Scepter 4

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Mein Kopf dröhnte, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Nur mit Mühe konnte ich mich dazu aufrappeln, aus dem Bett raus zu gehen. Völlig fertig schleppte ich mich ins Bad. Im Spiegel erblickte ich dann zum ersten Mal das Ausmaß des gestrigen Abends: Mein Gesicht war immer noch ein bisschen angeschwollen, aber das war das geringste Problem. Und meine rote Augenfarbe war auch nicht weggegangen. Konnte es noch schlimmer werden?
Mit den vielen blauen Flecken, die ich nach meinem abendlichen Besuch in der Bar bekommen hatte, konnte ich unmöglich zu Homra gehen. Am Ende stürmten die noch bei mir zu Hause rein, um mich zu retten.
Ich musste lächeln. Eigentlich war es ja ein schöner Gedanke, dass sich jemand um mich sorgte. Aber ich wollte nicht, dass sie mich so sahen. Ich seufzte, holte mein Handy heraus und klickte auf Yata's Kontakt, um ihm eine Nachricht zu senden.

Ich: Guten Morgen, Yata. Ich kann heute leider nicht kommen, weil ich mich nicht so gut fühlte.

Keine zwei Minuten später kam die Antwort.

Yata: Alles in Ordnung bei dir?

Ob alles in Ordnung war? Mein Vater hatte mich geschlagen und verprügelt. Mein ganzer Körper war mit blauen Flecken und kleineren Wunden übersät. Nein, nichts war in Ordnung.

Ich: Ja, habe nur ein bisschen Kopfschmerzen.

Wieso log ich die Leute immer an? Wollte ich etwa so sehr, dass niemand hinter mein Geheimnis kam? Eigentlich war mir jetzt zum Weinen zu Mute, aber das hatte ich schon seit Jahren nicht mehr gemacht. Damit hatte ich aufgehört. Es war ein Zeichen von Schwäche, was bei meinem Vater nur noch mehr Wut auslöste. Deshalb hatte ich es verlernt.
Mein Handy vibrierte. Noch eine Nachricht von Yata.

Yata: Okay. Wenn was ist, sag Bescheid.
Ich: Natürlich. Morgen komme ich bestimmt wieder.

Ja, denn morgen waren die ganzen Verletzungen bestimmt bereits verheilt. Dann packte ich das Handy wieder weg. Schließlich sollte es keiner meiner Elternteile entdecken.
So, nun stellte sich die Frage, was ich den ganzen Tag tun sollte. Zu Hause blieb ich auf keinen Fall. Also blieb nur die Innenstadt übrig. Ich zog mich schnell um: Ich nahm wieder meine Jacke mit und zog die Kapuze über meinen Kopf. Anschließend schlich ich mich aus dem Haus. Das beste an meinem Vater war, dass er einen sehr tiefen tiefen Schaf hatte. Gut für mich.
Die Innenstadt war wie jeden Tag überfüllt. Ebenfalls zu meinem Glück. Ich konnte einfach in der Masse untergehen. Niemand interessierte sich für mich. So war es schon immer gewesen. Zumindest früher.
Ich bog um die Ecke und entdeckte ein paar Leute, die blaue Klamotten trugen. Jeder kannte sie: Das waren Leute von Scepter 4. Instinktiv sprang ich zurück hinter die Ecke, dass sie mich nicht sehen konnten. Ich gehörte jetzt zu Homra. Beide Gruppen verstanden sich sowieso schon nicht so gut. Deshalb sollte ich mich lieber im Hintergrund halten. Ich hatte nichts gegen sie, aber vielleicht sie etwas gegen mich, wenn sie herausfanden, wer ich war. Ich beschloss also, mich langsam und leise zurückzuziehen.
"Na, wen haben wir denn da?"
Ich wirbelte herum. Hinter mir stand ein junger Mann, etwa in Yata's Alter. Er hatte auch einen dieser blauen Anzüge an. Also war er auch ein Mitglied von Scepter 4.
"Wieso willst du denn nicht, dass die anderen dich sehen?"
Mist, er hatte es gemerkt. Wie kam ich da nur wieder raus? "Ich weiß nicht, was du meinst.", versuchte ich mich herauszureden.
Im nächsten Moment drückte er mich mit einem Lächeln gegen die Wand. "Tu nicht so blöd.", flüsterte er leise, doch ich verstand ihn gut, weil er mit seinem Gesicht erschreckend nahe kam. "Ich habe genau gesehen, wie du dich beim Anblick von Scepter 4 sofort zurückgeschreckt bist. Hast du etwa was zu verheimlichen?" Ich schüttelte den Kopf. "Zeig mir dein Gesicht!" Ich hatte immer noch die Kapuze auf. "Los! Ich will wissen, wer du bist." Wieder Kopfschütteln. Nein, niemand durfte sehen, wie mein Gesicht aussah. Zumindest nicht jetzt.
Ich versuchte, mich zu befreien, aber er war einfach zu stark. "Na gut.", gab er schließlich nach. Hoffnung machte sich in mir breit. Vielleicht ließ er mich ja laufen. Doch diese Hoffnung wurde im nächsten Augenblick zerschlagen, als er mich am Kragen packte und zu seinen Kollegen zog. Ich zappelte wie verrückt, doch das brachte auch nichts.
Am Ende setzte er mich trotzdem vor einem Mann ab. Der wirkte etwas freundlicher, als der, der mich hier her geschleppt hatte. "Wer ist das?"
"Eine Verdächtige, Captain.", antwortete der erste. "Ich habe sie geschnappt, als sie fliehen wollte."
Moment! Captain? Ich starrte den zweiten an. *Verdammt.* Das konnte nicht wahr sein. Captain war das höchste Amt, das man in Scepter 4 erreichen konnte. Im Klartext: Das war also der blaue König Munakata Reisi. Super, ich hatte wirklich die A.....Karte gezogen.
"Wer bist du?"
"Amy Suzuki.", nannte ich ihm meinen Namen. Im Nachhinein ein schlechter Schachzug. *In so einer Situation sagt man doch nicht seinen richtigen Namen!*
"Zeigst du uns mal dein Gesicht?"
"Nein.", sagte ich und zog mir die Kapuze nur noch mehr übers Gesicht.
"Wieso nicht?"
"Weil ich es nicht will."
Der andere Mann schnaubte. "Der Captain möchte es aber sehen."
Dann versuchte er mir die Kapuze vom Kopf zu ziehen. Ich hielt sie mit beiden Händen fest. "Lass mich in Ruhe." Ängstlich blickte ich mich um. Überall standen Leute von Scepter 4 herum. Ich hatte keine Chance zu fliehen. Der erste ließ meine Jacke nicht los.
Panik machte sich in mir breit. Mein Herz schlug immer schneller. Ich begann am ganzen Körper zu zittern. Irgendwie musste ich von hier weg. Jetzt. Sofort. Weit. Weg. Von. Denen. "LASS MICH IN RUHE!!!", schrie ich so laut ich konnte und schloss die Augen.
