Kapitel 39

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„Das wird jetzt kurz piksen, aber der Schmerz wird gleich wieder weg sein", erklärte mir eine neue, junge Forscherin. Die Neuen waren alle Anfangs freundlich, nett und vor allem überfürsorglich. Doch nach ein paar Wochen Abhärtung, ist sie nicht mehr von den anderen Wissenschaftlern zu unterscheiden.

Ich seufzte als ich die Spritze spürte, welche behutsam in mein Fleisch geschoben wurde. Die arme Frau wusste noch nicht, dass das Mittel meine Menschlichkeit zurückdrängte und dem Eindringling das Handeln ermöglichte.

Der Fremde war mittlerweile unglaublich stark geworden. Ich hatte nicht einmal ansatzweise die Möglichkeit auf meine Fähigkeiten zu zugreifen, denn der Fremdkörper hatte sie vollkommen an sich gerissen.

Ein bisschen froh war ich schon darüber gewesen, da ich nicht die alleinige Verantwortung über unser Handeln trug. Doch andererseits machte es mir die aussichtslose Lage nur noch deutlicher bewusst. Das Ding würde irgendwann meinen Körper übernehmen und mein Bewusstsein vernichten und bis es soweit war, würde es nicht mehr so lang dauern.

Ich spürte wie sich mein Geist von meinem Körper trennte und ich keine Kontrolle mehr über meine Körperteile hatte. Es fühlte sich an, als wäre man vollkommen gelähmt. Gleichgültig wie sehr ich eines meiner Gliedmaßen auch nur ein Stückchen bewegen wollte, nichts rührte sich auch nur im Geringsten.

Sollte ich den Forschern sagen, dass dieser Vorgang nur den Eindringling stärkte? Oder wussten sie dies bereits schon?

Die Wissenschaftlerin wich ängstlich zurück. Sie tat mir leid, aber jeder Neuankömmling musste sich dem Fremden gegenüberstellen und seine Zuneigung gewinnen, sonst konnten die Neuen die Pflege von mir und dem Ding vergessen.

Der Fremdkörper war leider sehr eigensinnig und so passierte es des Öfteren, dass jemand dabei starb. Im Nachhinein wurde mir die Schuld in die Schuhe geschoben.

Egal wie ungerecht sich das anhörte, ich war der Teil von uns, der Sprechen und sich Ausdrücken konnte. Also musste ich auch die ganze Verantwortung für unsere Handeln übernehmen. Ich hasste das Leben in der Anstalt. Wie konnte von mir verlangt werden, die Schuld eines anderen zu übernehmen?

Aus Angst der Fremde könnte die junge Frau nicht akzeptieren, kämpfte ich gegen das Ding und das Mittel an. Der Eindringling musste meinen fehlgeschlagenen Versuch bemerkt haben, denn er schenkte mir plötzlich seine Aufmerksamkeit.

Verwundert musste ich feststellen, dass der Fremdkörper wissen wollte, was mein Problem war. Das Ding interessierte sich für mich. Höchst ungewöhnlich. Aber ich nutzte die Gelegenheit, um dem Fremden klarzumachen, dass das Ding die junge Forscherin nicht töten sollte.

Dann passierte etwas mit dem ich nie im Leben gerechnet hätte, der Eindringling ging meiner Bitte nach und übergab mir wieder die Kontrolle über unseren Körper. Ich spürte wie mein Geist und mein Körper wieder eins wurden und schon hatte ich wieder das Kommando über unseren Leib.

Eine gewisse Zuneigung und Dankbarkeit, dem Eindringling gegenüber, breitete sich in mir aus und der Fremde erwiderte meine Gefühle. Eine merkwürdige Verbundenheit schien sich zwischen dem Fremdkörper und mir in diesem Moment gebildet zu haben.

„Geht es Ihnen gut?", fragte ich die immer noch verschreckte Forscherin. Sie nickte nur und fragte zitternd: „Wie hast du das gemacht? Deine Augen waren zuerst leuchtend rot und ich dachte schon, dass du mich töten würdest, aber dann waren sie plötzlich wieder türkis."

Ich zuckte nur mit den Schultern und sagte: „Das ist nicht meine Aufgabe Ihnen zu erklären, was angeblich so falsch mit mir ist." Sie nickte nur abwesend und starrte mir weiterhin verschreckt in die Augen.

Dann stürmten mehrere Wissenschaftler in den kleinen Untersuchungsraum und versuchten zu verstehen, was gerade passiert war. Denn die Nachsicht des Eindringlings war noch nie vorgekommen und ich war jetzt doch schon einige Jahre hier.

Die Forscher stellten mir unzählige Fragen, die ich alle nicht beantworten konnte oder wollte. Ich sagte lediglich: „Der Fremde wird stärker. Wenn ihr nichts dagegen unternimmt, werde ich sterben und der Fremde überleben."

Die Wissenschaftler sahen sich überrascht an und dann fragte einer schockiert: „Und wie können wir das verhindern?" Ich dachte nach und zog auch den Fremdkörper in meine Überlegungen mit ein.

Wir schienen endlich Frieden geschlossen zu haben, denn der Eindringling hatte mittlerweile das Interesse an meinem Tod verloren. Das Ding wollte auch, dass ich lebte, denn ich war dem Fremden wohl irgendwie ans Herz gewachsen und der Fremdkörper mir. Ich vermutete, dass sich ein Teil von meiner Menschlichkeit auf den Eindringling abgefärbt hatte, sodass eine Art Freundschaft zwischen uns entstehen konnte. Der Fremde akzeptierte mich und ich ihn.

Dann hatte das Ding plötzlich eine geniale Idee. Der Fremde wollte, dass man ihn auf ein anderes Lebewesen umsiedelt und genauso schlug ich es den Forschern vor. Die Wissenschaftler schauten sich nachdenklich an, aber ich und der Fremde konnten in ihren Gesichtern die Begeisterung der Idee des Fremdkörpers ablesen.

„Wir werden es uns überlegen und mit dem Chef darüber sprechen", entschied einer von den Forschern und ich und der Eindringling wurden wieder zurück auf unser Zimmer gebracht, wo wir auf unsere Entscheidung warten sollten.

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