Gedanken

388 26 13
                                    

Nachdenklich blickte ich seit Stunden aus dem Fenster meines Klassenzimmers. Es schien erst gestern gewesen zu sein, dass ich Kanata Homras Flammen gezeigt hatte, dabei waren seitdem bereits zwei Wochen vergangen.
Mein Blick wanderte durchs Klassenzimmer, in der Hoffnung, der silberhaarige wäre heute in die Schule gekommen. Doch meine Hoffnung wurde enttäuscht, als ich seinen leeren Platz sah.
Nachdem ich vor vierzehn Tagen noch schnell die Wunde in seiner Schulter geheilt hatte, war er mit den Worten "Bis morgen." gegangen. Doch seit diesem Vorfall hatte ich ihn kein einziges Mal wiedergesehen. Vielleicht hatte er vor den Flammen Angst bekommen. Ich schlug mir den Gedanken gleich wieder aus dem Kopf, als ich mich an seine Augen an diesem Tag erinnerte. Sie hatten Faszination und keine Furcht ausgestrahlt.
Als der Gong zum Schulschluss läutete, stand ich wortlos aus und verließ das Klassenzimmer. "Amy, du hast heute Putzdienst!", rief mir Mai hinterher, aber ich war so in Gedanken versunken, dass ich nichts mehr von meiner Umwelt mitbekam.
Auf meinem Weg in die Bar war es nicht anders. Ich lief gedankenverloren über mehrere rote Ampeln. Selbst das warnende Hupen eines Autos überhörte ich einfach, das mit quietschenden Reifen noch versuchte zu bremsen. Erst jetzt bemerkte ich, in welcher Gefahr ich mich befand, jedoch konnte ich nicht mehr rechtzeitig reagieren. Ich schoss meine Augen und erwartete den Aufprall.
Plötzlich packte mich jemand am Arm und zog mich weg. Ich stolperte zurück und landete mit dem Hinterteil auf dem Boden. Keine Sekunde danach spürte einen Luftzug, nur Millimeter vor mir. Zögerlich öffnete ich meine Augen wieder. Mein Herz schlug immer noch wie wild von dem Schreck. Unsicher schaute ich mich um und bemerkte, dass ich auf dem Gehsteig saß. Das Auto war ein paar Meter nach der Stelle, an der ich eben noch gestanden hatte, zum Stehen gekommen. "Pass doch auf!", brüllte der Autofahrer mich an, bevor er wieder in sein Auto stieg und schnell weiterfuhr.
Ich hörte ein genervtes Knurren hinter mir. "Was für ein Arschloch. Wäre der nicht so schnell gefahren, hätte er locker noch rechtzeitig bremsen können."
Ich blickte hinter mich und entdeckte Kanata, der dem Auto mit einem wütenden Funkeln in seinen Augen hinterherschaute. "Hast du mich etwa weggezogen?"
Er nickte kurz und lief los. Ich sprang schnell auf und folgte ihm. "Vielen Dank. Du hast mir das Leben gerettet."
"Tze...", kam als Antwort. "Was rennst du auch über eine rote Ampel."
"Ich bin total in Gedanken versunken gewesen."
"Wenn du das öfters bist, ist es ein Wunder, dass du überhaupt noch lebst." Ich sah zu Boden. "Aber es ist ja egal, da du dich sowieso wieder selber zusammenflicken kannst, nicht wahr?"
"Du meinst, meine Heilfähigkeiten?"
"Was denn sonst?"
"Auch meine Fähigkeiten haben ihre Grenzen und ich will lieber nicht ausprobieren, wie weit ich gehen kann."
"Dann pass das nächste Mal gefälligst besser auf und setz dein Leben nicht einfach aufs Spiel, denn du hast nur ein einziges."
"J-ja." Ich glaubte, kurz einen Schimmer von Traurigkeit in seinen Augen gesehen zu haben. Sofort kam mir ein Gedanke: Hatte er etwa schon mal jemanden verloren?
"Glotz mich nicht so an.", knurrte er und sofort schaute ich wieder weg. "Und hör auf, mir zu folgen."
"Wohin gehst du?", fragte ich vorsichtig.
"Nach Hause, wohin sonst?"
"Kann ich mitkommen?" Keine Ahnung, wieso ich das überhaupt fragte. Vielleicht war es, weil ich mir wegen seiner Abwesenheit in der Schule ein wenig Sorgen um ihn machte? Vielleicht war es aber auch einfach nur meine Neugier? Oder vielleicht von beidem ein bisschen?
Er rollte mit seinen Augen. "Wenn es denn unbedingt sein muss." Ich nickte entschlossen. "Dann verplappere dich bloß nicht."
"Wie meinst du das?"
"Wirst du schon sehen.", bekam ich nur als Antwort, bevor er vor einem etwas älteren stehen blieb.

K-Project - Die wahre GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt