Kapitel 25

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Blinzelnd wachte ich auf. Meine letzten Erinnerungen waren verschwommen. Ich wusste nur noch, dass das Ding zurückgekommen war. Es hatte Besitz über mich ergriffen und mich in den Abgrund gezogen.

Erst jetzt bemerkte ich die verschwommene Person, die neben meinem Bett saß. Ich versuchte ihr Gesicht zu erkennen und nach kurzer Zeit konnte ich Isabelle neben mir ausmachen.

Sie saß auf einem schmalen Sessel und beobachtete mich mit einem müden Lächeln. Das dämmrige Licht ließ mich an ein Krankenhaus erinnern. Panisch schaute ich mich um und musste entsetzt feststellen, dass ich mich tatsächlich in so einem befand.

Was war mit mir passiert? Was hatte ich getan? Und warum tat mir alles weh? Immer mehr Fragen drängten sich in mein Bewusstsein.

„Warum bin ich hier?", krächzte ich Luft schnappend. Meine Lunge fühlte sich staubtrocken an und brannte beim Schlucken entsetzlich.

Isabelle schüttelte nur traurig den Kopf und schaute verlegen zur Seite. So als wollte sie das Passierte immer noch nicht glauben und verdrängen. Verunsichert starrte ich die Frau an.

„Sag es mir bitte. Ich muss es wissen, habe ich eine Person verletzt?", flehte ich ängstlich und Tränen stiegen mir in die Augen.

„Na gut", sagte Isabelle zögerlich. „Aber meine Antwort wird dir nicht gefallen", setzte sie beunruhigt fort. Vorsichtig nickte ich. Meine Wangen waren mittlerweile feucht von den Tränen.

„Du...du hast eine Schülerin aus deinem Jahrgang getötet", verließen die Wörter Isabelles Lippen wie in Zeitlupe. Kurz danach wurde die Tür aufgerissen und eine junge Krankenschwester betrat den Raum. Sie musterte mich mit einer Mischung aus Mitleid und Furcht.

Ich war wie gelähmt. Die gerade erhaltenen Informationen hatten noch nicht mein Bewusstsein erreicht. „Wie fühlst du dich?", schnitten die Worte der jungen Frau messerscharf durch meinen Verstand.

Ich spürte ihre Angst. So als befürchtete sie, dass ich im nächsten Moment aufsprang und sie zu Boden rang. Mein ganzer Körper war wie betäubt. Mein Gesicht wurde wahrscheinlich kreideweiß.

Das Bild vor meinen Augen begann zu flackern und mir wurde schlecht. Wie konnte das passieren? Ich hatte doch so aufgepasst. Ehe ich mich übergeben konnte, viel ich zurück in die dunkle Leere.

Stunden später erwachte ich erneut. Ich lag immer noch im weißen Raum. Es beinhaltete nur das eine Bett, in welchem ich mich befand. Daneben stand nur ein einfacher, hellblauer Plastiksessel.

Ohne an den Grund meines Aufenthaltes im Krankenhaus zu denken, setzte ich mich auf. Ich erblicke eine schlafende Person am Sessel. Doch dieses Mal war es nicht Isabelle. Nein, es war... es war tatsächlich Valerian.

Interessiert musterte ich den Jungen. Was hatte er hier zu suchen? Und wo war Bianca? Plötzlich wurde mir wieder bewusst, dass ich jemanden getötet hatte. Eine mit Sicherheit unschuldige Person, die Opfer meiner Unkontrollierbarkeit geworden ist.

Ich hasste jede einzelne Faser meines Körpers für diese unmenschliche Tat. Was hatte ich nur schon wieder getan? Ganz egal wer es gewesen war. Irgendwo waren ihre Eltern. Weinend und zerstört.

Schnell verdrängte ich jegliche Gedanken an den von mir begangenen Mord. Schwer schluckend richtete sich mein Blick aus dem Fenster. Ich konnte nicht viel erkennen. Es musste Nacht sein, denn nur der Mond erhellte das Zimmer.

Seufzend versuchte ich aufzustehen. Ich zog die Decke beiseite, rutschte zur Bettkante und setzte meine nackten Füße vorsichtig auf den kalten Betonboden. Als ich sicher am Boden stand, machte ich ein paar Schritte auf die Tür zu. Änderte aber meine Richtung und ging doch lieber zur großen Fensterscheibe.

