Antworten auf die Fragen

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Eigentlich hatte mein Vater mir verboten, heute raus zu gehen, aber ich wollte es jetzt wissen. Wissen, was es mit den Clans auf sich hatte. Also schlich ich mich mal wieder unbemerkt aus dem Haus. Erleichterung stieg in mir auf, als ich um die nächste Ecke bog. Ab hier war ich in Sicherheit.
"Guten Morgen, Amy."
Ich wirbelte herum. "Verdammt, erschreck mich nicht so Yata!"
"Entschuldigung.", meinte er nur.
"Was machst du hier?", wollte ich von ihm wissen, während wir uns auf den Weg zur Bar machen.
Er wurde rot im Gesicht und schaute in der Gegend herum. "Naja, also, ich habe mir Sorgen gemacht."
"Wieso das denn?" Sofort fragte ich mich, ob er herausgefunden hatte, was mein Vater mir manchmal antat. Hoffentlich nicht! Keine Ahnung, warum, aber ich wollte nicht, dass es jemand erfuhr.
"Weil Anna uns von dem Vorfall gestern erzählt hat."
"Achso." Ich blickte erleichtert zu Boden.
"Du bist echt mutig gewesen.", lobte er mich.
"Das ist doch nicht der Rede wert." Am liebsten hätte ich es vergessen. Ich hatte so große Angst gehabt. Im Nachhinein hatte ich die sogar vor mir selbst. Nie im Leben hätte ich mir zugetraut, auf jemanden los zu gehen, der eine Pistole auf mich richtete.
"Nicht der Rede wert?!", rief Yata. "Wenn du das nicht getan hättest, wärt ihr beide jetzt höchstwahrscheinlich tot." Als ich nur verlegen lächelte, sprach er weiter: "Mikoto ist stocksauer gewesen. Er hat so etwas gesagt, wie: 'Wenn ich den erwische, gnade ihm Gott.' " Wieso konnte ich mir diese Reaktion bei ihm so gut vorstellen? "Ach ja: Wir wollten doch heute Skateboard fahren. Willst du es lieber vor oder nach deinem Besuch bei Mikoto machen?"
"Danach.", antwortete ich. Um noch länger zu warten, war ich einfach viel zu neugierig.
"Und wir müssen dich noch um einen Gefallen bitten...."
"Welchen denn?"
"Könntest du ein Phantombild von dem Typen gestern erstellen.", fragte Yata.
"Klar, aber hat euch Anna das noch nicht gemacht. Ich meine....."
"Ich weiß, was du meinst.", flüsterte Yata. "Anna, sie ist farbenblind." Mein Atem stockte für einen kurzen Moment. "Naja, nicht ganz." Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. "Die Farbe rot kann sie sehen."
"Ach so." Irgendwie hatte ich jetzt ein schlechtes Gewissen.
Heute war die Bar Recht leer. Ein paar Jungs, die ich nicht kannte, spielten Karten. Izumo spülte gerade ein paar Gläser ab und Anna betrachtete eine ihrer roten Kugeln. "Mikoto ist dort drinnen.", meinte Yata und zeigte auf die Tür, hinter der der König gestern schon verschwunden war.
Ich nickte und klopfte an die Tür. "Herein.", ertönte seine Stimme. Ich öffnete die Tür und schloss sie wieder hinter mir. Der Raum war größer als erwartet. Darin stand ein Schreibtisch, ein Sofa, ein Bett und sogar ein Klavier! Mikoto saß auf dem Fensterbrett, schaute nach draußen und rauchte gerade eine Zigarette. "Guten Morgen, Amy."
"Guten Morgen.", wiederholte ich.
"Wo fangen wir jetzt am besten an?", murmelte er vor sich hin. "Was weißt du schon?"
"Naja....", überlegte ich. "Also, es gibt sieben Clans und jeder hat einen König. Scepter 4 gehört auch dazu. Und dann gibt es noch diese Schwerter des Damokles.... äh.... sonst weiß ich nichts."
Mikoto begann zu lächeln. "Ich erkläre es dir am besten von vorne: In dieser Stadt gibt es sieben Clans. Der erste ist der silberne Clan, obwohl man nicht richtig von einem Clan sprechen kann, da nur der König selbst Mitglied ist. Sein Name ist Adolf K. Weismann. Der zweite ist der goldene Clan, der von Kokujōji Daikaku angeführt wird. Danach kommt Homra als der rote Clan. Anschließend Scepter 4. Die sind der blaue Clan. Der grüne Clan *Jungle* und der graue Clan *Cathedral* sind aktuell inaktiv, genauso wie der farblose Clan. Den neuen König, oder besser gesagt den ehemaligen neuen König, des grauen Clans habt ihr gestern ja schon gesehen. Jetzt ist er tot, wie der des farblosen Clans. Jeder König wird von den sogenannten Dresdner Schiefertafeln erwählt." Er machte eine kurze Pause und zog einmal an seiner Zigarette. "Jeder der Clans hat eine bestimmte nennen wir es Fähigkeit. Normale Leute würden es wahrscheinlich als Magie oder Hexerei bezeichnen." Mikoto streckte seine Hand aus, auf der kurz darauf eine rote Flamme erschien.
Zuerst streckte ich zurück. Doch dann fand ich es eher faszinierend. "Es ist wunderschön."
Mikoto lachte. "Das sagt Anna auch immer."
"Wirklich?" Auch ich musste kurz lachen.
Er nickte und fuhr fort. "Jeder Clan hat einen König, der Leuten diese Kräfte verleihen kann. Und wenn die ihre eigene Kraft einsetzen erscheinen die jeweiligen Schwerter des Damokles." Er blickte zu mir. "Hast du alles verstanden?", fragte Mikoto, während er seine Zigarette in einem Aschenbecher löschte. Ich nickte. "Dann stellt sich nun nur noch eine Frage: Willst du ein Mitglied von Homra werden?"
Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet. Das alles.... die Clans, diese Kräfte, gestern wäre ich fast umgebracht worden. Und trotzdem hatte dieser Ort etwas an sich. Hier hatte ich Spaß. Hier behandelte mich jeder normal, nicht wie zu Hause. Die Leute waren alle so freundlich. Mein Herz sagte mir, dass ich richtig war.
Ich ging einen Schritt auf Mikoto zu. Keine Ahnung, was es bedeutete, Mitglied in einem Clan zu sein, aber das war mir egal. "Ja.", sagte ich mit entschlossener Stimme. "Ich will Homra beitreten."
Mikoto schien erfreut über meine Antwort zu sein. "So sei es." Er reichte mir seine Hand hin, die immer noch von den Flammen umschlungen war. "Nimm meine Hand. Wenn du das schaffst, bist du ein Mitglied."
Zuerst musste ich schlucken, doch dann nahm ich all meinen Mut zusammen und ergriff seine Hand. In diesem Moment sprangen die Flammen auf mich über. Für einen kurzen Augenblick wollte ich wegspringen, mich auf dem Boden wälzen, um das Feuer auf meiner Haut zu löschen. Aber die Flammen taten überhaupt nicht weh. Eine wunderbare Wärme durchströmte mich. So wohl hatte ich mich noch nie in meinem Leben gefühlt. War das die Macht eines Clans? Dann verschwanden die Flammen. Mein rechter Oberarm kribbelte, woraufhin ein rotes Tattoo darauf erschien. Ich schaute Mikoto fragend an.
"Das ist das Zeichen von Homra.", erklärte er und ließ meine Hand los. "Ab jetzt kannst du diese Kraft auch benutzen."
"Und wie genau?"
"Du musst es einfach wollen."
"Hmmmm." Ich konzentrierte mich. *Flamme erscheine!*, dachte ich immer wieder. Dann, im nächsten Augenblick, erschien direkt vor mir eine Flamme. Ich stieß einen triumphierenden Ruf aus. "Geschafft!"
"Gut gemacht.", lobte mich Mikoto. "Noch etwas: Danke dafür, dass du Anna gestern gerettet hast."
"Kein Problem." Wieso dankte mir nur jeder dafür?
"Ich habe eine Bitte an dich."
"Welche denn?"
"Pass auf dich auf.", meinte er. "Wir haben keine Ahnung, wer das getan hat. Auch wenn ein König am Anfang noch nicht so viel Macht besitzt, ist und bleibt er die mächtigste Person im Clan. Es braucht viel Kraft, um einen zu ermorden. Ich will nicht, dass einem meiner Mitglieder etwas passiert."
"Keine Angst. So schnell lass ich mich nicht unterkriegen.", versicherte ich ihm. "Nur noch eine Frage."
"Ja?"
Ich zeigte auf das Klavier. "Könnte ich vielleicht kurz darauf spielen?"
Das hatte er wohl nicht erwartet. "Gerne.", antwortete er mit einem überraschten Geschichtsausdruck.
Also setzte mich auf den Stuhl vor dem Instrument und begann, *River flows in you* zu spielen, eines der wenigen Lieder, die ich konnte.
Mikoto stellte sich neben mich und lauschte der Musik. "Du spielst echt gut. Hattest du Unterricht?"
Ich schüttelte den Kopf. "Habe es mir selber beigebracht.", erzählte ich. "Als ich noch zur Schule ging, hat immer jemand gespielt. Ich fand ein paar Melodien so schön, dass ich sie mir gemerkt habe. Eines Tages habe ich zu Hause zufällig ein Keyboard gefunden und versucht, sie nachzuspielen. So habe ich es gelernt." Ich drückte eine falsche Taste. "Anscheinend bin ich aber etwas aus der Übung geraten.", seufzte ich.
"Spielst du denn nicht mehr zu Hause?"
"Nein. Irgendwann kam mein Vater früher von der Arbeit und hörte mich spielen. Er hat...." Ich erinnerte mich nur verschwommen an den Tag. Er hatte mich so stark verprügelt, dass ich mich keine Erinnerung mehr daran hatte. Entweder hatte er mir einen zu festen Schlag auf den Kopf verpasst oder ich wollte mich nicht erinnern und hatte alles verdrängt. "Er hat es entsorgt." Das war seine Racheaktion gewesen. "Seitdem habe ich nicht mehr gespielt."
"Das ist traurig." Mikoto blickte mir in die Augen. "Du solltest dich mal mit Totsuka zusammensetzen. Er spielt Gitarre. Die beiden Instrumente klingen gemeinsam bestimmt gut."
"Werde ich machen."
Anschließend verließen wir den Raum. Alle in der Bar starrten uns an. "Sie wollen das Zeichen sehen.", flüsterte mir Mikoto zu.
"Welches....", begann ich, als mir klar wurde, was er meinte. Ich krempelte den Ärmel meines T-shirts nach oben, sodass die Tätowierung zum Vorschein kam.
Gejubel brach aus, gefolgt von einem Ruf: "No Blood! No Bone! No Ash!" Das war Homra's Ruf. Jeder in der Stadt kannte ihn. Und nun war ich auch Teil dieser gefährlichen und brutalen Gang, die sich als wundervoll herausgestellt hatte. "No Blood! No Bone! No Ash!", stimmte ich mit ein.
Nachdem das Gejubel erloschen war, kam Anna zu mir gelaufen. "Hast du da gerade eben Klavier gespielt?", fragte sie, woraufhin ich nickte. "Bitte, bitte, spiel noch einmal für mich."
Ich lächelte. "Klar." Das war das erste Mal in meinem Leben, dass jemand mich Klavier spielen hören *wollte* und es freute mich. Ich drehte mich gerade zum Nebenzimmer um, als Mikoto schon dabei war das Klavier aus dem Zimmer zu schieben. Erst jetzt fielen mir die Rollen unter dem Instrument auf. Dann begann ich zu spielen. Zuerst *River flows in you*, anschließend *Kiss the rain*, danach *Demons* und zu guter Letzt noch *Angel with a shotgun*, wovon ich sogar den Text kannte:

