Die Flammen beschützen!

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Nach der Schule sprintete ich so schnell ich konnte durch die Straßen der Stadt zur Bar. Normalerweise brauchte ich etwa eine halbe Stunde dorthin, doch durch meine hohe Geschwindigkeit schaffte ich es heute in nur der Hälfte der Zeit. Keuchend öffnete ich schließlich die Tür der Bad und stürmte hinein.
Überrascht blickten Mikoto und Anna zu mir. "Amy, was ist passiert?", fragte mich Anna, wobei ich einen besorgten Unterton in ihrer Stimme erkannte.
"Nichts Schlimmes, keine Sorge.", meinte ich und schloss die Tür hinter mir. "Da gibg es nur etwas Wichtiges, was ich euch erzählen muss." Ich berichtete ihnen von Kanata und den Flammen, die ich in seinen Augen glaubte gesehen zu haben. "Was hat das zu bedeuten?"
"Das letzte Mal als ich Feuer in Augen gesehen habe, das ist bei dir gewesen." Ich deutete mit meinem Zeigefinger fragend auf mich, woraufhin Mikoto nickte. "Es war bei unserer allerersten Begegnung in der Seitengasse, nachdem du meinen Geldbeutel gestohlen hattest."
Ich erinnerte mich noch genau an diesen Tag. Als Mikoto mein Gesicht zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er zuerst etwas überrascht gewirkt. "Du meinst, Kanata könnt dazu bestimmt sein, ein Mitglied von Homra zu werden?"
Als Antwort bekam ich ein Nicken. "Aber es gibt auch noch eine Möglichkeit."
"Welche denn?"
"Denk doch mal nach.", sagte Anna, die offensichtlich denselben Gedankengang wie Mikoto hatte. "Ein Junge, der Flammen in seinen Augen hat, die aber nur du als Mitglied von Homra gesehen hast, und dessen Lieblingsfarbe rot ist, weil es die Farbe von Feuer ist. Wie groß ich die Wahrscheinlichkeit, dass so jemand gerade an deine Schule und ausgerechnet in deine Klasse kommt?"
"Ziemlich unwahrscheinlich würde ich sagen. Aber was willst du mir damit sagen?"
"Ganz einfach: Es war Schicksal. Er und du, ihr solltet euch begegnen, dass du ihn zu Homra bringst und..."
"Und?"
"Dass er hier vielleicht seine wahren Kräfte entdeckt.", erklärte Mikoto. "Er besteht die Möglichkeit, dass Kanata der ist, nach dem wir suchen: Der neue König des dritten Clans."
Sofort klappte mir die Kinnlade herunter. Kanata als unser neuer König? Irgendwie konnte ich mir das so gar nicht vorstellen.
"Es ist natürlich nur eine Vermutung.", fügte Mikoto hinzu. "Aber sicherheitshalber sollten wir diesen Jungen auf jeden Fall im Auge behalten. Kannst du das übernehmen, Amy?"
Ich nickte zustimmend. "Wie erkennen wir es, ob er wirklich der neue König ist?"
"Sobald seine Kräfte erwachen."
"Und lass mich raten: Das kann auch noch eine Weile dauern."
"Richtig."
Ich seufzte laut und ging hinter die Bar, um mir eine Schürze für die Arbeit umzubinden. Es brauchte Zeit, bis sich die Kräfte unseres neuen Königs zeigten, doch genau diese Zeit hatten wir nicht.
Die Tür zur Bar öffnete sich und ein paar Typen kamen herein. Sofort verkrampften sich meine Muskeln und ich biss die Zähne zusammen. "Hallöchen!", riefen sie durch die Bar. Zweifellos waren das die Leute, die die Bar fast jeden Tag verwüsteten. Sie gingen einmal durch den ganzen Raum, wobei sie Anna, Mikoto und mir ab und zu warnende Blicke zuwarfen.
Dann kam einer der Typen auf mich zu. Er packte mich am Kinn und zwang mich ihn anzusehen. "Na, Püppchen?" Er grinste mich an. "Hast du nicht Lust uns zu begleiten und ein bisschen Spaß mit uns zu haben?"
"Nein.", meinte ich entschlossen und schlug seine Hand mit meiner weg. "Und jetzt haut endlich ab!"
Keine fünf Sekunden später hielt er mich am Arm fest und zog mich zu sich. "Na, na. Warum denn so unfreundlich? Wir werden sicher sehr viel Spaß zusammen haben."
Ich versuchte mich aus seinem Griff zu befreien, doch er war zu stark. Es war lange her, dass ich mich so hilflos gefühlt hatte. Von einem Moment auf den anderen kamen die Erinnerungen an früher zurück. Ich spürte die Schmerzen, die durch die Schläge meines Vaters aufgekommen waren. Und schon wieder konnte ich mich nicht wehren.
Der Typ zog mich gewaltsam hinter dem Tresen hervor und schleppte mich in Richtung Tür, während die anderen begannen die Bar zu verwüsten.
*Bitte...* Ich wollte nicht noch einmal so etwas wie mit meinem Vater erleben. In diesem Augenblick hatte ich so große Angst. Meine Beine zitterten und ein Wimmern verließ meinen Mund. *Hilfe!*, rief ich gedanklich und schloss meine Augen fest.
