Kapitel 11

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Stumm starrte ich Sophie und Zoe an. Immer wieder schaute ich von einer zur anderen, bis ich schließlich an Sophie hängen blieb, welche mir verabscheuende Blicke zuwarf. Es herrschte eisige Kälte zwischen den Fronten.

Lange schauten wir uns finster in die Augen. „Du bist einfach nur krank, versteh das doch endlich. Du gehörst in Behandlung!", stieß Sophie abwertend von sich, drehte sich um und ging wütend davon.

Ich zuckte nicht mal mit den Wimpern. Diese Worte trafen mich tief ins Herz, doch anmerken ließ ich mir dies nicht. Zoe blieb noch kurz bei uns stehen und versuchte Valerian zu warnen: „Ich hoffe für dich, dass du weißt wozu Gracie fähig ist. Viel Glück noch."

Nach dieser Aussage machte auch sie kehrt und verschwand in der Menschenmenge. Valerian blieb die ganze Zeit über still, wofür ich ihn sehr dankbar war. Ich wusste nicht, wohin dieses Gespräch geführt hätte, wenn er sich eingemischt hätte. Trotzdem war ich ihm jetzt wieder mal einiges an Antworten schuldig. Das wusste ich.

„Was war denn das gerade für eine Aktion gewesen?", fragte mich Valerian verwirrt und mit hochgezogenen Augenbrauen. Er sah durcheinander aus. Man konnte ihm deutlich ansehen, wie wenig er die Situation verstanden hatte. Wer konnte es ihm verübeln? Immerhin wusste er nicht viel über mich und ich nicht über ihn.

„Ich werde versuchen dir alles zu erklären, aber nicht hier, unter all den Fremden Menschen. Hier ist es nicht mehr sicher. Also können wir endlich gehen?", versprach ich ihm drängend. Ich wollte hier so schnell wie möglich verschwinden. Valerian nickte und gemeinsam fuhren wir zurück nachhause.

Da es schon Abend war, als wir das Haus meiner Großmutter erreichten, vermutete ich, dass Valerian lieber auch nach Hause gehen wollte. Ich konnte ihm auch noch morgen Teile meiner Vergangenheit erzählen.

Doch er beharrte stur auf eine jetzige Erklärung. Also führte ich ihn in mein Zimmer und sperrte ab. Wie immer schloss ich die Vorhänge und es wurde für kurze Zeit dunkel. Ich ertastete den Lichtschalter und drückte ihn. Das Zimmer wurde augenblicklich wieder mit Licht durchflutet.

Ich setzte mich auf mein Bett und Valerian auf mein Sofa. „Was willst du wissen? Frag erstmal das was dir auf dem Herzen liegt und ich werde schauen, dass ich alles beantworten kann. Dann sehen wir weiter, gut?", verließ es meine Lippen. Er nickte zur Antwort und begann sich seine Fragen geistig vorzubereiten.

„Na gut. Als Erstes möchte ich wissen, aus welchen Gründen du diese Art Sonnenbrille trägst?", fragte er mich gespannt auf meine Antwort. Ich seufzte. Innerlich hatte ich gehofft, dass er diese Frage vermied. Aber ich hatte ihm Antworten versprochen und wollte ihm diese auch nicht länger verheimlichen.

„Das ist keine Sonnenbrille. Es ist einfach eine dunkle Brille mit abgedunkelten Gläsern, damit meine Augen verborgen bleiben. Sie dient vor allem mir als Schutz vor neugierigen Blicken", erklärte ich bedacht auf die richtige Wortwahl.

Auch wenn Valerian es nicht aussprach, sah ich ihm seine Enttäuschung an. Er hatte wohl mit einer klareren Antwort gerechnet, aber ich war auch noch nicht ganz fertig. Langsam holte ich tief Luft und führte meine mittlerweile zitternde Hand zu meiner Brille und setzte sie ab.

Valerians Augen wurden groß und er sagte überrascht: „Deine Augen sind türkis? Trägst du deshalb eine Brille?" Ich nickte vorsichtig mit dem Kopf: „Ja vor allem deswegen. Türkise Augen sind unnatürlich und ich möchte mir die ganzen Fragen ersparen."

Verwirrt sah er mich an: „Aber wieso ist es für dich so schlimm türkise Augen zu haben. Sieh es doch als etwas Besonderes." „Du hast doch sicher das Gespräch mit meinen ehemaligen Freundinnen mitverfolgt, weißt du noch, was sie gesagt haben?", half ich ihm nervös auf die Sprünge.

Wie würde Valerian reagieren, wenn er die ganze Wahrheit kannte? Würde der auf meinem Sofa sitzende Junge ausflippen? Zögernd nickte er und antwortete: „Ja, sie meinten du wärst gefährlich. Stimmt das und wenn ja, warum und was hat das mit der Brille zu tun?"

„Tja...mit ihrer Aussage haben sie nicht ganz unrecht. Laut meinen Eltern und der Regierung bin ich eine lebende Waffe. Eine Bombe, welche darauf wartet zu explodieren", murmelte ich besorgt über Valerians Reaktion.

Verlegen starrte er mich an und sagte frustriert: „Ich verstehe das alles nicht." „Ich weiß und das musst du auch nicht. Alles was zählt ist, dass du mir vertrauen kannst und vor allem brauchst du keine Angst vor mir haben. Ich werde dir kein Haar krümmen", beruhigte ich ihn und hoffte innerlich, dass ich damit recht hatte.

„Darf ich dir noch eine Frage stellen?", fragte Valerian vorsichtig. Ich nickte nur abwesend. Ich wusste immer noch nicht, wie intelligent es von mir gewesen war, ihm so viel zu erzählen. Valerian wusste jetzt mehr als meine Oma. Warum meine Eltern meiner Oma nichts von meinen Fähigkeiten erzählt hatten, wusste ich nicht. Aber sie hatten sicher ihre Gründe.

„Weiß deine Großmutter darüber Bescheid?", stellte er schließlich seine nächste Frage. Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet und drauf war ich auch überhaupt nicht vorbereitet gewesen.

Natürlich wusste sie nichts darüber, sonst würde sie sich doch nur unnötigerweise Sorgen um mich machen. Aber warum sagte ich es ihr eigentlich nicht? Innerlich war mir der Grund sehr wohl bewusst, aber zugeben wollte ich ihn nicht. Trotzdem wollte ich zu Valerian ehrlich sein.

„Nein, sie weiß nichts davon. Ich denke ich sage es ihr nicht, weil meine Eltern es ihr auch nicht erzählt haben", murmelte ich Gedanken versunken. Tat ich das Richtige? Die Wahrheit zu gestehen war nicht leicht gewesen, da ich es mir selbst noch nicht eingestanden hatte.

Vermutlich hatte ich auch Angst vor der Reaktion meiner Großmutter. Sie war alles was mir geblieben war und ich wollte meine Oma nicht verlieren. „So, aber jetzt darf ich auch ein paar Fragen stellen", forderte ich.

Valerian nickte nur weshalb ich fortfuhr: „Warum hast du dich vor zwei Wochen neben mich gesetzt?" Diese Frage hatte mich schon längere Zeit beschäftigt, doch ich konnte mir beim besten Willen keine Antwort zusammenreimen.

„Nachdem ich dich auf dem Gang angesprochen hatte, bist du mir das erste Mal so richtig aufgefallen. Du warst so anders als all die Menschen, die ich kannte. So geheimnisvoll und undurchschaubar. Ich fühlte mich von der ersten Sekunde an zu dir hingezogen", murmelte Valerian verlegen und eine leichte Röte stieg ihm ins Gesicht. Überrascht lächelte ich ihn an. Ich war unendlich froh, dass Valerian mich angesprochen hatte.

„Möchtest du eigentlich meine Freunde kennenlernen? Sie sind ziemlich schräg, aber völlig in Ordnung", fragte er mich etwas verlegen. Nicht oft sah ich Valerians sensible Seite. Es musste ihn also viel bedeuten.

„Gerne", antwortete ich lächelnd und plötzlich hatte ich das Gefühl, dass wir uns schon ewig kannten, obwohl ich noch so wenig über den Jungen wusste, der vielleicht genauso viele Geheimnisse hegte wie ich es tat.

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