Nur Millisekunden später spürte ich, wie er mich los ließ. Und nicht nur das: Angst erfüllte Rufe ertönten. Die Scheiben der Häuser um uns herum zersplitterten. Scherben flogen herum. Wind kam auf. Eine gewaltige Hitzewelle strömte durch die Straße.
Dann wurde es ruhig. Vorsichtig wagte ich es aufzuschauen. Munakata, die Leute, die hinter ihm gestanden hatten und der Typ, der versucht hatte, mir die Kapuze vom Kopf zu ziehen standen noch auf ihren Plätzen. Die anderen dagegen lagen irgendwo anders herum. Manche bluteten sogar. Ein paar Zivilisten starrten uns alle an. Die Fenster an den umliegenden Häusern waren alle zerstört. An manchen Stellen wurden sogar Teile der Straße herausgerissen. War ich etwa an all dem Schuld?
Niemand wagte sich zu rühren, außer einer. "Sie hat eine rote Aura.", rief der. "Dass heißt, sie gehört zu Homra."
Sie hatten es letztendlich also doch herausgefunden. Aber das war jetzt meine Chance. Ich rannte los. "Hey!" Der Mann, der mich zu denen geschleift hatte, verfolgte mich. Ich beschleunigte mein Tempo, schaute noch einmal zu meinem Verfolger zurück und stieß prompt mit jemandem zusammen.
"Entschuldigung.", meinte ich und wollte weiterlaufen.
"Ach, hallo, Amy." Ich schaute auf und blickte in Tartara's freundliche Augen. "Mit der Kapuze hätte ich dich fast nicht erkannt." Dann sah er zu dem anderen Typen. "Sei gegrüßt, Fushimi. Lange nicht gesehen." Wartet mal! Der Fushimi Saruhiko? Heute war echt nicht mein Tag. Fushimi hatte das dritt höchste Amt bei Scepter 4 inne. Wieso legte ich mich nur immer mit den falschen Leuten an?
"Leider nicht lange genug.", schnaubte er als Antwort. "Sie gehört also wirklich zu Homra." Er begann zu lächeln.
Tartara stellte sich vor mich. "Ja, und? Hast du etwas dagegen?"
"Sie hat Scepter 4 gerade angegriffen."
"Stimmt das, Amy?"
"Der hat mich zu den anderen geschleppt.", begann ich zu erzählen. "Dann hat er versucht, mir die Kapuze runter zu ziehen. Ich habe gesagt, sie sollen mich in Ruhe lassen, aber das haben sie nicht getan. Ich hatte solche Angst. Da hab ich aus Versehen die neuen Kräfte eingesetzt."
"Da hörst du es.", sagte Tartara. "Die Schuld liegt nicht bei ihr." Ich bewunderte ihn dafür, dass er in so einer Situation so ruhig blieb.
"Trotzdem wurden ein paar von unseren Leuten verletzt." Er zog sein Schwert. "Fushimi, bereit." Dann rannte er auf uns zu. Er holte mit seinem Schwert aus.
Tartara hob beide Hände und hielt das Schwert scheinbar mühe los fest. Eine Druckwelle an Kraft kam mir entgegen. "Du weißt genauso gut wie ich, dass wir hier und jetzt keinen Streit vom Zaun brechen sollten."
Fushimi wich zurück. "Du hast recht, aber das hier ist noch nicht vorbei." Anschließend wandte er sich an mich. "So siehst du also aus.", lachte er.
Erst jetzt merkte ich, dass mir die Druckwelle die Kapuze vom Kopf geweht hatte. Ich wollte sie gerade wieder aufsetzen, als mir in einem Schaufenster mein Spiegelbild auffiel. Das konnte nicht sein! All die blauen Flecken, Wunden und Schwellungen waren verschwunden. Einfach so. Ich sah wie früher aus. Naja, nicht ganz: Die roten Augen waren geblieben. Aber sonst war ich wieder normal. Zum Glück.
Fushimi drehte sich um und ging. Als er außer Sichtweite war, wandte sich Tartara an mich. "Geht es dir gut?"
Ich nickte. Wahrscheinlich hatte ich nur einen kleinen Schock bekommen. "Es tut mir so leid.....", murmelte ich. "Dass Leute verletzt werden, wollte ich nicht. Ich habe einfach Panik bekommen. Und alle, die dabei waren, die wissen doch jetzt von unseren Kräften...."
"Keine Sorge." Er klopfte mir auf die Schulter. "Scepter 4 wird sich darum kümmern. Doch wir müssen es unbedingt hinbekommen, dass du deine Kräfte nicht noch einmal aus Versehen einsetzt. Ich bin mir aber sicher, dass wir das schaffen."

Ich bin so richtig stolz auf Amy, dass sie den Typen von Scepter 4 mal richtig auf den Deckel gehaut hat.

Eure Lina

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