Kapitel 18

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Das hohle Geräusch an einem härteren Gegenstand, riss mich aus meinem Schlaf. Wie lange hatte ich geschlafen? Und wer klopfte an der Haustür?

Mein Herz begann zu rasen und mein Körper bebte aufgrund des eingesetzten Zittern. Langsam versuchte ich mich aufzurichten. Ein nur allzu bekanntes Schwindelgefühl setzte nach längerer Zeit wieder ein. Meine Knie fühlten sich weich und wie aus Gummi an.

Nur mit Mühe konnte ich mich auf den Beinen halten. Vorsichtig machte ich einen Schritt Richtung Fenster. Ich verlor das Gleichgewicht und ruderte nervös mit den Armen. Glücklicherweise fand ich wieder Halt und klammerte mich an das nahe stehende Regal.

Erleichtert atmete ich die kurz angehaltene Luft aus. Vorsichtig richtete ich mich auf und warf einen prüfenden Blick aus dem Fenster. Ich atmete erneut tief durch. Es waren nur Valerians Freunde, welche ich besorgt vor der Haustür ausmachen konnte.

Ich stolperte zurück zur Tür und sperrte sie wie hypnotisiert auf. Dann stockte ich. Mein Vater hatte gestern noch einen Agenten erwähnt. Gehörte einer von den drei Jungen auch zu der Armee meines Erzeugers?

Mit kalkweißem Gesicht öffnete ich die Tür einen Spaltbreit und lugte vorsichtig heraus. „Gracie! Ist alles okay bei dir? Was ist passiert?", fragte Alec gleich besorgt nach.

Ich verharrte tonlos in meiner Position und scannte die Gesichter. Zuerst das von Alec. Dann das von Denis. Zum Schluss blieb noch das von Florian. Alle sahen gleichermaßen besorgt aus und keiner schien zu wissen was mir widerfahren war.

Also trat ich beiseite und öffnete die Tür ganz. Anschließend sah ich noch mit einem prüfenden, aufmerksamen Blick die Straße hinunter. Es schien niemand in der Nähe zu sein.

Am Horizont konnte ich die Umrisse eines Autos erkennen, aber viel mehr trieb sich in unmittelbarer Umgebung nicht. Die Sonne stand schon tiefer als gedacht. Es musste gegen 17:30 Uhr sein.

Ich merkte die unangenehmen Blicke auf mir. Die drei Jungen waren wohl schon eingetreten. Sie wunderten sich vermutlich, warum ich noch immer bewegungslos aus der Haustür starrte.

Ich löste mich von dem Anblick der friedlichen Nachbarschaft und schob die Tür zu. Dann sperrte ich sicherheitshalber noch ab und führte die Jungen in das Wohnzimmer. Sie setzten sich zusammen auf die große, graue Couch und ich setzte mich ihnen gegenüber auf den dazu passenden Ohrensessel.

„Also, was ist los? Warum warst du heute nicht in der Schule? Hast du unseren Plan vergessen?", fragte Florian forschend nach. Welcher Plan und hatte ich tatsächlich einen Tag lang geschlafen?

„Tut mir wirklich leid. Ich hatte gestern einen langen und anstrengenden Tag. Zusätzlich habe ich noch verschlafen", antwortete ich verwirrt.

Ich hatte die Erinnerungen von gestern so gut es ging verdrängt. Ich wollte nicht an den Verrat von Wynn denken. Allgemein wollte ich nie wieder etwas mit ihm zu tun haben. Denn mein Vertrauen hatte er wirklich gewonnen. Mir wäre nie im Traum in den Sinn gekommen, dass er mich von Anfang an belogen hatte.

„Gracie? Alec hat dich etwas gefragt, geht es dir gut? Sollen wir dich irgendwo hinbringen?", fragte Denis besorgt nach und machte mich so wieder auf die Jungen gegenüber mir aufmerksam.

Ich nickte und richtete fragend meinen Blick auf Alec. „Ist das wirklich alles, was du uns sagen möchtest? Valerian hat uns schon bereits berichtet, dass du nicht sehr redselig bist und eher auf geheimnisvoll tust, aber hier stimmt etwas ganz und gar nicht und wir wollen dir nur helfen. Du kannst uns vertrauen."

Nervös richtet ich meine Brille. Doch das war überhaupt nicht nötig gewesen. Sie hatte es sich in einer angenehmen Position auf meiner Nase gemütlich gemacht. Wieso sagten mir alle ich sollt ihnen Vertrauen? Das tat ich doch und trotzdem endete es in einer  Sackgasse.

„Mir geht es gut...wirklich", versuchte ich sie zu beruhigen. Der Plan Valerian abzulenken, um mit Bianca reden zu können, trat mir wieder in den Sinn. Also stellte ich zur Ablenkung eine andere Frage: „Was machen wir jetzt wegen Bianca?"

„Da morgen Freitag ist, werden wir erst am Montag unseren Plan durchführen können. Es sei denn wir treffen sie noch zuvor zufällig auf den Schulfluren", erläuterte Florian deprimiert über die Planverschiebung. Das Bianca mit uns nicht in eine Klasse ging, erschwerte die Planumsetzung erheblich.

Ich nickte als Antwort. Würde ich es überhaupt bis Montag schaffen? Meine Eltern waren so kurz davor mich in die Finger zu bekommen. Ich musste unbedingt den zweiten Agenten entlarven.

Erneut analysierte ich die Gesichter meiner Freunde. Ja, ich konnte sie schon wirklich als meine Freunde bezeichnen. Valerians Freunde waren nun auch zu meinen geworden. Allein durch diesen Gedanken schien mein Herz ein paar Sprünge mehr zu machen.

Am liebsten hätte ich den Jungs von meinem gestrigen Tag erzählt, vom alten Mann, von meinem Vater, von seinen Agenten und davon, dass ich nirgendwo mehr hin konnte. Ich hatte schlichtweg niemanden mehr.

Trotz allem würde und konnte ich ihnen davon nicht erzählen. Es würde nur zusätzliche Fragen und Verwirrungen auslösen. Darauf konnte ich zurzeit sehr gut verzichten. Also verabschiedete ich mich von Denis, Florian und Alec. Sie schienen den früheren Vorfall vergessen zu haben. Keiner von ihnen hatte mich darauf erneut angesprochen.

Vielleicht hatten sie auch verstanden, dass ich darüber nicht reden wollte. Wie auch immer, es war zu spät. Die drei Jungen waren bereits aus dem Gebäude getreten und nach Hause gegangen. Jetzt war ich wieder allein in dem großen, leeren Haus meiner verschwundenen Großmutter.

Ich hörte den eisernen Klang der Küchenuhr, welche das Gebäude leblos und kalt wirken ließ. Ansonsten war nichts zu hören, aber nur das Gefühl beobachtet zu werden, ließ in mir eine unbeschreibliche Panik aufsteigen.

Ich musste unbedingt hier weg. Omas Anwesen war nicht mehr sicher genug für mich. Aber vielleicht war es das auch nie gewesen.

Nichtsdestotrotz brauchte ich einen neuen Unterschlupf. Einen Ort wo ich meine Nächte verbringen konnte und mich sicher fühlen konnte. Augenblicklich schoss mir eine Idee in den Kopf.

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