "Ich schlage vor, dass wir es vorerst so lassen. Ich ändere die Länge und in der Woche vor der Hochzeit werden wir noch einmal nachsehen, ob noch alles passt. Vielleicht haben wir Glück und es kommt genau so viel hinzu, dass wir weder enger noch weiter machen müssen. Ich hoffe das jedenfalls sehr. Dazu muss man sehen, ob vielleicht eine Corsage oder etwas in der Art getragen werden kann, um den Bauch ein wenig zu tuschieren. " Sie seufzt leise, sieht dann aber wieder optimistisch aus. "Ich denke so machen wir es." Ich nicke zustimmend. "Percy? Würdest du nachsehen, wann eine Anprobe möglich ist?" Er nickt und sieht sofort meinen Kalender durch. Danach geht er mit Markovas Assistentin los, um den Termin zu planen. "Nun gut, dann wollen wir mal das Kleid ausziehen." Wir gehen zurück in die Umkleide und ich ziehe mich wieder um. Das Kleid ist ganz schön schwer. Erleichtert trete ich wieder nach draußen. "Ich kann den großen Tag kaum abwarten. Du wirst so schön sein. Dein Vater wird in Tränen ausbrechen. Und ich sowieso. Bei mir ist ja jetzt schon alles zu spät.", seufzt sie und wischt sich über die Augen. Ich lächle und nehme sie in den Arm. "Ich kann das alles noch gar nicht richtig glauben.", seufzt sie. "Ich auch nicht, Mom.", sage ich leise, kann mir aber ein Lächeln nicht verkneifen. Wir machen uns auf den Weg zurück zum Schloss und ich versuche nicht zu sehr darüber nachzudenken, ob mein Kleid wirklich passen wird, wenn ich es in ein paar Wochen erneut anprobiere. Vielleicht habe ich Glück und mein Buch wächst langsamer als erwartet. Da ich aber jetzt schon ein paar Zentimeter mehr Umfang habe, was bei der Krönung deutlich zu merken war, bereitet mir mein Hochzeitskleid nun doch ein wenig Sorgen. Vielleicht hat Janet ja doch recht. Ich sollte wenigstens die nächsten sechs Wochen sehr gesund essen, damit ich etwas abnehme und die Zunahme meines Bauchumfangs sich dann ausgleichen können. Abnehmen. Ich. Noch nie musste ich auf meine Figur achten. Aber seit ich hier bin, reite ich weniger, also habe ich auch weniger Bewegung. Wenn ich dann jetzt also gar nicht mehr reite, muss ich mich tatsächlich besser ernähren. Na klasse, das hat mir gerade noch gefehlt.

Sei meine KöniginKde žijí příběhy. Začni objevovat