Kapitel 13

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"Darf ich um diesen Tanz bitten?" Lucian macht eine leichte Verbeugung und reicht mir seine Hand. "Mit Vergnügen.", antworte ich lächelnd, mache einen kleinen Knicks und lege meine Hand in seine. Er richtet sich auf, führt mich auf die Tanzfläche und wir nehmen unsere Position ein. "Lass dich einfach von mir führen.", ermutigt er mich noch einmal, dann beginnt die Musik zu spielen und wir fliegen über das Pakett als würden wir schon immer so zusammen tanzen. Mein rotes Kleid schwingt um meine Beine, Lucians Oberkörper ist dicht an meinen gepresst. Ich nehme seinen Geruch wahr und verspüre das dringende Bedürfnis, ihn nie mehr loszulassen. Die Tatsache dass er gleich eine andere Frau zu seiner Verlobten macht, versuche ich krampfhaft zu verdrängen, doch meine innere Stimme erinnert mich immer wieder daran. Ich darf nicht in ihn verliebt sein.

Er ist ein Prinz, bald König. Und ich bin einfach nur ich.

"Darf ich übernehmen?", höre ich eine junge weibliche Stimme neben mir. Eliza. Ich lächle sie so ehrlich wie ich es zu Stande bringe an, dann sehe ich zu Lucian hoch. "Aber natürlich. Es war mir eine Ehre, mit Euch zu tanzen, Eure Hoheit." Ich gehe einen Schritt von ihm weg, mache einen Knicks und verlasse die Tanzfläche ohne mich noch einmal umzudrehen. Doch als ich gerade zur Tür will, hält Collin mich auf. "Hey, wo willst du denn so schnell hin?", fragt er lächelnd, doch als er meinen Blick sieht verblasst sein Lächeln. "Ich wollte mich langsam auf den Weg zu meinem Zimmer machen. Ich muss schließlich packen und so.", "Aber Lucian... will er dich denn nicht fragen, ob...?" Ich runzle die Stirn. "Nein, wie kommst du darauf?", "Ich weiß nicht, ihr scheint euch eben sehr nahe zu sein. Ich hätte gedacht, dass du seine Auserwählte wärst." Ich schüttle den Kopf. "Er wird um Elizas Hand anhalten. Sie werden sicher ein schönes Paar." Collin seufzt und lächelt traurig. "Du hast gehofft, dass er dich fragen würde, habe ich recht?", "Mein Platz ist Zuhause. Ich habe Verpflichtungen, genauso wie Lucia-" Ich kneife die Augen zusammen und packe nach Collins Arm, um mich festzuhalten. "Charly?", fragt er besorgt und will mich stützen. "Alles gut.", sage ich und will ihn von mir schieben, aber er lässt mich nicht los. Hinter mir höre ich, wie die Musik aufhört zu spielen und alle ruhig werden. "Wie bereits angekündigt, möchte ich heute die Wahl meiner Braut bekannt geben. Eliza, würdest du bitte zu mir kommen?" Lucian steht in der Mitte der Tanzfläche und ein Raunen geht durch die Menge, während Eliza mit geröteten Wangen zum Prinzen geht. Collin sieht zu ihnen - erkenne ich da Bestürzung - doch dann wieder zu mir. "Charly? Charly!", ruft er aufgebracht, dann werden auch schon meine Knie weich und die stärksten Schmerzen die ich je in meinem Leben spürte, ziehen mit aller Kraft durch meinen Bauch. "Charly! Holt doch jemand Hilfe!", ruft Collin. "Mein Baby.", hauche ich, raffe meinen Rock ein klein wenig, sodass meine Fußknöchel zum Vorschein kommen, an denen Blut hinunter fließt. "Mein Baby.", schluchze ich verzweifelt. "Helft meinem Baby, bitte!", schreie ich, dann geben meine Beine nach. Collin hält mich fest, bewahrt mich vor dem harten Aufprall auf dem Boden. "Baby?", fragt er mich und runzelt traurig die Stirn. "Du bist schwanger?" Ich kneife die Augen zusammen und schluchze, während die Schmerzen noch immer anhalten. "Lotti?" Lucian taucht neben mir auf und nimmt meine Hand. "Alles wird gut, dir wird gleich jemand helfen. Soll ich Luke holen?" Unsicher sieht er an mir hinunter. Auf dem Boden hat sich Blut gesammelt. Aber bevor ich antworten kann, wird mir schwindelig und ich verliere jeden Bezug zur Wirklichkeit.

