Kapitel 1

308 11 8
                                    


Mit geschickten Fingern band er die Krawatte in weniger als einer Minute. Auch die Manschettenknöpfe hatte er schnell angelegt.

Nach so langer Zeit hatte er genug Erfahrung darin und schaffte das Umziehen mitlerweile innerhalb einer guten halben Stunde.

Und dabei gehörte er zu denen mit den meisten Kleidungsstücken. 

Was gut war. Je mehr Teile er trug, umso geringer bestand die Gefahr, dass er am Ende des Abends nur noch seine Unterhose am Leib trug.

Auch das hatte er in den letzten Monaten hier gelernt.

Sobald man sein Hemd verloren hatte, war man selbst verloren. Und verwandelte sich in Freiwild.

Insbesondere in diesem Job. Man könnte das wohl am ehesten mit Berufsrisiko bezeichnen.

Als Host in einem Nachtclub lernte man unweigerlich irgendwann die andere Seite von Frauen kennen.

Aus schüchternen freundlich lächelnden höflichen Damen wurden mit der richtigen Zugabe von Alkohol und dem Einsatz junger gutassehender Männer wahre Raubtiere.

Er selbst hatte irgendwann mit dem Zählen aufgehört, wie oft er bereits eine Hand auf seinem Hintern hatte oder sein Hemd aufgeknöpft wurde.

Für ihn stand lediglich das Geld im Vordergrund.

Mit der Zeit hatte er herausgefunden, welche Komplimente am besten bezahlt wurden. Wer bei der richtigen kurzen Berührung am meisten springen ließ.

Das wichtigste war, dass alles wie zufällig wirken musste. Und vor allem echt.

Diese Frauen kamen nicht hierher, um mit ihren Freundinnen in gemütlicher Atmosphäre etwas zu trinken. Das hätten sie auch woanders gekonnt.

Aber hier gab es etwas anderes. Ein spezielles Angebot, dass sich von einem normalen Nachtclub abhob.

Es war nicht die langsame Musik, deren Bass dumpf im Hintergrund vibrierte. Es waren auch nicht die viel zu überteuerten Getränke.

Sie betraten diese Laden, weil sie wussten, dass sie hier belogen werden.

Weil sie in der diffusen Beleuchtung auf den lose im Raum angeordneten weichen Sofas in eine vollkommen andere Welt eintauchen konnten.

Eine Welt, in der sie beachtete wurden, man sich eingehend kümmerte. Ihnen Komplimente machte, mit ihnen irgendwelche albernen Cocktails trank und sich anhörte, wie erfolgreich sie doch waren. Erfolgreich, aber allein.

Je einsamer eine Frau war, desto mehr Geld steckte sie ihm zu, wenn er nett zu ihr war und sich ein bisschen anfassen ließ.

Nie hätte er geglaubt, dass es sich mal derart auszahlen würde, wenn man im Besitz eines einigermaßen hübschen Gesichts war.

"Jin, bist du soweit?", ertönte eine Stimme vom Flur.

"Komme sofort.", rief der Angesprochene zurück, warf noch einen letzten Blick in den Spiegel, um zu überprüfen, dass seine dunklen Haare perfekt lagen.

Je besser er aussah, desto mehr Scheine fand er am Ende der Nacht in seinen Taschen.

Allmählich hatte er verstanden, dass dieser Job ein gewissen Schauspieltalent vorraussetzte.

Ihmmerhin musste er sich komplett verstellen. Selbst sein Styling hatte er dem Idealbild der zahlenden weiblichen Kundschaft angepasst.

Die Krawatte nochmal ein wenig lösend, um legerer zu wirken, verließ er die winzige Garderobe.

"Kann es los gehen?", erkundigte sich sein Freund grinsend. Auch sein Outfit war ähnlich seinem eigenen. Ein schicker Anzug, Hemd und leicht geöffneter Schlips.

Dazu die Haare nicht zu perfekt frisiert, sondern leicht zerzaust, hier und dort abstehend. Das wirkt wild und ungebändigt. 

Jin nickte ihm augenzwinkernd zu: "Die Show kann beginnen."

"

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.
Focus //Namjin//Where stories live. Discover now