Plötzlich wurde der Griff des Typen locker. Sofort nutzte ich den Moment und zog meine Hand weg. Doch was war gerade passiert? Ich öffnete meine Augen und sah, dass Mikoto dem Typen mit voller Kraft ins Gesicht geschlagen hatte. Wie dankbar ich ihm dafür war. Kraftlos sank ich zu Boden.
Doch die Gefahr war noch nicht vorrüber: Zuerst waren die anderen Typen überrascht von Mikotos Tat, aber dann wandelte sich ihre Überraschung in Wut. Zusammen gingen sie auf Mikoto los. Sie schlugen und traten ihn und ich konnte nicht länger zuschauen.
Die Flammen von Homra beschützen, hatte ich mal gesagt. Nur wieso kamen mir diese Worte gerade jetzt in den Sinn? Die Typen schlugen immer weiter auf Mikoto ein, ohne einen Funken Gnade zu zeigen. Anna rief wieder und wieder verzweifelt Mikotos Namen,  während einer der Typen sie gewaltsam festhielt.
"Hört sofort auf damit!", schrie ich auf und schloss gleichzeitig die Augen. In diesem Moment spürte ich, wie meine Kraft außer Kontrolle geriet. Es war wie damals, als ich mitten in in der Innenstadt meine Flammen auf die Flammen gehetzt hatte. Doch dieses Mal war etwas anders: Bereits eine Sekunde später hatte ich wieder die volle Kontrolle über das Feuer. Als ich meine Augen wieder öffnete, stand die komplette Bar in Flammen, die jedoch weder die Einrichtungsgegenstände beschädigten, noch Anna oder Mikoto verletzten. Nur die Einringlinge wurden von ihnen angegriffen.
Langsam kämpfte ich mit trotz dem starken Zittern zurück auf die Beine. Es mochte sein, dass Homras Macht schwächer als sonst war, aber gefährlich war sie für normale Leute trotzdem. Inzwischen war es sowieso zu spät, um sich noch länger zurückzuhalten. Ich ließ alle Wut, die sich in mir aufgestaut hatte, mit einem Mal aus mir raus. "Ihr werdet nun von hier verschwinden und nie wieder kommen, sonst werde ich euch bei lebendigem Leib verbrennen.", drohte ich meinen Gegenübern. "Habt ihr das verstanden?"
Die Typen nickten eifrig, bevor sie stolpernd aus der Bar rannten und ich das Feuer verschwinden ließ.
Seufzend ließ ich mich auf einen Stuhl sinken.
"Alles in Ordnung, Amy?", fragte mich Anna, nachdem sie zu mir gerannt war.
"Ja, geht schon.", sagte ich und wischte mir schnell die Tränen aus dem Gesicht. "Entschuldigung, Mikoto, ich konnte mich einfach nicht länger zurückhalten."
"Ist schon gut.", antwortete unser ehemaliger König und zündete sich eine Zigarette an. "Jetzt werden sie uns zumindest fürs erste in Ruhe lassen. Und Amy..."
"Ja?"
"Danke." Dieses Wort war das wohl Größe, was Mikoto aus Dankbarkeit sagen konnte. "Allerdings muss das heute eine Ausnahme bleiben."
"Natürlich."
Im nächsten Moment stürmte Yata herein und stoppte erst einmal, als er das Chaos erblickte. "Sie sind schon wieder hier gewesen, oder?"
"Ja, aber...", setzte ich an, wurde jedoch sofort unterbrochen.
"Wenn ich die in die Finger kriege!"  Yata wirbelte herum und wollte gleich wieder aus der Bar gerausrennen.
Doch Mikoto legte seine Hand auf Yatas Schulter, woraufhin dieser zusammenzuckte. "Yata..." Die Stimme des früheren roten Königs klang ein wenig wütend.
"Ja?" Dagegen klang Yata wie ein aufgeschrecktes Huhn.
"Du hast Amy nicht aufsprechen lassen."
Augenblicklich drehte sich Yata mit einem sichtlich aufgesetzten Lächeln zu mir um. "Was wolltest du mir noch gleich erzählen, allerliebste Amy?"
"Ich habe diese Leute schon in die Schranken gewiesen."
Von einem Moment auf den anderen verwandelte sich Yatas aufgesetztes Lächeln zu einem echten. "Dass heißt, wir dürfen denen jetzt doch in den Arsch treten?"
Sofort kassierte er dafür von Mikoto einen Schlag auf den Kopf. "Natürlich nicht! Das heute war eine Ausnahme, verstanden? Also wenn du noch einmal auf eigene Faust losziehst, um diese Typen fertig zu machen..."
"Verstanden!", rief Yata respektvoll und salutierte. "Wird nie wieder vorkommen, versprochen. Ehrenwort. Ich schöre es." So ängstlich hatte ich ihn noch nie erlebt. Ich konnte es nicht mehr länger zurückhalten und begann schließlich zu kichern.
"Was ist daran so witzig?", knurrte Yata.
"Ach nichts."
"Jetzt sag schon!"
Ich verschränkte meine Arme. "Nö."
"Das kannst du doch nicht machen, Amy! Ich will sofort wissen, wieso du gelacht hast!"
Im gleichen Moment bekam er schon wieder eine von Mikoto übergebraten. "Sprich nicht so unfreundlich mit ihr!"
Daraufhin musste ich nur noch mehr lachen. Und zum ersten Mal seit langer Zeit hatte ich das Gefühl, dass es endlich wieder Berg auf ging.

Ja, dieses Kapitel hat wieder länger gedauert, aber ich hoffe, dass das nächste schneller fertig wird.

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