"Charlotte?" Langsam öffne ich meine Augen und sehe mich um. Ein kleiner Raum mit beigen Wänden. Ein hellbrauner Schrank mit einem kleinen Fernseher drauf. Ein Sessel mit einem jungen Mann darin. Collin. Ich blinzle. "Endlich bist du wach." Ich drehe den Kopf nach rechts und entdecke Lucian. Er sieht ein wenig müde aus. Sein Hemd ist ein klein wenig aufgeknöpft, seine Jacke hängt über der Stuhllehne und seine Haare liegen nicht mehr ganz so perfekt wie beim Ball. "Mein Baby.", sage ich leise und er schüttelt den Kopf. "Die Ärzte konnten nichts tun, es tut mir Leid." Ich presse die Lippen aufeinander und unterdrücke ein Schluchzen, während mir heiße Tränen über die Wangen laufen. "Luke wartet vor der Tür, ihr solltet wirklich darüber reden.", "Ich will Luke verdammt nochmal nicht sehen!", fahre ich ihn wütend an. "Er hat mit diesem Baby absolut nichts zu tun und deshalb kann er dahin gehen wo der Pfeffer wächst.", "Was soll das heißen, er hat mit dem Baby nichts zu tun?" Ich sehe zu Collin, der mich nun gespannt ansieht. "Es ist nicht sein Kind gewesen.", antworte ich ihm noch immer wütend. "Was? Aber wer ist dann der Vater?", fragt er verwirrt. Ich will etwas antworten, doch ich bringe es nicht über die Lippen. Ich weiche seinem Blick aus und sehe zum Fenster. "Lotti?", fragt Lucian leise. "Ist es von...", beginnt er, doch er beendet seinen Satz nicht. "War.", antworte ich lediglich. Ich höre wie er aufsteht, weil die Stuhlbeine über den Boden scharren. "Von wem reden wir hier?", fragt Collin. Lucian tritt in mein Blickfeld und geht vor mir in die Hocke. "Ist das wahr?" Ich schluchze. "Ich war mir noch nicht sicher, ob ich überhaupt wirklich schwanger bin. Es gab die Anzeichen aber ich war noch nicht beim Arzt. Ich habe es vor mir hergeschoben und wollte es verdrängen. Aber seit ich hier bin, denke ich an nichts anderes mehr und habe mich schon an den Gedanken gewöhnt, ein Baby alleine großzuziehen. Mom hätte mir sicher geholfen. Und als du mir gesagt hast, dass du Eliza heiraten wirst, habe ich mir selbst geschworen, dass ich es alleine schaffen werde." Er seufzt und streicht mir über den Kopf. "Es tut mir so Leid, Lotti. Wenn ich es gewusst hätte-", "Dann was? Hättest du mir den Antrag gemacht und nicht Eliza? Du solltest mich nicht wegen eines Kindes heiraten. Aus gar keinem Grund solltest du mich heiraten. Ich gehöre hier nicht her, deshalb wollte ich es dir nicht sagen. Du solltest mir gegenüber keine Verpflichtungen haben.", "Es war dein Kind?", unterbricht Collin uns. Lucian nickt und sein Bruder keucht. "Es tut mir so Leid.", sagt er noch einmal und küsst meine Stirn. "Das muss es nicht. Du wirst Eliza heiraten und ihr werdet ganz viele bezaubernde Kinder haben. Ich habe meine Pferde, mehr brauche ich nicht.", "Du könntest hier bleiben. Ich habe dir den Job im Stall angeboten und dieses Angebot steht noch.", "Und euch dabei zusehen, wie ihr glücklich seid und auf die Geburt eurer Kinder wartet? Das ist lieb gemeint, Lucian, aber ich könnte das nicht ertragen. Ich fahre nach Hause, nehme den Platz meines Vaters ein und werde das Gestüt leiten. Das ist meine Aufgabe. So wie es deine Aufgabe ist, dieses Land zu regieren und für Thronfolger zu sorgen. Enttäusch mich nicht, ja?", meine Stimme bricht ab und ich schlucke. "Jetzt ist aber mal gut! Was zum Teufel ist hier los? Wie kann es bitte sein, dass du von