*They say: "Before you start a war, you better know, what you're fighting for." A soltier i will be.*
*I'm an Angel with the shotgun, fighting til the war's won. I don't care, if heaven won't take me back. And I want to life, not just survife.*
*You can say, I'm a dreamer.*

Applaus ertönte. Ich spürte, wie ich im Gesicht rot anlief. "Du kannst wirklich gut singen.", lobte mich Yata."D-danke.", brachte ich nur stotternd heraus.
Danach hatte ich mit Yata meine erste Skateboard Unterrichtsstunde. So oft wie ich da runter gefallen war, konnte man nicht mehr zählen. Irgendwo bei zwanzig hatten wir aufgehört.
"Ich bekomme das nie hin.", seufzte und setzte mich.
"Doch.", ermutigte mich Yata. "Du machst schon große Fortschritte. Ich hab übrigens noch was für dich." Er kramte in seiner Hosentasche und holte ein schwarzes Ding heraus, was er mir zu warf.
"Ein Klapphandy?" Ich blickte ihn fragend an.
"Damit kannst du Homra immer erreichen. Meine Nummer ist übrigens auch eingespeichert.", erklärte er. "Nur für den Fall der Fälle, wenn was passiert." Meinte er etwa, wenn ich wieder Stress zu Hause hatte? "Dieser eine Typ, der den grauen König umgebracht hat, könnte noch hinter dir her sein.", fügte er noch schnell hinzu.
Das Skateboard fahren hatte echt Spaß gemacht. Leider war es dann irgendwann vorbei.
Ich musste nach Hause. Natürlich war mein Vater auf 180. "Woher hast du das Tattoo?"

Endlich ist dieses Kapitel draußen. Amy hat die Kräfte des roten Clans bekommen. Und Yata hat es passend beschrieben: Jetzt kann sie sich wehren. Ich freue mich schon riesig darauf, die nächsten beiden Kapitel zu schreiben.

Eure Lina

K-Project - Die wahre GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt