Kapitel 16

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Es war schon nach Schulschluss und Valerian sowie Bianca waren immer noch nicht aus dem Schulgebäude getreten. Waren sie etwa schon gegangen? Ohne mich?

Ich war kurz vor einem Nervenzusammenbruch, weshalb ich mich kurzerhand auf den Boden setzte und mein Gesicht in meinen Händen vergrub. Ein Schluchzen glitt über meine Lippen.

Alles schien sich zu wiederholen. Auch das letzte Mal hatte es mit Kleinigkeiten, wie etwa dem vergessen von Verabredungen, angefangen. Meine ehemaligen Freundinnen hatten begonnen mich zu versetzen. Sie hatten sich nur noch ohne mich getroffen. Sie hatten mich langsam aus ihrem Freundeskreis verstoßen und wehrlos meinen Eltern überlassen.

Als letzten vernichtenden Stoß lieferten sie mich meinen Eltern aus. Und alles was ich dagegen tun konnte war zuzuschauen, wie mir der Teppich unter meinen Füßen weggezogen wurde. Ich verlor alles was mir je etwas bedeutet hatte.

„Gracie? Bist du das?", hörte ich die Stimme von Florian direkt vor mir. Zitternd hob ich meinen Kopf und blickte in die Gesichter von Denis, Florian und Alec. Genau, der letzte hieß Alec. Wie konnte ich seinen Namen nur vergessen?

„Was ist passiert?", fragte Alec vorsichtig nach und ich hatte wirklich das Gefühl, dass sich die Drei Sorgen um mich machten. Obwohl ich mich für einen kurzen Moment gut fühlte, überrollte mich die Situation schneller als ich die positive Emotion genießen konnte.

„Ich glaube, dass Valerian mich versetzt hat", flüsterte ich kaum hörbar. Doch an den Gesichtszügen der Jungen konnte ich deutlich erkennen, dass sie mich gehört hatten. Unschlüssig schauten sie mich an.

„Das tut uns wirklich sehr leid für dich. Valerian kann man zurzeit vergessen. Diese Bianca tut ihm nicht gut. Genau das gleiche hat er letztes Jahr mit uns auch gemacht. Bianca ist wortwörtlich eine Plage und ich kann mir nicht erklären, warum sie zurückgekommen ist. Der Grund war nämlich ganz bestimmt nicht Valerian. So viel hat er ihr nicht bedeutet und das wissen auch alle außer Valerian. Grundsätzlich sollte er es auch wissen, aber ich glaube, dass er es einfach nicht wahr haben möchte", erzählte mir Denis mit einem ernsten Gesichtsausdruck und ich starrte ihn einige Sekunden stumm an.

„Sie kommt mir so verdammt bekannt vor und irgendwie auch nicht", hörte ich mich leise sagen. Dafür fing ich mir von Florian und Alec verwirrte Blicke ein. Denis schien zu verstehen wen ich meinte.

„Bianca?", fragte Alec nach und ich nickte verzweifelt, da ich mich immer noch nicht erinnern konnte woher ich sie kannte.

„Ja mir auch. Ich habe über deine Worte nachgedacht und bin zum Endschluss gekommen, dass sich Bianca tatsächlich verändert hat. Etwas ist an ihr anders. Sie ist kaum wiederzuerkennen. Das ist sehr eigenartig", bestätigte Denis meine Aussage.

Plötzlich schoss mir eine Idee in den Kopf, was wenn meine Eltern Bianca aus meinem Gedächtnis gelöscht haben? Ich wusste, dass sie das mit Angestellten und fremden Personen schon des Öfteren gemacht hatten und dies nur, weil sie zu viel gewusst haben. Habe ich auch zu viel gewusst? War meine Beziehung zu Bianca nicht in Ordnung für meine Eltern gewesen? Aber wieso passte der Name dann nicht mit dem restlichen Erscheinungsbild überein?

„Gracie? Bist du noch geistig anwesend?", hörte ich Florians Stimme in meinen Gedankenzug schneiden. Ich nickte kurz und dachte laut nach: „Was ist, wenn meine Eltern meine Erinnerungen an Bianca aus meinem Gedächtnis gelöscht haben?"

„Was?", stießen die Jungen gleichzeitig überrascht hervor. „Was haben deine Eltern damit zu tun? Und Gedächtnis löschen? Hört sich wie ein schräger Science-Fiction Film an", sprach Denis seine Gedanken aus und die anderen beiden stimmten ihm nachdenklich zu.

„Ja stimmt, aber das wäre logisch. Ihr kennt meine Eltern nicht, ihr wisst nicht wozu sie in der Lage sind. Also hört mir zu, wenn ihr mir wirklich helfen wollt", sagte ich und legte eine kurze Pause ein, in der ich die Reaktionen der Jungs studierte.

Alle sahen entschlossen aus, mir zu helfen. Also fuhr ich fort: „Ich muss mit Bianca reden. Ohne Valerian an ihrer Seite. Meine Bitte an euch ist, Valerian zu überreden für einen Moment nicht an Biancas Seite zu sein."

Florian nickte und sagte: „Das schaffen wir. Wir lenken ihn einfach ab, oder Jungs?" Denis und Alec stimmten ihm entschlossen zu.

„Danke. Ihr seid meine Rettung. Ohne euch würde ich immer noch planlos am Boden sitzen und mir die Augen rot heulen", bedankte ich mich schüchtern aber überglücklich über die angebotene Hilfe.

„Kein Problem, Gracie. Dafür hat man doch Freunde", nickte mir Alec freundlich zu und ich konnte nicht anders als zurück zu lächeln. Obwohl ich viele schlechte Erfahrungen mit Freundschaften gemacht hatte, glaubte ich zu wissen, dass diese wirklich aufrichtig und ehrlich gemeint war. Allein schon, weil die Drei meinen Tag ein wenig verbessert hatten.

Wir verabschiedeten uns noch voneinander. Dann trat ich wieder einmal den mittlerweile verhassten Heimweg an. Während ich gedankenverloren an unzähligen Häusern mit Gärten und Terrassen vorbei schlenderte, wanderten meine Gedanken plötzlich wieder an den Mann, der mich in der Schule aufgesucht hatte, zurück.

Meine Eltern hatten ihn ein paar Tage zuvor zu mir geschickt. Wie lange war das jetzt her? Vier Tage? Hatte der Mann nicht gesagt, ich hätte drei Tage, um mich von meinen Liebsten zu verabschieden und zu meinen Eltern zurückzukehren? Wenn ich es nicht täte, hätte ich mit drastisch Folgen zu rechnen. Ja, das mussten seine Worte gewesen sein.

Mir wurde leicht schwindlig, als ich begriff, dass meine Oma nicht freiwillig zu meinen Eltern gegangen sein musste. Sie hatten sich meine Großmutter geholt. Und das verhieß nichts Gutes.

Zusätzlich kam das trotz allem plötzliche Auftreten von Wynn. Wäre es möglich, dass er für meine Eltern arbeitete? Oder sprach er die Wahrheit und war von meiner Oma zu meinem Schutz beauftragt worden. Dem müsste ich unbedingt demnächst auf den Grund gehen.

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