Lucian schwanger bist? Und jeder blinde Vogel kann sehen, dass ihr beide komplett ineinander verschossen seid. Wieso also solltest du bitte Eliza heiraten und du zurück nach Hause gehen?" Lucian und ich sehen einander an und ich spüre die Röte in meinem Gesicht aufsteigen. "Ich war doch vor einigen Wochen in England, um auf dem Gestüt ihres Vaters nach neuen Pferden zu suchen.", erklärt Lucian langsam und sieht mich dabei prüfend an, als wolle er sicher gehen, dass es okay ist, dass er das erzählt. "Alles klar, den Rest kann ich mir schon denken. Habt ihr nicht verhütet? Ich meine als Kronprinz wäre Verhütung schon recht wichtig für dich. Nur mal so nebenbei erwähnt.", "Es war halt nicht geplant. Wir wollten auf dem Heuboden übernachten und es war kalt, wir waren alleine. Da kann sowas schon mal passieren. Da denkt man eben nicht nach." Collin zieht eine Augenbraue hoch. "Offensichtlich.", "Okay das reicht. Das waren genug Details.", mische ich mich ein. "Ich möchte jetzt bitte alleine sein und meine Mom anrufen." Die Brüder sehen einander an, scheinen aber nichts dagegen einwenden zu wollen und gehen gemeinsam vor die Tür. Ich schließe kurz die Augen und unterdrücke das Schluchzen, das immer wieder nach außen will. Vom Nachtisch nehme ich mein Handy und wähle die Nummer meiner Mutter. Es klingelt einen Moment, dann geht sie ran. "Lotti, mein Schatz wie geht es dir? Ist heute nicht Lucians Geburtstag? Du solltest doch sicher auf einem Ball sein oder nicht?", plappert sie fröhlich drauf los. "Mom.", schluchze ich und sofort wechselt ihre Stimmung. "Was ist los?", fragt sie besorgt und gleichzeitig fordernd, als würde sie es nicht ertragen, wenn ich auch nur eine weitere Sekunde zögere, mit der Sprache rauszurücken. "Ich bin im Krankenhaus. Mein Baby.", schluchze ich und mein ganzer Körper erbebt, als ich mich nicht mehr unter Kontrolle halten kann. "Was? Sag mir nicht, dass..." Sie beendet ihren Satz nicht und mein Weinen beantwortet ihre Frage. "Oh Gott, Lotti. Das tut mir so Leid. Ich wünschte ich könnte jetzt bei dir sein." Nun weint auch sie und ich wünschte ihr Wunsch wäre wahr. In diesem Moment ist die Nähe meiner Mom alles was ich brauche, doch sie ist viel zu weit weg. "Ist schon okay. Wenn ich entlassen werde, dann werde ich zurück zum Schloss und meine Sachen packen. Dann bin ich morgen hoffentlich wieder Zuhause.", "Und was ist mit Lucian? Was hat er dazu gesagt?", "Nichts weiter. Es tut ihm leid. Bald wird er heiraten und ich komme zurück, also lebt jeder sein Leben." Mom seufzt traurig. "Ich hatte gehofft, du würdest mir andere Dinge erzählen, wenn du anrufst. So etwas wollte ich eigentlich nicht hören, Spätzchen." Wem sagt sie das. "Wir hatten ein paar schöne Tage. Wir bleiben Freunde, denke ich. Luke war auch hier, wollte sich bei mir entschuldigen und hat mir einen Heiratsantrag gemacht." Ich höre, wie Mom nach Luft schnappt. "Wie kann er es wagen? Das ist ja wohl unerhört.", regt sie sich auf. Kurz muss ich lächeln, aber es verblasst auch schnell wieder. Mir ist nicht nach Lachen zumute. Als es an der Tür klopft, seufze ich. "Ich muss auflegen. Ich schreibe kurz durch, wann ich fliege. Holt ihr mich vom Flughafen ab?", "Aber natürlich, mein Schatz. Ruh dich noch ein bisschen aus und wenn du so weit bist, pack in Ruhe deine Sachen. Stress solltest du vermeiden, in Ordnung? Wir lieben dich, Schatz, und