Kapitel 32

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Blinzelnd wachte ich auf. Sofort musste ich die Augen wieder zudrücken, da das grelle Licht direkt in mein Gesicht schien und ich mich erst daran gewöhnen musste. Blinzelnd versuchte ich meine Augen an die helle Lichtquelle anzupassen. Doch dann wurde der Lichtstrahl auf einen anderen Punkt im Raum gelenkt und ich konnte meine Augen ungezwungen öffnen.

„Guten Morgen Schlafmütze. Gut geschlafen?", kommentierte mein Vater sarkastisch. Irritiert sah ich mich im schallisolierten Raum um. Seine Stimme musste aus den Lautsprechern an der Decke gedrungen sein, denn außer mir befand sich niemand im Zimmer.

Es war ein kleiner Raum bestehend aus kaltem grauem Beton. Halt suchend schaute ich mich um. Doch es gab nur wenige Anhaltspunkte. Beispielsweise die vier Kameras an den Wandecken oder der große Scheinwerfer, welcher von der Decke kam und mich mit seinem Licht geblendet hatte. Außer dem Sessel, auf welchem ich saß, gab es kein weiteres Möbelstück in dem nur allzu bekannten Gebilde.

Traurig senkte ich den Blick. Ich wollte wieder zurück zu Isabelle und Emily, zu Valerian und seinen Freunden. Alles was ich wollte war meine schwer verdiente Freiheit zurückhaben und in mein schönes, aber viel zu kurzes Leben zurück kehren. Ich begann mich langsam aber stetig wieder immer leerer und leerer zu fühlen. Ich drehte mich im Kreis und ich wusste nicht, wie ich diesen durchbrechen konnte.

„Gut, also höre zu. Wir werden dir jetzt ein paar Fragen stellen. Wichtig ist dabei, dass du sie wahrheitsgemäß beantwortest. Vollkommen egal um was es sich handelt. Und es werden natürlich auch keine Gegenfragen geduldet. Falls du nicht antwortest oder wir das Gefühl haben, dass du uns belügst wird das Konsequenzen haben. Auf dem Metallsessel, auf dem du sitzt, werden wir notgedrungen Elektrizität durchleiten. Je öfter du lügst oder die Aussage verweigerst, desto schmerzhafter wird es. Wenn dann alles geklärt ist, können wir ja beginnen", dröhnte die Stimme meines Vaters von allen Seiten durch die Lautsprecher.

Antriebslos nickte ich und schaute geblendet zur Seite, da der Scheinwerfer wieder auf mich gerichtet wurde. Abwartend wartete ich auf die erste Frage und fragte mich gleichzeitig wie diese wohl lauten würde.

„Wieso bist du weggelaufen?", stellte mir ein Mann mit rauer Stimme, die erste Frage. Ich vermutete, dass er einer der Wissenschaftler war und diese Fragen rein aus Interesse gefragt hatte, obwohl er sich die Antwort auch hätte denken können.

„Weil ich es hier nicht mehr ausgehalten habe. Ihr habt mich wie ein fürs Sterben gezüchtetes Tier behandelt", antwortete ich möglichst schlicht und emotionslos. Ich hatte vor Jahren gelernt in solchen Situationen nur das Nötigste zu sagen und Ruhe zu bewahren.

Ich hörte wie eine Feder über ein Blattpapier kratzte. Dann war es für kurze Zeit still. Nur die Atmung mehrerer Personen war abwechselnd zu hören. Darauf folgte ein unverständliches Flüstern und ein Rascheln.

„Okay, lassen wir deine Aussage fürs Erste so stehen. Kommen wir zur nächsten Frage. Wer ist der Junge, der dich im Krankenhaus besucht hat?", sagte derselbe Wissenschaftler, welcher vorher auch gesprochen hatte.

Ich schaute verlegen zu Boden. Ich konnte Valerian nicht ausliefern. Unter gar keinen Umständen durfte ich ihn mit hinein ziehen, auch wenn es dafür vielleicht schon zu spät war. Ich sagte also möglichst glaubwürdig: „Das ist niemand bestimmtes. Lediglich ein Mitschüler aus meiner Klasse, der sich Sorgen gemacht hat."

„Lüge!", dröhnte die Stimme meines Vaters durch die Lautsprecher. Ein höllischer Schmerz durchzuckte meinen Körper. Doch ich verzog nur schmerzverzerrt mein Gesicht. Kein Schrei, kein Zucken meiner Gliedmaßen und auch sonst keine Reaktion. Ich wartete die Schmerzen geduldig ab.

Dann ertönte wieder die Stimme meines Vaters: „Wer ist er?" „Wie schon gesagt. Er ist nur irgendein Mitschüler", beharrte ich stur und schon wieder drang das Wort „Lüge" durch die Lautsprecher.

Erneut spürte ich das bekannte, schmerzhafte Gefühl in meinem Körper. Es war stärker als zuvor, aber ich würde meinem Vater nichts von Valerian erzählen. Ich musste ihn schützen. Komme was wolle. Selbst wenn ich dafür mit meinem Leben bezahlen müsste.

„Also noch ein drittes Mal. Wer ist der Junge?", brüllte mein Vater mittlerweile mehr als erzürnt. Ich schluckte und sagte selbstbewusst und mit lauter Stimme: „Er ist unwichtig. Er weiß von nichts. Ich kenne ihn nur vom Sehen."

Genervtes Ausatmen auf der anderen Seite. Hinter einem der vier Wände saß mein Vater und ein paar Wissenschaftler. Sie beobachteten und studierten mich. Ich fühlte mich leer und verletzt. Der Fremde meldete sich kurz wieder, aber da das Ding diese Art von Schmerz nicht spürte, konnte es ihm egal sein.

„Ich glaube dir immer noch nicht", presste mein Vater wütend heraus. Man merkte deutlich, dass er sich bemühte ruhig zu bleiben, was ihm aber nicht so gut gelang. Doch ich würde Schweigen, auch wenn mich das in mein Grab beförderte.

Erneut durchloderte mich der stechende Schmerz. Er war noch stärker geworden und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen wohin das alles führen sollte. Nachgeben würde ich trotzdem nicht. Ich würde kämpfen.

Ich antwortete auf die Aussage meines Vaters nicht. Es war keine Frage gewesen. Zusätzlich wusste ich nicht was ich drauf erwidern sollte. Ich zog es also vor zu schweigen und tonlos auf die nächste Frage zu warten.

Einer der Wissenschaftler räusperte sich nach einigen Sekunden und überging die Frage, wofür ich ihm innerlich sehr dankbar war: „Wie bist du ausgebrochen?"

Ich hatte keine andere Wahl als ehrlich zu antworten. Viel mehr Stromschläge würde mein Körper nicht mehr mitmachen. „Ich habe mit dem Fremdkörper kooperiert. Er hatte den Körper während des Ausbruchs an sich gerissen. Davor habe ich mir einen gut überlegten Plan ausgedacht."

Wieder kratzte der Stift über das Papier, doch dieses Mal war das Getuschel viel unruhiger und lauter zu hören. Zwar hörte nur einzelne Gesprächsfetzen, auf die ich mir keinen Reim machen konnte. Trotzdem konnte ich die Unruhe in ihren Stimmen deutlich heraushören. Dann war es plötzlich wieder still.

Die Stimme meines Vaters ertönte und sagte: „Gut. Das war's für heute." Ich nickte nur erleichtert und starrte mit leerem Blick den Betonboden an. Ich hoffte, dass ich das Schlimmste überstanden hatte, aber so wie ich meine Eltern kannte, war das nur der Anfang gewesen.

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