Sie befand sich links von dem Krankenbett. Der Raum war kleiner als ich ihn in Erinnerung hatte. Ich öffnete das Fenster und lehnte mich hinaus. Mit geschlossenen Augen atmete ich die kühle Nachtluft ein und aus.

Plötzlich berührte mich eine Hand an der Schulter und ich zuckte zusammen. „Keine Sorge, ich bin es nur", flüsterte mir Valerian ins Ohr. „Komm weg vom Fenster. Nicht das du dich noch in die Tiefe stürzt", bat mich der Junge besorgt.

Ich nickte nur abwesend und trat vom Fenster weg. Ich machte aber keine Anstalten es wieder zu schließen. „Es tut mir leid", brach es im selben Moment aus mir heraus und meine Augen füllten sich mit Tränen.

„Was tut dir leid?", fragte Valerian verwirrt nach. „Einfach alles. Dass ich dir nicht gesagt habe wer oder was ich bin, dass ich dir meine Vergangenheit verschwiegen habe und jetzt auch noch der Mord.... Ich wollte das nicht. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern", weinte ich mittlerweile.

„Ich habe alles kaputt gemacht", schluchzte ich und sank auf den kalten Betonboden. „Wovon redest du? Du hast doch niemanden umgebracht. Wie kommst du darauf?", entgegnete mir Valerian verwirrt.

„Doch. Isabelle hat es mir schon erzählt. Du musst nicht so tun, als ob nichts gewesen wäre", erwiderte ich niedergeschlagen. „Ich weiß wirklich nicht wovon du redest. Ich kann dir aber erzählen was wirklich passiert ist. Als ich mitten im Unterricht war, erklangen deine klagenden, schmerzerfüllten Schreie bis in den letzten Winkel der Schule. Haufenweise Lehrer sind aus ihren Klassen gestürmt, um nach dir zu schauen. Sie wollten dich beruhigen. Doch du hast nicht aufgehört zu schreien. Dann hat die Schulleitung die Polizei und Rettung alarmiert. Alles ging so schnell. Im nächsten Moment war die Polizei durch die Eingangstür gestürmt. Als der erste Polizist dich erreicht hatte, lagst du schon zuckend am Boden. Sie haben dich einfach angeschossen."

Valerian machte eine kurze Pause. Dann schluckte er schwer und nahm den Faden wieder auf: „Ich dachte du schaffst es nicht. Um dich herum war so unglaublich viel Blut und es wurde immer mehr. Deine Augen waren rot und du hast gehustet. Dann war es nur noch ein Röcheln und ich hatte Angst du würdest ersticken. Im selben Moment waren Rettungskräfte mit einer Trage bei dir. Sie haben dich mitgenommen." Valerian schwieg und hing mitgenommen seinen Gedanken nach.

„Ich wurde angeschossen? Warum?", fragte ich ungläubig nach. „Ich weiß es nicht. Wie gesagt es ging alles so schnell", erwiderte Valerian mit weit aufgerissenen Augen.

Einige Zeit herrschte Stille zwischen uns. Hatte er sich wirklich so große Sorgen um mich gemacht? Warum hatte mich Isabelle belogen? Auch wenn ich Isabelle schon mein ganzes Leben kannte, vertraute und glaubte ich Valerian. Er würde mich nie im Leben belügen.

Wortlos setzte der Junge sich zu mir auf den Boden und fragte: „Willst du mir immer noch erzählen, was dir in der Vergangenheit widerfahren ist?" Vorsichtig nickte ich und sagte: „Ich erzähl dir alles. Es ist schon lange überfällig und diesmal mache ich keinen Rückzieher. Ich verspreche es dir."

„Zuerst möchte ich aber noch wissen warum du hier bist", verlangte ich müde und schaute in seine grauen unergründlichen Augen. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht und ich habe mich endlich aus Biancas Krallen befreien können. Sie hat mich in eine Art Trance versetzt. Wie weiß ich nicht, aber ich hatte nur Augen für sie. Damals als du mit Bianca im Café warst, wollte ich dich vor ihr warnen. Die Hypnose hat nur wenige Stunden gehalten und musste regelmäßig erneuert werden. Ich glaub Bianca hat sich verschätzt wodurch ich einen klaren Moment hatte", erklärte mir Valerian kopfschüttelnd.

Ich starrte ihn sprachlos und ungläubig an. Nicht mehr viel fehlte und ich würde hinter Biancas Fassade sehen können. Das Bild setzte sich langsam zusammen.

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