wir freuen uns auch auf dich.", "Ich liebe euch auch." Ich lege auf und sehe zur Tür, die sich gerade öffnet. Lucian sieht mich besorgt an und setzt sich wieder neben meinem Bett auf den Stuhl. "Das hast du nicht verdient.", "Nein, habe ich nicht.", antworte ich emotionslos. "Wenn ich gewusst hätte, dass es mein Baby ist, dann-", "Dann was? Hättest du Eliza keinen Antrag gemacht? Das Thema hatten wir eben schon." Er nickt niedergeschlagen. "Es war ein Unfall, so hart es auch klingen mag. Das ändert nichts. Ich hätte dir nie erzählt, dass es dein Kind ist. Schon gar nicht nachdem du mir gesagt hast, dass du Eliza heiratest. Glückwunsch übrigens zur Verlobung." Er räuspert sich verlegen. "Ich habe ihr den Antrag nicht machen können. Du bist umgefallen, bevor ich es tun konnte. Und..." Er seufzt. "Ich wollte eigentlich dich fragen. Dann habe ich gedacht, dass du Lukes Antrag angenommen hast und habe umgeplant. Nach unserem Gespräch auf dem Balkon habe ich dann erst überlegt, ob ich doch dich frage, aber ich wusste, du würdest nicht annehmen, weil du immer wieder gesagt hast, dass dein Platz Zuhause ist. Und vor allem dachte ich, dass du ein Kind von Luke erwartest. Du bist mir sehr ans Herz gewachsen und ich dachte, wir könnten vielleicht ein perfektes Team werden aber offensichtlich gab es viele Missverständnisse.", "Normalerweise redet man vorher über eine Verlobung. Wenn du Andeutungen gemacht hättest oder mich vorher gefragt hättest, ob ich an deiner Seite bleiben würde, hätte ich vielleicht Ja gesagt. Auch wenn es sehr viel Verantwortung mit sich bringt, deine Frau zu werden.", "Du hättest zugestimmt bei mir zu bleiben? Wenn ich das gewusst hätte-", "Das hättest du, wenn du mit mir darüber geredet hättest. Wenn du mir gesagt hättest, dass ich für dich auch zur Debatte stehen würde. Aber das hast du nicht, es war immer nur die Rede von anderen Frauen zu denen du meine Meinung haben wolltest und die hast du bekommen. Ich bin nicht die Art von Mensch die sich aufdringt und die Gefühle frei herausschreit. Und das weißt du auch.", "Ich will nicht, dass du gehst.", ist das einzige, was er darauf antwortet. "Was soll ich dann tun? Hierbleiben? Auch wenn du den Antrag nicht gemacht hast, wird jetzt erwartet, dass das noch kommt. Meine Gefühle sind komplett durcheinander, Lucian. Ich denke, es ist besser, wenn du jetzt erstmal gehst. Es wird sonst immer schwerer." Er steht auf und schüttelt den Kopf. "Ich kann dich nicht gehen lassen. Dafür bist du mir zu wichtig.", "Das wird deiner zukünftigen Ehefrau aber nicht gefallen. Du wolltest ihr einen Antrag machen, Lucian, und zwar vor vielen Menschen. Du kannst das nicht einfach so zurücknehmen und dich dann einer anderen Frau zuwenden. Du nicht." Er läuft im Raum auf und ab und schüttelt immer wieder den Kopf. "Du bist perfekt für mich, Lotti. Du kannst mich nicht verlassen. Nicht nachdem du das Kind verloren hast, das auch meines war.", "Du hattest doch überhaupt keine Bindung zu diesem Baby.", murmle ich leise. "Weil du mir nichts davon erzählt hast. Bitte Charlotte, bleib an meiner Seite." Ich seufze und sehe zum Fenster hinaus. "Gib mir etwas Zeit zum Überlegen." Er nickt seufzend und setzt sich wieder an mein Bett. Ich bin nicht sicher, ob ich mir damit einen Gefallen tue, aber vielleicht bleibe ich doch noch ein paar Tage.

Sei meine KöniginWhere stories live. Discover now