Kapitel 43

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"Also willst du mir damit sagen, dass du mich eigentlich auch nur zum ficken wolltest, oder wie?"

"Nein. Ich würde dich niemals ausnutzen!" Das kam schnell, ernst, aggressiv und überzeugend. Auch wenn ich die Anschuldigung nicht komplett ernst gemeint hatte, sah ich wie er die Zähne zusammenbiss und seine Wangenknochen hart hervortraten.

Wow, das sieht einfach nur heiß aus!, gab meine innere Stimme unnötige Kommentare, und obwohl sie mich nervte, musste ich ihr zustimmen.

"Dann kamst du. Du hast mich wortwörtlich umgehauen.", sagte er dann und wir mussten beide in Erinnerung grinsen. Ich hatte ihn tatsächlich umgehauen, eher umgerannt. Damals hätte ich niemals gedacht, dass es so kommen könnte, wie es jetzt eingetreten war.

"Du warst anders, aber im positiven Sinne, ich hatte sofort ein vertrautes Gefühl, wenn wir geredet haben, egal über was. Und genau deswegen hatte ich Angst, dass ich es wie immer versauen werde. Also dachte ich, ich schiebe dich lieber von mir weg, als dich an mich ranzulassen, nur damit ich dich in Endeffekt noch mehr verletze, verstehst du? Bevor ich dich betrogen hätte oder anderes, hab ich lieber dafür gesorgt, dass das nicht passieren kann. Ich wollte dir nur keinen Schaden zufügen. Du hast einen Freund verdient, der dich auf Händen trägt. Einen, der perfekt zu dir passt. Einen, der keine Angst haben muss, dich zu betrügen. Einen, der dich wirklich...liebt."

Ich nickte langsam, während sich seine Worte einen Weg durch meine Gehirnzellen bahnten. Ich verstand es begrenzt, auch wenn es meinerseits trotzdem verletzend war. Aber eins blieb mir unklar.

"Da wir jetzt reden...", begann ich leise, und sah, wie Ethan mir aufmerksam zuhörte, "nehme ich an, du hast deine Meinung geändert?"

Er nickte. "Ja."

"Warum?", fragte ich dann. Die Frage ließ mir keine Ruhe. Was hatte ihn umgestimmt?

"Es war auf der Party, obwohl, wenn ich so drüber nachdenke schon vorher. Du warst dort, und ich sehe noch genau vor mir, wie du reinkommst. Du sahst wirklich atemberaubend aus, Liv." Ich errötete ein wenig bei seinen Worten. "Es hat sich einfach nur falsch angefühlt bei Chloe zu sitzen, deshalb bin ich dir gefolgt. Und der Kuss, es war, das war.." Als wir beide daran zurückdachten, herrschte Stille, und ich konnte seine Wortlosigkeit verstehen. Es war wie eine Explosion gewesen, ich hatte mich so sehr nach diesem Kuss gesehnt, und dabei festgestellt, was ich für ihn empfand. War es möglich, dass es auf Gegenseitigkeit beruhte? Oder war es nur die nächste Möglichkeit mich auszunutzen?

Während er redete, war er mir immer näher gekommen, und wir waren jetzt auf Augenhöhe. "Seitdem wusste ich, dass ich dich mehr als nur mag, und dass du richtig bist, und dass das was die anderen denken, mir völlig egal ist." Es war ein halbes Liebesgeständnis, das er mir da machte, und so fühlte ich mich auch. Benebelt.

Er kam mir näher, und ich wusste worauf es hinauslaufen würde. Ich konnte ihm nicht widerstehen. Sein Geruch traf mich intensiv und Sekunden später trafen seine Lippen samtweich auf meine. Es war ein sanfter, weicher, gefühlvoller Kuss. Ich schloss die Augen. Wie immer, war das Gefühl umwerfend und ich bekam Gänsehaut. Wie sehr sehnte mein Körper sich nach seinem und danach sich auf seinen Schoß zu setzen und die Arme um ihn zu schlingen, um den Kuss zu vertiefen. Trotzdem lehnte ich mich nach kurzer Zeit zurück, um dann ruckartig aufzustehen und einen Schritt zurückzuweichen. Ethan saß noch an der Wand und sah aus großen Augen zu mir auf. Aber so funktionierte es nicht! Die Wut und Enttäuschung drängte meine Leidenschaft zurück und bahnte sich ihren Weg an die Oberfläche.

