Kapitel 37

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Leise schluchzte ich unter dem festen Klebeband. Ich wollte meiner Oma nicht beim Sterben zu sehen. Sie war ein so gutmütiger, herzlicher Mensch und sie hatte einen schöneren Tod verdient.

Was ging in dem Kopf meines Vaters vor, dass er seine eigene Schwiegermutter kaltherzig töten konnte? Sie hatte doch nichts mit der ganzen Sache zu tun. Oder verbarg sich ein Geheimnis hinter dem Handeln meines Vaters?

„Gleich ist es so weit und die Python wird angreifen", berichtete mein Vater, so als würde er ein einfaches Fußballspiel moderieren. Niemand hatte es verdient auf diese Art und Weise zu sterben.

Plötzlich zuckte meine Großmutter und dann drehte sie sich um, zu der blinden Riesenschlange, welche sich die letzten Minuten ungewöhnlich still verhalten hatte.

Vermutlich wog sich meine Großmutter in Sicherheit. Vielleicht nahm sie an, es wäre endlich vorbei. Doch der ganze Horror würde erst jetzt richtig los gehen.

Als meine Oma begriff was als nächstes passieren würde, stieß sie einen lauten, erstickten Schrei aus. Das plötzliche, unangenehme Geräusch schien die Schlange erschreckt zu haben, denn sie setzte sich zischend in Bewegung.

Lautlos löste sich eine Träne aus meinen mittlerweile schon feuchten Augen. Das Tier hatte mit seinem massigen Körper meine panisch zitternde Großmutter schon einmal umrundet.

Weinend kniff ich meine Augen zusammen. Ich wollte nicht sehen wie ihre Knochen brechen und sie an einem qualvollen Tod starb. „Mach die Augen wieder auf, sonst siehst du doch nichts", erwiderte mein Vater streng.

Ich öffnete meine Lider wieder, nur um zu sehen, dass meine Oma versuchte sich zu befreien. Sie weinte auch und bettelte um Vergebung. Meiner Großmutter viel es immer schwerer sich zu bewegen, denn die Python hatte sie schon fest umschlungen.

Dann war der Augenblick gekommen und das Tier begann sich fester um meine Großmutter zu schlingen. Im nächsten Moment war meine Oma ganz von der Schlange verdeckte. Man konnte nur ihr gedämpftes, qualvolles Schreien hören. Langsam stumpfte das Geräusch ab, bis es schließlich totenstill war.

Ich wandte traurig meinen Blick ab und dann hörte ich ein scheußliches Geräusch. Ein Geräusch, welches ich nie wieder aus meinem Kopf bekommen würde. Ich hörte das Brechen der Knochen. Das Brechen ihrer Knochen. Sie war tot und niemand könnte sie zurückholen.

Unerwarteter Weise ertönte ein lautes Klopfen. Es kam von der verschlossenen Tür. Das Geräusch wurde immer lauter und dann fiel die schwere Tür aus den Angeln. Dann trat ein alter Mann durch die Tür mit einem Betäubungsmittel in der Hand.

Es war Wynn. Der alte Mann der mich zuerst beobachtet und dann verraten hatte. Wynn spritze das Mittel flink in die überzüchtete Python. Das Tier erschlaffte und der Mann kämpfte sich durch das massige Tier.

Endlich kam er bei meiner Großmutter an. Oder zumindest bei dem, was noch von ihr übrig war. Ihre Körperteile standen in unnatürlichen Winkeln ab.

Knochen ragten heraus und das Blut floss nur so aus den Wunden. Durch die rote Flüssigkeit konnte man ihr Gesicht nicht mehr wiedererkennen. Denn es war zermatscht und ebenfalls blutig.

Von Trauer und Wut getrieben stand der alte Mann auf und schrie direkt in die Kamera: „Was habt ihr meiner Kate nur angetan? Sie hat mir viel bedeutet und das wusstet ihr! Schaut sie euch an. Das ist euer Werk! Ihr seid das wahre Böse und nicht die Kinder mit ihren übernatürlichen Fähigkeiten, die ihr für eure grausamen Versuche ausnutzt. Die Fähigkeit der Kinder, welche ihr als Teufelswerk bezeichnet ist nicht der wahre Schrecken! Denn wie könnten Kinder zu etwas grausameren fähig sein, wie ihr es seid? Diesen Kindern wird von Anfang an die Sicht auf ein schönes Leben verhindert. Sie werden von klein auf von brutalen Experimenten geprägt, wobei sie entweder sterben oder von schwerwiegenden, bleibenden Schäden betroffen sind. Ich hasse euch und eure Organisation und ich wünschte ich hätte mich euch nie angeschlossen ich wünschte ich..."

Die Aufnahme wurde auf stumm geschaltet und schockiert sowie überfordert schaute ich zu, wie zwei Agenten in den Raum stürmten und den immer noch tobenden Wynn fortschliffen.

Erst jetzt traute ich mich zu meinem Vater zu schauen. Seine Stirn lag in Falten. Zu meiner Verwunderung war sein Blick eher leer als wütend und ich fragte mich was das zu bedeuten hatte.

Lautlos rissen sie mir das Klebeband ab und lösten mich von meinen Fesseln. Mit einem letzten Blick auf den Monitor und somit auf den zerstörten Körper meiner Oma und der bewusstlosen Schlange, wurde ich zurück in mein Zimmer gebracht.

Traurig dachte ich an die kurze Zeit mit meiner Großmutter zurück und betete, dass sie jetzt an einem besseren Ort war. Ich wusste, dass ich sie und ihr tragisches Ende nie vergessen würde.

Andererseits wollte ich meine Oma als die freundliche, herzliche Frau in Erinnerung behalten und nicht als die um ihr Leben winselnde Alte, die zu Tode verurteilt war.

In welchem Verhältnis meine Oma und Wynn standen wollte ich mir gerade nicht vorstellen. Der Auftritt von Wynn hatte mich bereits genug überfordert sowie seine ehrliche Meinung zu den Machenschaften, die hier im Gange waren.

Mit meinen Gedanken bei meiner Oma und der wieder aufgekommenen Hoffnung auf Freiheit schlief ich ein. Doch auch in meinem Traumland konnte ich dieses Mal der Realität nicht entfliehen. Denn immer wieder spielte sich der Tod meiner Oma erneut vor meinem inneren Auge ab.

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