"Was soll das? Was willst du eigentlich? Erst willst du mich nicht und servierst mich ab, und dann küsst du mich und sagst sowas? Soll das etwa deine neue Freundin beeindrucken? Hast du sie vergessen? Oder was ist das hier? Ein Scherz? Oder eine Wette?", rastete ich aus, und die Wut, der Zorn und die Traurigkeit, die sich angelagert hatten, brachen endgültig aus. Ich wusste nicht mehr was ich denken sollte.

Ethan war während meiner Rede aufgesprungen und sah jetzt ebenfalls verwirrt, verzweifelt und wütend aus. "Nein! Es ist nichts von allem! Chloe ist nicht mehr meine Freundin, ich habe am Tag der Party noch Schluss gemacht!" Auch seine Stimme wurde laut.

"Dann musst du dir überlegen, was du willst! Du kannst mich nicht einfach küssen, wann es dir passt." Ich passte meine Lautstärke seiner an, und wurde dabei noch lauter. Ich nahm das als letztes Wort, welches ich selbstverständlich haben wollte, und drehte mich um, um endgültig davonzueilen.

Ethan holte mich auf halben Weg ein und griff nach meinem Arm. "Liv! Warte!" Ich blieb ein letztes Mal stehen.

"Was?"

"Ich weiß was ich will. Dich. Nur dich, verdammt. Fuck, ich hätte niemals gedacht, dass ich sowas jemals sagen könnte. Aber ich schätze ich hab mich in dich verliebt. Und es ist mir egal, was andere sagen."

Während ich sprachlos war, und mich nicht rühren konnte, strich Ethan mir eine Haarsträhne hinters Ohr, und verweilte dann mit seiner Hand kurz an meiner Wange. Ich ließ es zu, denn es fühlte sich...richtig an. Toll. Was sollte ich nur tun? Verdammt, im Entscheidungen treffen war ich schon immer miserabel gewesen. Und ich wusste nicht ob ich Ethan glauben oder vertrauen konnte. Aber ich wünschte es mir.

Er zog seine Hand jetzt vorsichtig zurück. "Triff mich morgen Mittag um 16:00 Uhr am Steg." Dann ging er einen Schritt zurück. Und noch einen. Er ließ mich nicht aus den Augen, und ich musste seinen Blick erwidern. Die braunen Augen strahlen eine Sehnsucht aus, die ich im Inneren auch verspürte. Doch konnte ich ihm glauben und eine zweite Chance geben, bei dem was in meiner Vergangenheit ruhte?

Ethan ging langsam an mir vorbei, und ich konnte nicht anders, als ihm hinterher zu schauen. Kurz vor dem Weg, der zurück zur Schule führte, drehte er sich nochmal um, und ertappte mich logischerweise dabei, wie ich ihm hinterher blickte. Ich sah verlegen auf den Boden, sah aber wieder auf, als er noch etwas sagte.

"Du musst dir überlegen, ob du mir verzeihen kannst, und ob du uns eine zweite Chance geben kannst, Liv. Ich hoffe, du kannst." Sein Blick war unergründlich und tief, und ich sah zum ersten Mal, dass es ihm auch nicht leicht fiel und dass er litt. Meintentwegen. Eigentlich wäre es nur gerecht, wenn er auch leiden müsste, wie ich. Er hätte es verdient, auch wenn ich jetzt alles aus zwei Sichtweisen sah. Aber da ich ihn mochte, wollte ich nicht dass er litt. Und ich mochte ihn sehr. Man konnte sagen, es hatte mich schwer erwischt, und wenn seine Worte nicht gelogen waren, dann ihn ebenfalls. Die Hoffnung in mir, die an ein Happy End glaubte, wuchs.

Und doch hatten seine Worte mich total getroffen. Denn er hatte Recht. Ich musste jetzt entscheiden, ob ich ihm verzeihen konnte und ob ich uns eine weitere Chance geben würde.

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